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Federer im Olymp des Tennis

Reuters

Die Schweizer Zeitungen sind sich für einmal einig: Der Tennisprofi Roger Federer hat am Sonntag in Paris mit seinem 14. Grand-Slam-Titel Sportgeschichte geschrieben. Er zähle damit definitiv zu den grössten Sportlern der Welt.

“Gigant Federer” titelt die Neue Luzerner Zeitung, “Endgültig der Grösste” der Tages-Anzeiger, “Federer macht sich unsterblich” Der Bund, “Sternstunde in Paris” die Berner Zeitung.

“Vergessen Sie Pete Sampras, vergessen Sie Björn Borg. Roger Federer hat Sportgeschichte geschrieben”, so der Kommentar am Montag in der Basler Zeitung.

“Auch wenn Quervergleiche stets heikel sind: Er ist der grösste Spieler, den das Tennis gesehen hat.” Seine mentale Stärke und die “Fighter-Qualitäten” würden ihm auch noch zu weiteren Erfolgen verhelfen, ist die Baz überzeugt. “Es wäre jedenfalls keine Überraschung, würde er den 15. Grand-Slam-Titel noch in diesem Jahr holen.”

Auch Der Bund aus Bern ist gleicher Meinung: “Roger Federers Karriere ist ein Meisterwerk, seit gestern ist sie vollendet. Was jetzt noch kommt, ist Zugabe, und die kann durchaus üppig ausfallen.”

“Federer-Ville”?

“In anderen Ländern hätten sie gestern einen Nationalfeiertag ausgerufen oder zumindest eine Hand voll Städte umbenannt”, schreibt der Kommentator der Neuen Luzerner Zeitung. “Hierzulande gilt bereits ein kurzer Jubelschrei der Fans als Zeichen überschäumender Euphorie.”

Doch gerade diese helvetische Zurückhaltung sei es, die Federer im Heimatland helfe, zwischen Turnieren zur Ruhe zu kommen. “Hier kann er Kraft tanken, ohne dass die Fans aus seinem Vorgarten einen Campingplatz machen.”

Federer habe sich nie von Niederlagen oder Tiefschlägen entmutigen lassen, so der Tages-Anzeiger. Er habe damit der Welt gezeigt, “was positives Denken ist, wie sehr sich Beharrlichkeit auszahlen kann”.

Der Basler habe sich nicht jenem Schicksal gefügt, das viele für ihn vorbestimmt gesehen hätten: “Dass er die lange Liste der in Paris gescheiterten Champions verlängern würde, dass er ewig ‘der Verfluchte des Court Central’ bleiben würde, wie ihn eine französische Sportzeitung nannte”.

Sportgeschichte

Für die Berner Zeitung scheint klar, dass die Schweiz nur einmal in einer Lebensspanne einen solchen Ausnahmesportler zu sehen bekommt. “Der 7. Juni 2009 darf getrost als grösster Tag in der Schweizer Sportgeschichte bezeichnet werden.”

Roger Federer stehe seit Sonntag auf einer Stufe mit Legenden wie Muhammad Ali und Michael Jordan, so der Kommentator. “Dass ein Athlet aus der kleinen Schweiz, in welcher der Sport einen tieferen Stellenwert geniesst und die staatliche Förderung deutlich geringer ausfällt als in vielen anderen Ländern, diesen Status erreicht, grenzt an ein Wunder.”

Respekt

Es sei nun endgültig an der Zeit, so die Aargauer Zeitung, “dass die Schweizer begreifen, was für ein Juwel aus ihrem Land kommt. Und dass sie einer besonderen Persönlichkeit den verdienten Respekt erweisen”.

Denn: “Federer ist nicht nur der beste Tennisprofi, er gehört zu den herausragenden Sportlern überhaupt. Und das weltweit.” Er habe somit auch seine Kritiker, die bereits den Rücktritt gefordert hatten, mundtot gemacht.

Gesunde Schweiz

Den Bogen etwas weiter spannt am Montag der Blick. Das Boulevardblatt zieht den Vergleich zwischen Federers Erfolgen und dem Zustand der Schweiz in Zeiten von Finanzkrise und Bonus-Diskussionen.

“Sicher, Federers Sieg kann die psychologische Feinmechanik von Politik und Wirtschaft kurzfristig nicht verändern. Er kann die Probleme nicht auf dem Tennisplatz für uns lösen. Er kann uns aber in einen Gemütszustand versetzen, es wenigstens versuchen zu wollen.”

Die Schweiz bestehe nicht nur aus “marodem Bonus-System und krankem Ehrgeiz. Es gibt auch eine gesunde Schweiz, eine erfolgreiche, eine souveräne, eine willensstarke, eine internationale. Diese Schweiz hat gestern mit einem Sieg vorgelegt. Es liegt an uns, nun das entscheidende Tie-Break zu gewinnen.”

Sicherlich werde der Sieg des Millionärs das Leben des Arbeitslosen oder des einfachen Mannes nicht verändern, betont die Westschweizer Zeitung Le Temps.

“Doch er kann den Geschmack des Sieges und die Faszination für grosse Projekte auf uns übertragen. Denn wir haben alle in uns etwas von Federer.”

Christian Raaflaub, swissinfo.ch

Geschichte. Die Internationalen Meisterschaften von Frankreich gibt es seit 1928. Schauplatz ist das Stadion Roland-Garros in Paris. Roland Garros war ein berühmter französischer Aviatiker, der im Ersten Weltkrieg starb. Das French Open findet jeweils Ende Mai/Anfang Juni statt.

Prämien. Roland-Garros ist mit über einer Million Euro für den Einzel-Sieger das höchst dotierte Grand-Slam-Turnier. 2007 wurde die Prämiengleichheit für beide Geschlechter eingeführt. Insgesamt werden mehr als 16 Mio. Euro Prämiengelder an die Spielerinnen und Spieler verteilt.

1. Runde: Sieg gegen Alberto Martin (Spanien) 6-4, 6-3, 6-2
2. Runde: Sieg gegen Jose Acasuso (Argentinien) 7-6, 5-7, 7-6, 6-2
3. Runde: Sieg gegen Paul-Henri Mathieu (Frankreich) 4-6, 6-1, 6-4, 6-4
4. Runde: Sieg gegen Tommy Haas (Deutschland) 6-7, 5-7, 6-4, 6-0, 6-2
Viertelfinal: Sieg gegen Gael Monfils (Frankreich) 7-6, 6-2, 6-4
Halbfinal: Sieg gegen Juan Martin del Potro (Argentinien) 3-6, 7-6, 2-6, 6-1, 6-4
Final: Sieg gegen Robin Söderling (Schweden) 6:1, 7:6 (7:1), 6:4

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