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Flower Power und was davon übrigblieb

Strassenbild der Haight-Street. Layla Lang

“If you are going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair…” sang Scott McKenzie 1967. Dieser Hit ist bis heute weltbekannt und widerspiegelt noch immer das Image von San Francisco. Aber was ist von der Flower-Power-Bewegung geblieben?

San Francisco gilt als eine der weltoffensten Städte und wird häufig mit der Flower-Power Bewegung in Verbindung gebracht.

Sogar eine schweizerische Fluggesellschaft wirbt heute mit den typischen Blumen und “Peace”-Symbolen der 1970er-Jahre für Flüge nach San Francisco.

Gute 40 Jahre nach deren Blüte erstaunt es uns jedoch kaum, im Zentrum von San Francisco so gut wie nichts mehr von der Hippiebewegung zu spüren.

Nur hier und da ist noch ein mit Blumen geschmücktes Auto oder Fahrrad zu sehen. Ein Überbleibsel der Hippiebewegung oder nur Touristenattraktion?

Um herauszufinden, wie viel von der Flower-Power-Bewegung tatsächlich übriggeblieben ist, begaben wir uns in das westlich des Stadtzentrums gelegene Stadtviertel Haight-Ashbury auf Spurensuche, denn hier hatte die Bewegung damals begonnen.

Haight-Ashbury und der “Summer of Love”

Haight-Ashbury ist ein relativ kleines Stadtviertel. Es erstreckt sich, wie der Name schon sagt, um die Strassenkreuzung Haight und Ashbury. Einst ein blühendes bürgerliches Viertel, entwickelte sich Haight-Ashbury mit der Depression 1930 zu einem Arbeiterviertel.

Mit der Zeit zogen die wohlhabenderen Familien weg, und 1960 kamen vor allem ärmere schwarze Familien und immer mehr Studenten der nahen Universität her.

Aufgrund der toleranten Ansichten des Viertels gelang auch den Gays (Homosexuelle) mühelos die Eingliederung. Gesellschaftskritische Haltungen fielen hier auf fruchtbaren Boden, und Anfang der 1960er-Jahre war der Grundstein für die Flower-Power Bewegung gelegt.

Angezogen von der Philosophie und den Idealen der Hippiebewegung strömten tausende junge Leute aus ganz Amerika nach Haight-Ashbury. Unter anderem deshalb wird das Jahr 1967 als “Höhepunkt der Hippiebewegung” bezeichnet.

Das Viertel entwickelte sich zum Kultort und ikonischen Zentrum der Hippie-Revolution, ein Schmelztiegel aus Musik, Drogen, sexueller Freiheit, kreativen Ausdrucksformen und Politik.

Das politische Zentrum hingegen befand sich in Berkeley, wo eine langfristige Änderung der Gesellschaft und tief greifende politische Ziele im Vordergrund standen.

Die Bezeichnung “Summer of Love” bezieht sich tatsächlich nur auf den einen Sommer von 1967. Viele Studenten reisten im Herbst wieder ab und nahmen ihr Studium wieder auf. Andere zogen fort, um die Revolution dorthin zu bringen, wo die Leute lebten.

Kuriose Läden und andere Touristenattraktionen

Haight-Ashbury hat bis heute den Ruf als ausgeflipptes, kulturell und ethnisch buntestes Viertel der Stadt bewahrt.

An der Haight-Street reihen sich lokale Geschäfte, die neben den typischen Hippiekleidern, Feder- und Muschelschmuck auch allerlei Kuriositäten bis hin zu Hühnerfüssen und Mäuseskeletten verkaufen.

Durch die kleinen Geschäfte schlängeln sich die Touristenströme, und auch in den zahlreichen Cafés sind kaum einheimische Leute anzutreffen.

Die Legende des “Summer of Love” wird hier kommerzialisiert und ist heute kaum mehr als eine Touristenattraktion. Allerdings kann sich ein Besuch lohnen, wenn man auf aussergewöhnliche Bücher- und Musikgeschäfte aus ist.

Das Haus von Janis Joplin

Haight-Ashbury war auch das Zentrum der psychedelischen Rockmusik. Viele Musiker lebten während dem Höhepunkt der Hippiebewegung unweit der Kreuzung Haight und Ashbury.

Das ehemalige Haus von Janis Joplin ist nur eines der vielen hübsch renovierten viktorianischen Häuser, die auch “gingerbread style” (im Zuckerbäckerstil) genannt werden, die das Viertel noch heute schmücken.

In Haight-Ashbury haben die allermeisten dieser viktorianischen Holzhäuser, wovon die ersten aus dem Jahre 1883 stammen, das grosse Erdbeben von 1906 überlebt. Die ursprünglich günstigen Katalog-Häuser erfahren heute neue Beliebtheit und werden zu horrenden Preisen gehandelt.

Abseits der Haight-Street sind die Häuser wieder in blassen Pastell-Tönen gestrichen, und Mittelklasseautos stehen vor den Türen. Sobald man den Knotenpunkt verlässt, wirkt das Viertel eigentlich ziemlich vornehm.

Nach unserem Besuch denken wir, dass es in San Francisco wesentlich lebendigere Viertel als Haight-Ashbury gibt. Aufgrund der toleranten Ansichten und des unglaublichen Optimismus der San Franciscans würde es uns nicht überraschen, wenn hier eine neue gesellschaftsverändernde Bewegung ihren Ursprung nimmt – jedoch wahrscheinlich nicht in Haight-Ashbury.

Denn wo einst Konventionen und Strukturen gebrochen wurden, wird heute nur noch daran gearbeitet, die Vergangenheit zu bewahren.

Layla Lang, San Francisco Bay, swissinfo.ch

Immer häufiger reisen auch junge Leute für längere Zeit ins Ausland, sei das zum Studieren, Forschen, für ein Stage oder zum Arbeiten.

Zu ihnen gehört auch Layla Lang, die von März bis August 2010 für swissinfo.ch über ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus Kalifornien berichtet.

Layla Lang ist 28 Jahre alt.

Sie hat an der ETH Zürich Biologie studiert. Ihre Diplomarbeit führte sie am Max-Planck-Insitut für Marine Mikrobiologie in Bremen, Deutschland durch.

Anschliessend lebte sie drei Jahre in München, wo sie als Projekt-Koordinatorin in der klinischen Forschung arbeitete.

Im Dezember 2009 zog Layla Lang mit ihrem Mann, der in Stanford eine Postdoktoranden-Stelle besetzt, an die Bucht von San Francisco in Kalifornien.

Sie arbeitet als klinischer Monitor und betreut klinische Studien in der Region Kalifornien.

Zusätzlich befasst sie sich mit Malerei und wissenschaftlicher Illustration (www.laylakaenel.com).

Zu ihren Hobbys zählen längere Fahrrad- und Trekking-Touren in der Natur.

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