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Für die Kirchen bleibt der Sonntag heilig

Weihbischoff Pierre Bürcher (links) und SEK-Präsident Thomas Wipf. Keystone

Die evangelische Landeskirche und die katholische Bischofskonferenz lehnen die Ausweitung der Ladenöffnungs-Zeiten am Sonntag entschieden ab.

Eine Abschaffung des Sonntags gefährde die Familie und den sozialen Zusammenhalt. Die Vorlage kommt 27. November vors Volk.

“Wem der Sonntag fehlt, der fehlt am Sonntag”: So hat der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Thomas Wipf, den Widerstand der Landeskirchen gegen die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf den Punkt gebracht. Gerade Familien wären davon schwer betroffen.

Ein Ja zu ausgeweiteten Ladenöffnungszeiten in Zentren des öffentlichen Verkehrs in der eidgenössischen Abstimmung vom 27. November wäre der erste Schritt zur Abschaffung des arbeitsfreien Sonntags.

Schon habe der Ständerat eine Motion für die völlige Liberalisierung überwiesen, sagte der Präsident des SEK an einer gemeinsamen Medienkonferenz mit der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) weiter. Für die Kirchen handle es sich deshalb klar um eine Tendenzabstimmung.

Freie Religionsausübung gefährdet

Weihbischof Pierre Bürcher sagte im Namen der Bischofskonferenz, das allgemeine Arbeitsverbot setze der Ökonomisierung des Menschen Grenzen und schaffe gerade durch diese Limitierung einen Freiraum unverplanter Zeit. Er erinnerte daran, welche Schwierigkeiten am Sonntag arbeitende Mütter mit schulpflichtigen Kindern haben.

Zudem würden sich die Christen an diesem Tag gemeinsam an Gottes Schöpfung und Erlösung erinnern. Nicht zuletzt beschränke eine Ausweitung der Sonntags-Öffnungszeiten das Menschenrecht auf freie Religionsausübung.

Offene Läden als Animation?

Der Sonntag sei eine kulturelle und soziale Errungenschaft. Er sei nicht durch die Arbeit der vergangenen Woche verdient, sondern ein Geschenk zu Anfang der neuen Woche, führte SEK-Präsident Wipf aus. Schaffe man ihn – wenn auch in Raten – ab, gefährde man in Zeiten sozialer Kälte den allen gemeinsamen freien Zeitraum. Zuhause fehlten Mütter oder Väter, im Verein die Mitglieder, der Kultur die Akteure und das Publikum.

Auch der Soziologe Ueli Mäder von der Universität Basel bezeichnet im Gespräch mit swissinfo Zonen der Ruhe als wertvoll. “Ein freier Sonntag kann dem entgegenkommen. Andererseits gibt es am Freitagabend am meisten Gewalt. Dann, wenn Ruhe einkehren könnte.”

Längere Ladenöffnungszeiten könnten in Städten auch etwas Belebendes darstellen, führt Mäder ins Feld und fragt: “Ist es nicht ein Armutszeugnis, wenn die Ladenöffnung die Lebendigkeit einer Gesellschaft ausmachen?”

Kein Geschäft muss schliessen

Das Argument der Befürworter, Sonntagsarbeit sei schliesslich freiwillig, bezweifelten Wipf und Bürcher einhellig. Es gebe keine Garantie, welche eine Verweigerung von Sonntagsarbeit als Kündigungsgrund ausschliesse.

Wipf und Bürcher sagten, ihre Kirchen stellten sich nicht gegen die derzeit bewilligten Sonntagsöffnungen. Diese seien aber als Ausnahmen geregelt, und dabei solle es bleiben. Bei einem Nein am 27. November werde kein einziges dieser Geschäfte am Sonntag schliessen müssen.

Ihren Abstimmungskampf bestreiten die beiden Kirchen mit einer Broschüre in den drei Landessprachen und mit einem Flyer. Die Broschüre erschien in 13’000 deutschen, 8000 französischen und 3000 italienischen Exemplaren.

swissinfo und Agenturen

Die eidgenössischen Räte haben eine Änderung des Arbeitsgesetzes gutgeheissen.

Demnach sollen Geschäfte in den Zentren des öffentlichen Verkehrs (Bahnhöfe, Flugplätze) die definitive Bewilligung für den Sonntagsverkauf erhalten.

Bisher ist dies mit Ausnahmebewilligungen geregelt.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft Unia, die katholische und die reformierte Kirche haben gegen die Änderung des Arbeitsgesetzes das Referendum ergriffen.

Die Vorlage kommt am 27. November vors Volk.

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