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G8: Kommt es zu einer Schlacht am Genfersee?

"Royal Palace" und Genfersee: Begegnungsort der G8 - und ihrer Gegner? (Bild: evian.fr) swissinfo.ch

Diese Woche treffen in Bern erstmals französische und schweizerische Sicherheits-Experten zusammen. Sie bereiten den G8-Gipfel vor, der im nächsten Juni in Evian am Genfersee stattfindet.

Auch die Globalisierungs-Gegner stecken in den ersten Vorbereitungen.

Die Schweiz ist klein, die Schweiz gehört nicht zur EU, und doch spielt sie auf dem internationalen Parkett immer wieder wichtige Rollen. Eher unfreiwillig ist sie nun im Zusammenhang mit dem nächsten Gipfeltreffen der Regierungs- und Staatschefs der sieben reichsten Industrienationen und Russlands, der G8, in ein internationales Spannungsfeld geraten.

Denn der nächste G8-Gipfel wird Anfang Juni 2003 im französischen Evian am Genfersee stattfinden, in Sichtweite von Lausanne, 45 Kilometer von Genf entfernt.

Schön gelegen und einfach abgeriegelt

Der kleine Kurort mit grosser Geschichte ist von Frankreich, das die G8 im kommenden Jahr 2003 präsidiert, ausgewählt worden. “Wegen seiner schönen Lage und seinem zur Reflexion einladenden Rahmen”, erklärt der Pressesprecher des französischen Staatschefs Jacques Chirac.

Evian ist aber nicht nur schön gelegen, sondern auch verhältnismässig einfach abzuriegeln. Hinten erheben sich die Berge, vorne der See, links der Stadt rauscht ein Fluss. Es gibt nur eine einzige Strassenzufahrt in den 7’500 Einwohner zählenden Kurort.

Wie Kananaskis in Kanada, wo der diesjährige G8-Gipfel stattgefunden hat, bietet Evian Frankreich also geopolitisch gesehen einen ruhigen Rahmen. Und dort sollen sich die Staats- und Regierungschefs, so der Wunsch Jacques Chiracs, ganz im Geiste des ersten G8-Gipfeltreffens 1975 in Rambouillet in einem “informellen Rahmen” zu Gesprächen treffen können.

Schweiz will Frankreich und G8 operativ unterstützen

Über seine Evian-Pläne hat der französische Staatschef Chirac den Schweizer Bundespräsidenten Kaspar Villiger Anfang August telefonisch informiert. Dieser hat dem französischen Präsidenten zugesichert, dass die Schweiz Frankreich operativ unterstützen werde, bestätigt Villigers Sprecher Eckmann. Wie genau diese operative Unterstützung aussehen wird, das ist in den vergangenen zwei Monaten jedoch noch nicht klarer geworden.

Erstes Treffen zwischen Schweiz und Frankreich

Nun findet seit Montag Abend in Bern das erste offizielle Treffen zwischen schweizerischen und französischen Delegierten statt. Sie wollen Fragen der Sicherheit und Logistik besprechen. Von schweizerischer Seite stehen die G8-Vorbereitungsarbeiten unter der Ägide von Jacques de Dardel, dem Chef des Zentrums für Internationale Sicherheitspolitik im Aussenministerium (EDA).

Konkrete Traktanden wurden keine geplant. “Man muss von einer ersten Kontaktaufnahme sprechen”, sagt Daniela Stoffel, EDA-Pressesprecherin. An dieser “Kontaktaufnahme” nehmen rund 12 Personen teil: Vertreter der französischen Botschaft in der Schweiz, der verschiedenen französischen Ministerien und der verschiedenen eidgenössischen Departemente, die in diese Sicherheitsfragen involviert sind, sowie der Kantone Genf, Wallis, Waadt, die direkt betroffen sind.

Inwiefern sich die verschiedenen Parteien in Sachen Sicherheit und Logistik operationell engagieren, ist noch nicht festgelegt. “Das Ausmass der Betroffenheit ist noch nicht klar. Klar ist, dass die Schweiz mitbeteiligt ist”, sagt Danièle Bersier, Pressesprecherin des Bundesamts für Polizei (BAP).

1000 Soldaten am Flughafen Genf

Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sicherheit (VBS) bereitet sich auf einen Sicherungseinsatz am Flughafen Genf vor. Mit einem vollständigen Flughafenregiment von rund 1000 Soldaten wird die Schweizer Armee ihren verfassungsmässigen Auftrag des Schutzes der Schweizer Flughäfen wahrnehmen.

Im Umfeld des World Economic Forum in Davos standen letztes Mal rund 500 Soldaten im Einsatz. Oswald Sigg, Sprecher des VBS, spricht von einer grossen Aufgabe, die auf die Schweiz zukommen werde. “Das ist keine Übung”, sagt Sigg. Dies nicht zuletzt auch in Hinblick auf die zu erwartenden Aktionen der Globalisierungs-Kritiker, die für ihre Aktionen möglicherweise nach Genf und in die ganze Genferseeregion ausweichen werden. Dies umso mehr, als mehr als die Hälfte der zu erwartenden 5000 Gipfelteilnehmern (davon 3000 Medienschaffende) wegen Platzmangel nicht in Evian selbst logieren können, sondern in der ganzen Genferseeregion Lager beziehen werden.

Schweizer Schutz für Staatsleute

Klare Aufgabe des Bundes ist es, Magistratspersonen zu beschützen, welche die Schweiz durchqueren, in der Schweiz bilaterale Treffen haben oder in der Schweiz übernachten.

Was diesbezüglich an Sicherheitsaufgaben für die Schweiz anfallen, ist 8 Monate vor dem G8-Gipfeltreffen jedoch auch noch offen. So die Aussagen der Pressesprecherin des BAP.

Weiter bzw. wieder unklar ist ebenfalls, ob die Regierungschefs über den Schweizer Flughafen Genf oder den französischen Flughafen Lyon anreisen werden, so Bersier.

Mehrere 10’000 Demonstranten

Wie die offizielle Schweiz wissen auch die Globalisierungskritiker noch nicht genau, wie ihre Reaktionen auf den kommenden G8-Gipfel aussehen werden. Auch hier ist Vieles in Vorbereitung. “Ich rechne mit mehreren 10’000 bis 100’000 Globalisierungsgegnern”, sagt Aristide Pedraza, Lausanner Gewerkschafter und pazifistischer Globalisierungsgegner mit internationalen Kontakten.

Pedraza spricht von “symbolischen Aktionen”, die zum Gipfel der reichsten Industrienationen eine Gegenöffentlichkeit schaffen sollen. “Wir werden keinen Krieg führen, sondern Politik machen”, sagt Pazifist Pedraza.

Gewalt nicht ausgeschlossen

Die Fäden der Gegnerschaft laufen aber nicht in der Schweiz, sondern in Paris zusammen, bei der grössten französischen Anti-Globalisierungs-Organisation “attac”. In Paris haben schon mehrere Sitzungen stattgefunden, an denen mögliche Aktionen wie ein Gegengipfel oder Massendemonstrationen diskutiert wurden.

Einigkeit herrscht unter den verschiedenen Gruppen aber nicht, denn das Gegnerlager spaltet sich in ein anarchistisches Lager, ein eher intellektuelles Lager (“attac”) und auch in den sogenannt Schwarzen Block, für den Gewaltverzicht kein Ziel ist.

Offen ist auch die finanzielle Frage

Auf Kantonsebene und Bundesebene in der Schweiz werden auch noch einige Unklarheiten zu klären sein. Nicht nur in Sachen Logistik und Sicherheit, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Ob die betroffenen Kantone Genf, Lausanne und Wallis die Sicherheitsleistungen zu Gunsten der G8 berappen werden oder ob der Bund oder Frankreich finanziell einstehen, stand bisher noch nicht öffentlich zur Debatte.

swissinfo, Anita Hugi

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