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Kirchen: Wohnen an bester Lage

Mittagstisch in der Kirche St. Leonhard in St. Gallen - seit 1997 wird die Kirche als Offene Kirche benutzt. Keystone

Die beiden grossen Landeskirchen der Schweiz sind dazu übergegangen, leerstehende Kirchen und Klöster zu vermieten oder zu verkaufen.

Die neuen Besitzer müssen sich aber verpflichten, die Gebäude “würdig” zu nutzen.

Wegen des sinkenden Interesses an der Religion und mit dem Rückgang der Anzahl der Gläubigen gehe auch der Bedarf an Kirchen und Klöstern zurück, sagt Marco Galgano von der Schweizerischen Bischofskonferenz. Zudem sei der Unterhalt dieser Gebäude sehr teuer.

Laut den aktuellen Volkszählungsdaten ist der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung zwischen 1990 und 2000 von 46,2 um 4,4 auf 41,8 Prozent gesunken.

Bei den Protestanten betrug der Rückgang in der selben Zeitspanne sogar 5,4 Prozent. Der Anteil ging von 40,7 auf 35,3 Prozent zurück.

Familienwohnungen mit Seesicht

Um die Kirchgemeinden in den Kantonen Waadt, Freiburg und Neuenburg beim Verkauf ihrer Gebäude zu beraten, sei eine Kommission ins Leben gerufen worden, sagt Nicholas Betticher, Sprecher des Bischofs von Lausanne, Genf und Freiburg.

Die Kommission besteht aus einem Juristen, einem Immobilien-Fachmann und Vertretern der Kirche.

Im Kanton Freiburg wurde die hoch über dem Neuenburgersee gelegene Dominikanerinnen-Abtei von Châbles an ein Konsortium verkauft, welches nun familiengerechte Wohnungen einrichtet.

Laut Betticher ist das durchaus im Sinne der Kirche. Ziel sei es, das Erbe der Kirche zu erhalten.

Abreissen ist Tabu

Wenn immer möglich sucht die Kirche neue Benutzer, die ebenfalls aus dem kirchlichen Kreis kommen. So in Arth im Kanton Schwyz, wo ein Kloster an die syrisch-orthodoxe Kirche in der Schweiz verkauft wurde.

Der Verkauf von kirchlichen Gebäuden ist ein heikles Thema. Diese Erfahrung hat die katholische Landeskirche von Basel-Stadt gemacht, welche aus Spargründen die Christopherus-Kirche in Kleinhüningen abreissen wollte.

Nach dem Protest der Anwohner wurde das Vorhaben wieder aufgegeben.

Widerstände aus der Bevölkerung

Auch der Verkauf der reformierten St. Leonhard-Kirche in St. Gallen war von Widerständen begleitet. Es seien viele Angebote eingegangen, sagt der mit dem Verkauf beauftragte Karl Gabler.

Bevorzugt würden aber Interessenten mit religiösen oder spirituellen Absichten.

Dem Betreiber einer Diskothek, welcher die Kirche habe übernehmen wollen, habe man eine Absage erteilt, schiebt Simon Weber nach, der Sprecher beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund.

Einige Glaubensgemeinschaften fanden für ihre Gotteshäuser gemischte Nutzungen. Protestantische Pfarreien etwa nutzen eine Kirche gemeinsam und reihum.

Unter der Woche kann die Kirche an andere Glaubens-Gemeinschaften vermietet werden, sagte Weber. Ausser Frage stehe aber eine Nutzung durch Muslime oder Juden.

Geweihte Gebäude oder Profanbauten

Weber fügte an, dass die reinen Steine der Kirchen für die Reformierten nicht denselben Wert haben wie für Katholiken. Seit der Reformation nämlich haben die evangelischen Kirchen nur noch profanen Charakter.

Die katholische Kirche hingegen muss vor einem Verkauf und einer Umnutzung die Weihe der Kirche aufheben, wie Betticher erklärt. Reliquien müssen im Rahmen einer speziellen Liturgie aus der Kirche gebracht werden.

swissinfo und Julie Zaugg, sda

1990-2000: Anteil der Katholiken an der Schweizer Bevölkerung von 46,2 um 4,4% auf 41,8% gesunken

1990-2000: Anteil der Protestanten an der Schweizer Bevölkerung von 40,7% um 5,4% auf 35,3% gesunken

Die Umnutzung von Kirchen und Klöstern liegt in der Schweiz im Trend. Die beiden grossen Landeskirchen, die katholische und die protestantische, vermieten oder verkaufen gar leerstehende Kirchen und Klöster.

Mit dem Rückgang der Gläubigen und Kirchgänger geht der Bedarf an Kirchen und Klöstern zurück. Zudem ist der Unterhalt dieser Gebäude sehr teuer.

Die neuen Besitzer müssen sich indessen verpflichten, die Gebäude “würdig” zu nutzen.

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