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Überlingen: Anwälte fordern 150 Mio. Franken

In Memoriam: 71 Menschen verloren beim Flugzeugunglück nahe Überlingen ihr Leben. Keystone

Nach der Kollision zweier Flugzeuge über dem Bodensee im vergangenen Sommer fordern die Anwälte der Hinterbliebenen rund 150 Mio. Franken Entschädigung.

In der Schweiz löste das Vorgehen der Anwälte Befremden aus. Beim Unglück am 1. Juli 2002 waren 71 Menschen gestorben.

Pro Opfer sollen rund 2 Mio. Franken an die Hinterbliebenen gezahlt werden, fordern die deutschen Anwälte Michael Witti und Gerrit Wilmans. Nach ihren Vorstellungen sollen sämtliche Schäden über einen Ausgleichsfonds geregelt werden, dessen Gesamtvolumen die Summe von 150 Mio. Franken nochmals deutlich übersteigen könnte. Witt vertritt nach eigenen Angaben die Hinterbliebenen von 40 russischen Absturzopfern.

Wird keine Einigung erzielt, wollen die Anwälte nach eigenen Angaben gegen die Beteiligten vor Gericht ziehen. Sie sehen die Verantwortlichkeit bei den Staaten Schweiz und Deutschland, bei der Flugsicherung der beiden Staaten sowie den betroffenen Fluggesellschaften DHL und Baschkirian Airlines. Wer wie viel zahlen soll, steht noch nicht fest.

Im russischen Flugzeug starben 69 Menschen, hauptsächlich Kinder aus der baschkirischen Hauptstadt Ufa. In der DHL-Boeing kamen die zwei Piloten ums Leben.

Bund will “rasche und einfache Lösung”

Auch der Bund beteilige sich an den Gesprächen über Entschädigungs-Zahlungen, sagte Daniel Eckmann, Kommunikationschef des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).

Ziel sei es, unabhängig von der Schuldfrage eine möglichst einfache Lösung zu finden, um den berechtigten Wunsch der Hinterbliebenen auf eine rasche Abgeltung ihrer Ansprüche zu erfüllen, sagte Eckmann.

Zwar sei bekannt, dass sich aussergerichtliche Pool-Lösungen nach Flugzeugabstürzen generell bewährt hätten, sagte Eckmann weiter. Trotzdem wolle der Bund die Forderungen des Anwalts Michael Witt nicht kommentieren. Man wolle die laufenden Verhandlungen nicht gefährden.

Im übrigen sei es ungewöhnlich, solche Forderugen via Medien auf den Tisch zu bringen, fügte Eckmann an.

Skyguide befremdet

Die Schweizer Flugsicherung Skyguide reagierte mit Befremden auf die Forderung. Man habe erwartet, dass eine solche Forderung beim Anwalt von Skyguide deponiert würde, sagte Skyguide-Sprecherin Rosmarie Rotzetter. Skyguide führe zudem bereits seit August 2002 Verhandlungen über Entschädigungen und arbeite auf eine einvernehmliche Lösung für alle Geschädigten hin.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) werde sich erst zu den Forderungen äussern, wenn der Schlussbericht über den Flugzeug-Zusammenstoss vorliege, sagte BAZL-Stabschef Hans U. Aebersold. In dem Bericht würden dann die Verantwortungen gewichtet sowie die Schuldfrage geklärt.

swissinfo und Agenturen

Nach Meinung des deutschen Anwalts Michael Witt könnten aus dem Fonds Entschädigungen in international etablierter Höhe bezahlt werden, ohne dass vorher möglicherweise offene Rechtsfragen geklärt werden müssten.

Als Beispiel verwies Witt auf die Situation, die durch den gescheiterten deutsch-schweizerischen Staatsvertrag über den Flugverkehr nach Zürich entstanden sei.

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