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G8-Gipfel in Evian: Die Lehren aus Davos

Evian-les-Bains: Der G8-Gipfel wird im Juni hohe Wellen werfen. Keystone

Nach der verhinderten Anti-WEF-Demo in Davos und den Zusammenstössen in Bern kommt für Globalisierungskritiker und Behörden schon bald die nächste Bewährungsprobe. Im Juni findet in Evian am Genfersee der G8-Gipfel statt.

Beide Seiten haben sich bereits jetzt zu Wort gemeldet.

Der Bund soll die in der Schweiz anfallenden Sicherheitskosten für das Gipfeltreffen der acht wichtigsten Industrienationen und Russlands (G8) vom 1. bis 3. Juni im französischen Evian übernehmen.

Die Kantone Genf, Waadt und Wallis sind von den französischen Behörden um eine enge Zusammenarbeit gebeten worden, wie deren Vertreter am Montag an einer Pressekonferenz in Lausanne ausführten.

40 Mio. Franken für Sicherheit

Die drei Kantone hätten darum bereits Unterstützung bei anderen Kantonspolizeien angefordert sowie den Bund um logistische Hilfe und Übernahme der Sicherheitskosten angegangen. Die gesamten für die Schweiz anfallenden Kosten für Sicherheit und Logistik wurden auf gegen 40 Mio. Franken geschätzt.

Der Bund und die drei Kantone haben zudem bereits einen Ausschuss eingesetzt, welche die im Zusammenhang mit dem Gipfel nötigen Massnahmen koordinieren soll. Die Kantone sprachen sich auch dagegen aus, dass die Hauptdemonstration in der Schweiz stattfinden soll.

Schweiz will Frankreich zur Kasse beten

Die Schweiz will einen Teil des Sicherheitsaufwandes für den Gipfel auf Frankreich überwälzen. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hatte in einem Interview im “SonntagsBlick” gesagt, sie werde im Februar mit ihrem französischen Amtskollegen Dominique de Villepin die Sicherheitsvorkehrungen für den G8-Gipfel auf der französischen Seite des Genfersees diskutieren und ein Rahmenabkommen vorbereiten.

Die Schweiz erwartet laut Calmy-Rey, dass Frankreich auch einen Teil des Schweizer Aufwands übernimmt, weil Bern eine Unterstützung zu Gunsten Frankreichs leiste. Über den genauen Verteilschlüssel der Kosten wollen Calmy-Rey und de Villepin diskutieren.

Ungewöhnliche Situation

Laut dem Waadtländer Staatsrat Jean-Claude Mermoud ist die Situation ungewöhnlich, weil das G-8-Treffen ausschliesslich auf französischem Staatsgebiet stattfinde, aber dennoch starke Auswirkungen auf die Schweiz habe.

So werden in den drei Leman-Kantonen bis zu 3000 Personen logieren, die mit dem G-8-Gipfel in Verbindung stehen: Journalisten, aber auch Staatsführer und Diplomaten aus Afrika und verschiedenen Schwellenländern.

Globalisierungskritiker mobilisieren

Nach Davos sammeln die Globalisierungskritiker ihre Kräfte für neue Protestaktionen, diesmal rund um den Genfersee. Wie Vertreter der Aktivisten am Montag vor den Medien in Lausanne sagten, wollen sie vor und während des Gipfeltreffens den G8-Vertretern mit verschiedenen Aktionen deutlich machen, dass sie in der Region unerwünscht sind.

Erste Einzelheiten zu den geplanten Aktionen gab das Waadtländer Anti-G-8-Komitee bekannt. Dem Komitee gehören verschiedene linke Bewegungen und Persönlichkeiten an, so etwa die Nationalräte Josef Zisyadis (PdA) und Pierre-Yves Maillard (SP).

Grosskundgebung mit 100’000

Am Wochenende des 31. Mai/1. Juni ist in der Genferseeregion eine Grosskundgebung geplant, zu der die Initianten über 100’000 Menschen erwarten. Der Demonstrationsort steht noch nicht fest. Das Komitee würde es begrüssen, wenn sich Lausanne zur Verfügung stellen würde, da die Stadt gegenüber Evian liegt.

“Für die ‘linke Stadt’ Lausanne wäre diese Kundgebung ein Plus”, sagte Zisyadis. Die Stadt könnte so vom Image als Sitz des Internationalen Olympischen Komitees etwas wegkommen.

Verschiedene Varianten

Um einen Massenauflauf zu vermeiden, könnten die Demo-Teilnehmenden nach den Vorstellungen des Komitees auf die ganze Region Lausanne verteilt werden. Rund um den Genfersee würden am Vorabend des Gipfels Höhenfeuer entfacht und dezentrale “Volksfeste” gefeiert.

Noch geprüft werde eine andere Variante: die Durchführung von drei Kundgebungen, und zwar eine in St. Gingolph VS, eine in Lausanne und eine an der Grenze Genf – Frankreich.

Diese verschiedenen Möglichkeiten müssten noch mit den Partnern diskutiert werden, sagte der Gewerkschafter Aristides Pedraza. Auf keinen Fall wollen die Globalisierungsgegner die Kundgebung auf einer Autobahnraststätte in der Nähe von Thonon (F) durchführen. Dieser Vorschlag kam von den französischen Behörden.

Gegen “WEF-Sicherheitshysterie”

Die Globalisierungsgegner appellieren an die Behörden, nicht der “WEF-Sicherheitshysterie” zu erliegen, sondern vielmehr die Bevölkerung auf der Strasse zu begleiten. Sie seien ihrerseits gewillt, friedlich und unvermummt zu demonstrieren.

Es sei wichtig, schon jetzt zu diskutieren und zu verhandeln, sagte Pierre-Yves Maillard, Präsident der Waadtländer SP. Gespräche seien das beste Mittel für ein gutes Gelingen. Maillard gegenüber swissinfo: “Wir hoffen, dass sich alles wie in Florenz abspielt und nicht wie in Genua.” Dazu müssten alle beitragen, auch die Behörden.

Gewalt verhindern

Ein freundlicher Empfang in den Städten, das Bereitstellen von Camping-Plätzen in der Umgebung und ein angemessenes Sicherheits-Dispositiv sind für die Organisatoren die besten Garanten für Sicherheit.

“Scheiben zerschlagen ist verabscheuungswürdig, das dient der Sache überhaupt nicht”, sagte Gewerkschafter Pedraza gegenüber swissinfo. “Wir werden alles versuchen, um so etwas zu verhindern.”

swissinfo und Agenturen

Kosten für Sicherheitskosten: 40 Mio. Franken

In den 3 Leman-Kantonen werden während dem G8-Gipfel rund 3000 Personen logieren

Globalisierungskritiker erwarten Grosskundgebung mit 100’000 Menschen

Februar: Schweizerisch-französisches Aussenministertreffen

Ein Scherbenhaufen: Das ist das Fazit nach diesem Wochenende mit der verhinderten Anti-WEF-Demo in Davos und den gewaltsamen Zusammenstössen in Bern. Für die Globalisierungskritiker, aber auch für die Behörden, kommt schon bald die nächste Bewährungsprobe: Im Juni findet im französischen Evian am Genfersee der G8-Gipfel statt, das Treffen der acht wichtigsten Industrienationen und Russland.

In Lausanne teilten die welschen Globalisierungskritiker mit, wie sie gegen den G8-Gipfel demonstrieren wollen, welche Lehren sie aus Davos gezogen haben. Auch die Behörden der drei Leman-Kantone Genf, Waadt und Wallis meldeten sich zu Wort. Sie verlangen vom Bund die anfallenden Sicherheitskosten für den Gipfel. Gerechnet wird mit 40 Mio. Franken. Die Schweiz will einen Teil der Sicherheitskosten auf Frankreich überwälzen.

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