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Der Bankdirektor und die Bibelgruppen

Mitbegründer der Banken-Bibelgruppe: Christian Rüegger. swissinfo.ch

Christian Rüegger ist Executive Director bei der UBS in Zürich. Als bekennender Christ leitet er den Verein der UBS-Christen Zürich. Die christliche Ausrichtung habe keinen Einfluss auf seine Arbeit, sagt er.

In noblem, unauffäligem Grau steht das UBS-Verwaltungsgebäude in Oerlikon in der sengenden Sonne. Ein Page in schickem Anzug geleitet die Gäste in einen klimatisierten Besprechungsraum und bietet ihnen Wasser an.

Der Executive Director bei der UBS Zürich, Christian Rüegger erscheint im schwarzem Blazer und grauem Hemd ohne Kravatte. Über die UBS und die aktuelle Finanzkrise werde er keine Auskunft geben, stellt er klar. Damit sind die Fragen zu Boni, Managerlöhnen, Verlustgeschäften, Gerichtsverfahren und Ähnlichem von Beginn weg vom Tisch. Also geht es um die die Ethik christlicher Banker.

«Ich denke nicht, dass die Tatsache, dass ich Christ bin, Einfluss auf die Kreditentscheidungen bei der Bank hat. Ich entscheide nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Ich richte mich in erster Linie nach den Vorgaben der Bank. Meine Kriterien sind betriebswirtschaftlicher Natur und nicht sozialer oder humaner», sagt Christian Rüegger.

Die Leitlinien für seine Arbeit seien nicht die Bibel konkret, sondern diejenigen der Bank. «Ich bekenne mich als Christ, ich habe die Bank als Arbeitgeberin ausgewählt.» Christsein bedeutet für Rüegger, eine persönliche Beziehung zu Gott zu haben. Eine soziale Implikation bringt es nicht mit sich.

«Dann wäre ich am falschen Ort»

Mit dem internationalen Geschäft der UBS hat der 59-Jährige in der täglichen Arbeit nichts zu tun. Als Executive Director in Zürich trifft er «Entscheide für Firmen oder Privatpersonen, die Mühe haben, finanziell zu überleben. Sie haben zum Beispiel aufgrund eines Fehlproduktes oder aufgrund von Missmanagement Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen und brauchen neues Geld.» Die Finanzkrise habe die Situation nur verschärft, solche Firmen habe es schon immer gegeben.

Er hat kein Problem damit, als bekennender Christ bei einer Bank zu arbeiten. «Geld ist für mich ein Instrument zum Arbeiten wie für den Schreiner das Holz, sonst nichts. Profitdenken und viel Geld stehen bei mir nicht im Vordergrund.»

Gewinn zu machen sei für Unternehmen ganz normal und etwas Positives. «Wenn ich bei einer Bank arbeiten würde, die in meinem Gebiet unethisch handelt, dann wäre ich am falschen Ort.»

Christian Rüegger arbeitet seit knapp dreissig Jahren bei der UBS in Zürich. «Seit gut dreissig Jahren bin ich ein bekennender Christ. Ich habe keine Mühe mehr, dazu zu stehen, dass ich an Jesus Christus glaube.»

Gebets- und Bibelgruppen

Rüegger hat den Verein der UBS-Christen 1993 mitbegründet. Im «christlichen Verein der UBS» sind die christlich orientierten Mitarbeiter der UBS vereinigt, es gibt Gebets- und Bibelgruppen.

Innerhalb der UBS im Raum Zürich gebe es an jedem Wochentag eine Bibelzusammenkunft der Christen. Rüegger selbst liest die Bibel in der «Donnerstagsbibelgruppe».

«Wie ich es sehe, haben die Mitglieder in unseren Bibelgruppen durch die Finanzkrise nicht zugenommen», sagt Rüegger, im Gegenteil, «durch Entlassungen bei den Banken ist die Mitgliederzahl bei einzelnen Gruppen sogar geschrumpft.»

Die Motivation, mit den Arbeitskollegen gemeinsam in der Bibel zu lesen und nicht nur in den angestammten Kirchen, ist die des Gemeinschaftserlebnisses: «Das Erleben der Gemeinschaft ist für Christen sehr wichtig. Gläubige Christen suchen die Gemeinschaft und den Gedankenaustausch mit anderen. Das gibt ihnen Kraft zu wissen, ‹es sind mit mir noch andere, Gleichgesinnte, auf dem gleichen Weg›.»

Die Bibelgruppe in der Bank sei offen für alle Interessierten, es kämen aber «vor allem Christen, die verbindlich an Jesus Christus glauben und die das Leben als Christen sehr ernst nehmen und versuchen, der Bibel gemäss zu leben. Es sind zum Teil Leute aus der Landeskirche oder aus Freikirchen wie der Freien Evangelischen Gemeinde (FEG), der Chrischona oder der Missionsgemeinde.» Es sei einfach so, dass Leute aus Freikirchen häufig engagierter seien als jene aus der Landeskirche.

«Die Verbindlichkeit zum Wort «

Auf die Frage, ob die Ausrichtung der Bibelgruppen evangelikal sei, sagt Rüegger: «Ich möchte das Wort evangelikal nicht nutzen, weil es einen negativen Beigeschmack bekommen hat. Das ist schade. Es stimmt, im Wortsinn sind wir evangelikal. Die Verbindlichkeit zum Wort Gottes, zum Evangelium, das ist das, was die Leute qualifiziert. Verbindlich heisst nicht, fundamentalistisch zu sein. Vom Grund her sehe ich darin zwar nichts Falsches.» Die Volksmeinung über die Ausdrücke «fundamentalistisch» und «evangelikal» habe sich leider zum Negativen gewendet.

Über das konkrete Weltbild der UBS-Christen mag sich der Familienvater nicht mehr äussern. Seine Ansichten gibt er nur noch preis, wenn das Mikrofon ausgeschaltet ist.

Das, was er in einem kürzlich erschienen Artikel gesagt habe, sei an manchen Stellen innerhalb der UBS nicht gut angekommen. Er sagt auch nicht mehr konkret, für wen gebetet wird. «Wir bitten Gott einfach darum, der UBS eine weise Führung zu geben.»

«Gott liebt auch Banker»

Rüegger vertritt die UBS-Christen in der Banken-Bibelgruppe, deren Leiter er gleichzeitig ist. Diese Gruppierung, denen die christlichen Gebets- und Bibelgruppen der einzelnen Banken untergeordnet sind, dient der Vernetzung. «Wir von der Banken-Bibelgruppe laden jedes Jahr einen prominenten Redner ein», erzählt er.

«Persönlichkeiten aus Wirtschaft oder Politik erzählen praxisiorientiert und authentisch, wie sie ihren Glauben im Arbeitsalltg (er)leben», steht dazu auf der Homepage. Dieses Jahre referierte Kurt Bühlmann zum Thema «Göttliche Renditen» und Marten Hoekstra, dem Head of Wealth Manager Americas UBS zum Thema «Gott liebt auch Banker».

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Der 59-jährige Executive Director der UBS Zürich hat seine Karriere im Bankensektor mit einer Banklehre begonnen. Dazu kamen kamen im Lauf der Jahre Managmentkurse und -weiterbildungen. Er ist verheiratet und hat 5 erwachsene Kinder.

Als Evangelikalismus (von englisch «evangelical») wird eine Strömung des Protestantismus bezeichnet, welcher auf den deutschen Pietismus, den englischen Methodismus und die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts zurückgeht und heute vornehmlich in Freikirchen, aber auch in evangelikalen Kreisen der reformierten Landeskirchen vertreten wird.

Evangelikale Theologie bezeichnet sich als bibeltreu, damit ausdrückend, dass sie biblische Lehre, und nichts anderes vertreten möchte. Evangelikale sehen sich hier im Gegensatz zu anderen Strömungen des Protestantismus, welche aus Sicht des Evangelikalismus der Bibel nicht genügend Bedeutung beimessen würden.

Die Bibeltreue äussert sich darin, dass der Bibel unbedingte Autorität in allen Glaubens- und Lebensfragen zukommt; sie gilt als vollständig, alles, was Christen wissen müssen, ist in der Bibel behandelt.

Fundamentalistische Evangelikale gehen noch einen Schritt weiter: Ihnen gilt die Bibel als unfehlbar oder gar irrtumslos. Auf die Bibel ist unbedingt und in jedem Detail Verlass. Biblischen Texten in ihrer Wortgestalt widersprechende Thesen, etwa die Evolutionstheorie, werden abgelehnt.

Diese Definition stammt von der Evangelischen Informationsstelle www.relinfo.ch

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