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Strasse frei für den öffentlichen Verkehr

Rund drei Viertel der Menschen in der Schweiz leiden in irgend einer Form unter dem Verkehr. Keystone

Die Schweizer Regierung will die Förderung des öffentlichen Verkehrs massiv verstärken. Ziel ist es, die Agglomerationen vom Privatverkehr zu entlasten.

Das Parlament steht im Prinzip hinter dem Plan. Bei der Finanzierung des Ausbaus des Schienennetzes gibt es aber Differenzen.

Grosse Verkehrsvorhaben werden in der Schweiz künftig mit Mitteln aus einem so genannten Infrastrukturfonds finanziert. Die Regierung hat dazu Ende letzten Jahres grünes Licht gegeben. In der laufenden Frühjahrssession kommt das Geschäft ins Schweizer Parlament.

Mehr als zwei Drittel des mit 20 Mrd. Franken dotierten Topfes sollen gemäss Bundesrat in den Strassenbau fliessen. Knapp ein Drittel ist für die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs in den städtischen Ballungszentren reserviert.

Eigentlich einig

Otto Laubacher, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), stimmt mit der Regierung und allen grossen Parteien darin überein, dass der gegenwärtige Zustand unerträglich sei. “Es muss etwas geschehen, um den Verkehrsfluss in den Städten zu beruhigen”, so Laubacher.

Doch die Idee, mit Mitteln aus dem Infrastrukturfonds auch das Schienennetz in den grossen Agglomerationen auszubauen, gefällt Laubacher nicht. “Dadurch wird der Eisenbahnverkehr einseitig bevorteilt, und die Umweltschützer erhalten einen unfairen Vorteil”.

Franziska Teuscher, Nationalrätin der Grünen Partei (GP) sowie Präsidentin des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS), sieht das etwas anders. “Mit dem Fonds können Projekte des öffentlichen Verkehrs aus den Einnahmen der Benzinzölle finanziert werden.”

In den nächsten 20 Jahren will der Bund rund 14 Mrd. Franken in Fertigstellung und Unterhalt des Schweizer Autobahnnetzes pumpen. Sechs Milliarden sollen investiert werden, um den Verkehrskollaps in den Städten zu lindern.

Konkret stehen Eisenbahn-Ausbauten in Zürich, Genf und dem Südtessin im Vordergrund.

Grosse Belastungen

“Rund 70% der Schweizer Bevölkerung leben in städtischen Räumen, wo die Menschen Staus, Luftverschmutzung und Lärm direkt ausgesetzt sind”, so Christian Albrecht vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE).

Die Behörde, die dem Departement für Umwelt und Verkehr angegliedert ist, hat die Vorlage ausgearbeitet, die der Ständerat (kleine Kammer) am 21. März diskutieren wird.

Von Gesamtinteresse

Der Infrastrukturfonds komme der Schweizer Wirtschaft zu gut, weil er die Anschlüsse an die Geschäftszentren wie Zürich sicherstelle, argumentiert ARE-Vertreter Albrecht. Weiterer Vorteil: Der Bund hat bei der Verkehrsplanung in den Agglomerationen mehr Einfluss.

Bisher waren Entscheidungen in Verkehrsfragen in städtischen Räumen traditionellerweise Sache der Kantone und Gemeinden.

Streitpunkt beim Vorhaben ist die geplante Verteilung der Fondsgelder, allesamt Abgaben und Steuern aus dem motorisierten Strassenverkehr. Laut Franziska Teuscher ist dies auch im Interesse der Automobilisten.

“Die Strassen in den Städten kommen an ihre Grenzen. Je mehr Fahrzeuge wir von dort weg bringen, desto besser für diejenigen, die direkt auf den Verkehr angewiesen sind.”

Keine Partikularinteressen

ARE-Verkehrsplaner Christian Albrecht betont, dass die Regierung eine integrierte Verkehrspolitik anstrebe. Es gehe nicht darum, entweder Strasse oder Schiene einen Vorteil zu verschaffen, sondern dringende Probleme zu lösen.

Der Verkehrsinfrastrukturfonds ist das Kind des Bundesrates: 2004 hatte das Schweizer Stimmvolk einen Ausbau des Schweizer Strassennetzes an der Urne abgelehnt.

Statt einer Volksvorlage brachte der Bund anschliessend einen Fonds aufs Tapet, aus dem die Massnahmen zur Verkehrsberuhigung finanziert werden sollen.

swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Grosse Verkehrsvorhaben werden in der Schweiz mit Mitteln aus dem Infrastrukturfonds finanziert. Die Regierung hat ihn mit 20 Mrd. Franken gespiesen, die für die nächsten 20 Jahre sind.
Mehr als zwei Drittel fliessen in den Strassenbau. Knapp ein Drittel ist für die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs in den städtischen Ballungszentren reserviert.
Ein kleiner Teil dieser rund sechs Mrd. sind konkret für Eisenbahn-Projekte in den Städten vorgesehen.

2004 hatte das Schweizer Stimmvolk einen massiven Ausbau des Schweizer Strassennetzes, der auch eine zweite Tunnelröhre durch den Gotthard umfasst hätte, abgelehnt.

Die erste Autobahn wurde 1963 eröffnet. Das Netz soll 2020 fertig gestellt sein.

Das Autobahnnetz soll total 1892 Kilometer umfassen. Ende 2005 waren 1755 Kilometer gebaut.

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