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US-Schlinge zieht sich enger um Schweizer Grossbank

Nach der UBS nimmt der IRS weitere Schweizer Banken unter die Lupe. Keystone

Erneut geraten Schweizer Banken in den USA unter Druck: Wegen Beihilfe zu Steuerflucht hat die US-Steuerbehörde eine zweite Welle von Verhaftungen und Anklagen gestartet. Betroffen ist auch die Grossbank Credit Suisse.

Die erneute Offensive der US-Steuerbehörde hat in der Schweizer Bankenbranche grosse Unruhe ausgelöst. Es zirkulieren Befürchtungen über einen neuerlichen Angriff auf das Schweizer Bankgeheimnis, ebenso Gerüchte, welche Institute diesmal betroffen sein könnten.

In der ersten Steueraffäre war vor zwei Jahren die UBS Ziel der US-Steuerbeamten gewesen. Die Affäre konnte nach zähen Verhandlungen in einem Staatsvertrag beigelegt werden. Zuvor aber musste Bern dem US-Fiskus zusichern, die Daten von 4450 US-Steuersündern auszuhändigen.

Zu den Häusern, die von der US-Behörde genau unter die Lupe genommen werden, gehört die Neue Zürcher Bank. Die NZB schloss 2009 in den USA das Investmentgeschäft, nachdem dort ein ehemaliger Angestellter wegen Steuerflucht angeklagt worden war.

Letzte Woche kündigte die Bank an, sich auch aus dem US-Börsengeschäft zurück zu ziehen. Begründet wurde der Schritt unter anderem mit der “zunehmenden Komplexität” der Börsenbestimmungen in den USA und des grenzüberschreitenden Bankenverkehrs zwischen den beiden Ländern.

Zweite Runde gegen UBS?

Die Auswertung der überlieferten knapp 4500 Kundendossiers sowie die Daten von rund 15’000 US-Bürgern, welche in einer Amnestie Steuerflucht zugegeben hatten, lieferte der US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) das Material, das sich momentan vorwiegend gegen die Credit Suisse (CS) zu richten scheint.

Schwere Anschuldigungen

Am Dienstag hatte ein ehemaliger CS-Kunde vor einem US-Gericht ausgesagt, dass er die Dienste von Credit Suisse und UBS in Anspruch genommen habe mit dem Ziel, Geld vor dem US-Fiskus zu verstecken

Vor zwei Wochen wurden vier CS-Angestellte, die teils nicht mehr bei der Bank arbeiten, in Abwesenheit der Beihilfe zur Steuerflucht angeklagt. Ein weiterer CS-Mann sitzt in den USA in Haft. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters hatte einer der fünf Betroffenen gesagt, dass die Credit Suisse stets über seine Aktivitäten im Bild gewesen sei.

“Ich habe immer im Namen der Bank und gemäss ihrer Vorgaben gehandelt”, sagte der Mann. “Es ist nicht der Fall, dass ich je etwas unabhängig gemacht hätte, die Bank war jederzeit informiert und meine Handlungen wurden von meinen Vorgesetzten geprüft.”

Dennoch befindet sich die Credit Suisse nicht unter den Banken, gegen welche die IRS aktuell ermittelt. Beobachter gehen aber davon aus, dass der CS bald dasselbe Schicksal drohen könnte wie 2009 der UBS.

Nachbeben der UBS-Affäre

Martin Naville, Geschäftsführer der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer, interpretiert die Lage anders.

“Der UBS-Staatsvertrag war keine Amnestie, und wir haben immer gesagt, dass die Situation zwischen dem IRS und den ausländischen Banken nicht geklärt sei”, sagte Naville gegenüber swissinfo.ch.

“Was wir sehen, ist das Nachbeben der UBS-Affäre, aber gewiss nicht die zweite Runde einer Auseinandersetzung zwischen der Schweizer Regierung und dem IRS.”

Banker, (noch) nicht Banken

Es gibt aber Parallelen zwischen den beiden Fällen Credit Suisse und UBS. Einige der nun angeklagten Banker, wie auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Neuen Zürcher Bank, waren davor im Solde der UBS gestanden.

Dem IRS ist es aber bisher nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen den Handlungen einzelner Mitarbeiter und dem CS-Management herzustellen.

Dagegen gibt es Vermutungen, wonach die US-Behörde ihren Fokus auf kleinere, private Banken legt. Diese sollen 2009 im Zuge der Affäre ehemalige UBS-Kunden aufgenommen und diesen zum weiteren Verstecken ihrer Vermögen vor den Behörden verholfen haben.

“Es bestand schon lange die Vermutung darüber, dass auch andere Schweizer Banken US-Bürgern zu Steuerbetrug verholfen haben und dass der IRS diese nun untersucht”, sagte US-Steueranwalt Asher Rubinstein gegenüber swissinfo.ch.

Regulation mit Wirkung

Auch Martin Naville geht davon aus, dass die freiwillige Selbstanzeige von US-Steuersündern in der Amnestie neue Hinweise auf Steuerbetrug lieferte.

“Es scheint, dass einige kleinere Banken ihren Kunden von einer freiwilligen Selbstanzeige abgeraten haben”, so der Leiter der Handelskammer. “Sie dachten wohl, sie könnten einen raschen Gewinn einfahren, aber alle, die so dachten, waren naiv.”

Neben der NZB haben weitere Schweizer Banken ihr US-Geschäft aufgegeben, dies wegen der massiv verschärften Bestimmungen betreffend der Auskunftspflicht. Gemäss dem Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) sind ausländische Banken auch neu verpflichtet, US-Kunden zu melden, die Wertpapiere kaufen oder halten. Die Institute können sogar gezwungen werden, den Behörden Kundendaten auszuhändigen.

Den USA den Rücken gekehrt haben auch die Banken Wegelin und Sarasin. Auch die beiden Institute erachteten die Verschärfung der Regulierung als zu schwerwiegend, um weiter US-Kunden zu betreuen.

Das Bankgeheimnis in der Schweiz wurde 1934 gesetzlich verankert. Seit Ausbruch der Finanzkrise steht die Schweiz kontinuierlich unter Beschuss wegen Begünstigung ausländischer Steuerhinterziehung.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD setzte 2009 die Schweiz deswegen auf eine “graue Liste”.

Ein halbes Jahr später entfernete die OECD die Schweiz von der Liste, nachdem sie mehrere Doppelbesteuerungs-Abkommen neu ausgehandelt hatte. Im Februar 2011 erweiterte die Schweiz den Rahmen legaler Beihilfe, verweigert aber weiterhin den automatischen Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden.

Der schwerste Fall von Steuerbetrug betraf die UBS in den USA. Im Februar 2009 wurde die Schweizer Grossbank mit 780 Millionen US-Dollar gebüsst, nachdem sie zugegeben hatte, US-Bürgern bei Steuerhinterziehung behilflich gewesen zu sein. Die UBS lieferte ausserdem Daten über 285 Kontoinhaber.

Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat ein Abkommen mit den USA, das den Steuerstreit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der Hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen. 2010 stimmte das Parlament diesem Deal, der das Bankgeheimnis praktisch aushebelte, zu.

In den vergangenen zwei Jahren wurden mehrere CDs mit gestohlenen Kundendaten von Schweizer Banken an ausländische Steuerbehörden verkauft.

Ein ehemaliger Angestellter der HSBC-Privatbank in Genf entwendete Kundendaten und übergab diese 2009 den französischen Behörden.

Die deutschen Behörden kauften mehrere CDs mit gestohlenen Kundendaten von Schweizer Banken, was zu zwei separaten Razzien bei Credit Suisse-Filialen in Deutschland führte.

Im vergangenen Jahr stimmte die Schweiz Verhandlungen über ein Abkommen mit Deutschland und Grossbritannien zu, wonach sich die Schweizer Banken verpflichten müssten, eine Abgeltungssteuer für Schweizer Offshore-Konten zu bezahlen.

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

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