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Fussball-Samba und Millionen-Tanz in Weggis

Geschäftstüchtiger Fussball-Samba in Weggis: Souvenirs überall. Keystone

Seit Montag trainieren die Fussballer von Weltmeister Brasilien in Weggis, wo sie sich für die Titelverteidigung an der WM in Deutschland vorbereiten.

Das Luzerner Dorf hat sich mächtig ins Zeug gelegt, damit es den Ballkünstlern Ronaldinho, Kaka oder Adriano am Vierwaldstättersee an Nichts mangelt.

Die Schweiz ist momentan das hochkarätigste Fussball-Trainigscamp der Welt: Ausser den Brasilianern, die sich vom 22. Mai bis 4. Juni in Weggis vorbereiten, holen sich auch die Teams von Deutschland, Spanien, Kroatien, der Niederlande, Iran, Polen, der Ukraine, Tunesien – und natürlich der Schweiz selber – den letzten Schliff für die Weltmeisterschaft. Diese findet vom 9. Juni bis zum 9. Juli in Deutschland statt.

Alle Blicke der Fussball-Fans richten sich aber auf das 3900-Seelen-Dorf Weggis. Dort trainiert die “Seleção” von Trainer Carlos Alberto Parreira im eigens erbauten 5000-plätzigen Stadion. Auf Rasen, der aus den Niederlanden stammt.

“Ronaldinho, ein Autogramm bitte!”

Kinder und Eltern aus Weggis haben ein paar Brocken Portugiesisch gelernt, um sich mit den Stars verständigen zu können. Die Geschäftsinhaber haben ihre Lokale in den brasilianischen Nationalfarben Gelb/Grün geschmückt. Sogar eine Kuh wurde in dieser Kombination gefärbt.

Mehr als vierzig Stadien in ganz Europa wollten die Ballzauberer beherbergen. Der brasilianische Verband entschied sich für Weggis, wegen der Ruhe, und auch der Sicherheitsmassnahmen.

Wichtig waren aber auch die Finanzen. Denn die Südamerikaner müssen für die Benützung des Stadions nicht nur nichts bezahlen, sondern erhalten 1,2 Mio. Dollar.

Geschäfte auf allen Seiten

Diese Summe wird von der Schweizer Sportvermarkterin Attaro AG übernommen. Natürlich nicht einfach so. Die Firma besitzt die Rechte an den zwei Vorbereitungspartien der Brasilianer in Basel (gegen den FC Luzern) und Genf (gegen Neuseeland). Auch alle 14 Trainings der “Seleção” in Weggis werden von der Firma vermarktet.

Philippe Huber rechnet mit insgesamt 15 Mio. Franken, die sich aus Übertragungsrechten, Werbung und Eintritten zusammensetzen, wie er gegenüber swissinfo sagt. Seine Rechnung scheint aufzugehen: Alle Tickets waren innert weniger Tage ausverkauft.

Auch die vier Tourismus-Organisationen sowie das Park Hotel Weggis als Gastgeberin setzen alles daran, aus der Präsenz der internationalen Stars Profit zu schlagen. Ziel ist es, dem traditionellen Tourismus, der Ende des 19. Jahrhunderts entstand, ein modernes Image zu verpassen.

Samba-Fussballer als Zugpferde

Schliesslich sollen auf den Pfaden der erwähnten Ronaldinho, Kaka und Adriano künftig auch andere Nationalmannschaften oder Klubteams nach Weggis kommen, um sich in Form zu spielen.

Im Park Hotel, dem einzigen Fünfsterne-Haus am Ort, belegen die Brasilianer gleich alle 43 Zimmer. Das Hotel ist für Blicke von aussen sozusagen abgeschirmt, damit die Spieler nicht gestört werden. Würden Fernsehkameras allzu aufdringlich, könnten die Hotelverantwortlichen sämtliche Zugänge durch einen Knopfdruck schliessen.

Die Brasilianer sollen im Park Hotel mindestens ebenso Könige sein, wie sie es sonst auf dem Rasen sind: Dazu wurde der hoteleigene Strand mit feinem Sand versehen, falls es Ronaldo, Roberto Carlos oder Torhüter Dida ans Wasser zieht.

Arena in Kleinformat

Natürlich steht für sie in Weggis aber der Fussball im Vordergrund: Eigens für die Brasilianer stampfte der lokale Unternehmer Domenic Steiner für eine Mio. Franken die Thermoplan Arena aus dem Boden. Sie bietet 5000 Zuschauern Platz und dient in normalen Zeiten dem lokalen Fünftligisten FC Weggis als neues Heimstadion.

Dabei ist auch beim Kaffeemaschinen-Fabrikant nicht allein Freude am Fussball, sondern auch knallharter Geschäftssinn wichtig. “Die Kameras werden nicht nur die brasilianischen Stars zeigen, sondern auch den Thermoplan-Schriftzug und unser modernes Gebäude”, sagt Dominic Steiner.

Der Trick: Das neue Stadion ist so nah an Steiners Betrieb gebaut, das dessen Glasfassade praktisch die Haupttribüne des Stadions bildet.

An den Meistbietenden

Im März hatte “Seleção”-Coach Carlos Alberto Parreira bei seiner letzten Inspektion in Weggis nicht mit Superlativen gegeizt. “Die Ruhe, der See, die Berge – dieser Ort ist geradezu paradiesisch!”

Ihr kleines Paradies am Vierwaldstättersee wollen die Weggisser Geschäftsleute auch versilbern. Das Park Hotel versteigert seit Mitte Mai Übernachtungen in jenen Zimmern, welche gegenwärtig von den fünf bekanntesten Stars der brasilianischen Equipe belegt werden.

Wer ab 5. Juni im Bett von Ronaldo, Ronaldinho, Roberto Carlos, Kaka oder Adriano nächtigen will, kann beim Online-Auktionshaus ebay Schweiz Gebote abgeben. Bereits wurden Hunderte von Franken für eine Nacht der Fussball-Träume angeboten.

swissinfo, Claudinê Gonçalves und Alexander Thoele
(Übersetzung: Renat Künzi)

Brasilien ist mit fünf Titeln Fussball-Rekordweltmeister: Die “Seleção” gewann 1958, 1962, 1970, 1994 und 2002.
An der WM in Deutschland trifft Brasilien in seiner Gruppe auf Kroatien, Japan und Australien.
Die erste Partie ist am 13. Juni gegen Kroatien.

Brasilien bereitet sich vom 22. Mai bis 4. Juni in Weggis am Vierwaldstättersee auf die WM 2006 in Deutschland vor. Diese dauert vom 9. Juni bis 9. Juli.

Neun weitere Nationalmannschaften weilen zu letzten Vorbereitungen in der Schweiz.

Dies sind Italien, Deutschland, Niederlande, Spanien, Kroatien (in Genf), Tunesien (Neuenburg), Ukraine (Abtwil), Polen (Bad Ragaz) und Iran (Spiez).

In der Schweiz finden folgende Vorbereitungsspiele statt: Schweiz-Elfenbeinküste (27. Mai), Brasilien-FC Luzern (30. Mai), Schweiz-Italien (31. Mai), Brasilien-Neuseeland (4. Juni), Italien-Kroatien (2. Juni) und Spanien-Kroatien (7. Juni).

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