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Holocaust-Leugnung aus politischem Kalkül

Mahmoud Ahmadinejad, Holocaust-Leugner und Präsident Irans. Keystone

Die Leugnung des Holocaust durch den Präsidenten Irans ist politisches Kalkül. Dies sagt der ehemalige Schweizer Botschafter in Teheran zu swissinfo.

Laut Tim Guldimann sind die Äusserungen von Mahmoud Ahmadinejad nicht repräsentativ – weder für die iranische Regierung noch die Bevölkerung.

Am Mittwoch hatte Mahmoud Ahmadinejad den Holocaust als “Mythos” bezeichnet, mit dem Amerikaner und die Juden die Gründung des Staates Israel rechtfertigen würden. Damit hat der iranische Präsident einen internationalen Sturm der Entrüstung entfacht.

Auch die Schweiz hat protestiert. Das Schweizer Aussenministerium machte klar, dass es keinen Zweifel am Bestehen des Holocaust toleriere. Auch wurde der iranische Botschafter in Bern zweimal ins Aussenministerium zitiert.

Die Juden in der Schweiz bezeichneten es als “inakzeptabel, dass ein UNO-Mitgliedsland einen solchen Wahnsinn von sich geben kann”. Sie forderten von der UNO, gegen Iran vorzugehen.

Bereits letzten Monat hatte Ahmadinejad einen internationalen Aufschrei provoziert, damals mit der Forderung, dass Israel von der Weltkarte zu verschwinden habe.

Tim Guldimann war Schweizer Botschafter in Teheran von 1999 bis 2004. Gegenüber swissinfo sagt er, welche Strategie Ahmadinejad seiner Ansicht nach verfolgt.

swissinfo: Was will Ahmadinejad mit diesen Äusserungen erreichen?

Tim Guldimann: Anti-Zionismus und Anti-Israelismus war schon 1979 Bestandteil der islamistischen Revolution, und es kann gut sein, dass dies die persönliche Überzeugung von Ahmadinejad ist.

Er kann damit aber auch seine politische Position stärken. Denn seine politischen Gegner sind untereinander zerstritten. Indem er harsche Kritik aus dem Ausland provoziert, hofft er auf ein stärkeres Zusammenrücken innerhalb seines Regimes.

Ahmadinejad ist in Iran nicht die Nummer 1, seine Position ist vergleichbar mit derjenigen eines Premierministers in anderen Ländern. Über ihm steht der religiöse Führer Ayatollah Ali Khamenei.

swissinfo: Was ist die beste Antwort der USA, Europas und Israels auf diese Provokation?

T.G.: Die Äusserungen werden keine militärischen Konsequenzen haben, auch wenn dies Israel und die USA erwähnt hatten. Aber sie müssen ernst genommen werden.

Ahmadinejad sagte, dass Israel von der politischen Landkarte verschwinden müsse. Das ist eine sehr gefährliche radikale Position, die verurteilt werden muss. Man muss aber aufpassen, um nicht auf sein Spiel hereinzufallen: Man stützt ihn, wenn man ihn angreift. Noch einmal: Man darf nicht vergessen, dass er nicht die Regierung Irans darstellt, sondern nur einen Teil von ihr.

Die Regierung Irans sollte das Problem unter sich lösen. Es macht keinen Sinn, die Regierung als solche zu verurteilen, das würde eine interne Lösung nur noch erschweren.

swissinfo: Kann das negative internationale Echo die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm beeinträchtigen?

T.G.: Seit dem Treffen mit der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) vom 24. September gibt es auf iranischer Seite Anzeichen einer Annäherung. Was die Zusammenarbeit mit der IAEA betrifft, sieht es ebenfalls nicht schlecht aus. Immerhin hat Iran den Inspektoren die Tore einer militärischen Anlage weit geöffnet.

Die Uran-Anreicherung, an der Iran festhält, ist aber für den Westen nicht akzeptabel. Das generelle Misstrauen hat zur Folge, dass die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft viel schärfer ausfallen als gegenüber anderen Ländern.

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Mahmoud Ahmadinejad, erzkonservativer Bürgermeister Teherans, wurde im Juni 2005 als Nachfolger von Mohammad Khatami Präsident Irans.
Im Oktober sorgte er für einen Aufschrei, als er die Löschung Israels von der politischen Landkarte forderte.
Vergangene Woche äusserte er Zweifel am der Vernichtung von sechs Millionen Juden durch die Nazis während des Zweiten Weltkrieges.
Am Mittwoch schliesslich bezeichnete er den Holocaus als “Mythos”, der die Existenz Israels rechtfertigen solle.

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