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Libanon auf der Suche nach Dialog in der Schweiz

Während der Wiederaufbau des Landes anhält, befassen sich die Libanesen mit der Neugestaltung ihres Staates. Keystone

Am Genfersee hat ein Treffen mit libanesischen Vertretern verschiedener politischer Strömungen stattgefunden. Die Schweiz unterstützt die Initiative.

Ziel sei es, einen Gesprächsraum zu bieten, wie er im Libanon nicht existiere, um die Eckpfeiler für einen existenzfähigen Staat zu setzen, sagt Yves Besson, einer der Organisatoren des Treffens.

Die Gespräche vom Freitag und Samstag fanden an den Ufern des Genfersees im pastoralen Rahmen des Mont-Pèlerin statt, weit entfernt von den Minenfeldern des Nahen Ostens. Organisisert hat es die Vereinigung für einen europäisch-arabisch-muslimischen Dialog, ASDEAM, eine im letzten Jahr gegründete Nicht-Regierungsorganisation.

Um die gegenwärtige Blockade auf der politischen Bühne im Libanon zu umgehen, sollten dabei jene tiefgreifenden Fragen und Strukturen in Angriff genommen werden, welche den libanesischen Staat und sein Rechtssystem untergraben, unterstreicht der Schweizer Patrick Haenni, einer der Organisatoren. Diese erste, sondierende Zusammenkunft, die vom Departement für auswärtige Angelegenheiten finanziell unterstützt wurde, sei der Anfang eines Prozesses. Ein nächstes Treffen soll in einigen Monaten stattfinden.

swissinfo hat mit dem ehemaligen Botschafter Yves Besson, dem Vizepräsidenten der ASDEAM, gesprochen. Besson war einer der beiden Gesprächsleiter an der Debatte.

swissinfo: Wie ist die Debatte abgelaufen?

Yves Besson: Am ersten Tag ging es um interne Fragen. Die Gespräche verliefen ruhig und konstruktiv. Schwieriger gestaltete sich – was niemanden erstaunte – der zweite Tag, welcher der regionalen Dynamik und den äusseren Einflüssen gewidmet war..

Es war uns gelungen, ein Dutzend politische und intellektuelle Persönlichkeiten wie Abgeordnete, Berater und Repräsentanten zusammenzuführen. Ein Treffen, das im Libanon nicht hätte durchgeführt werden können. Es musste an einem ruhigen, abgeschirmten Ort stattfinden.

Wir öffnen mittel- und langfristige Perspektiven, und wir hoffen, dass sie den Ausstieg aus der gegenwärtigen Sackgasse erleichtern, den die arabische Vermittlung anstrebt. Denn es eilt.

Die heranrückenden Präsidentschaftswahlen vom nächsten Herbst und der geplante Prozess gegen die Verantwortlichen für den Mord am ehemaligen Premierminister Rafik Hariri erhöhen die Spannungen.

swissinfo: Worüber wurde diskutiert?

Y.B.: Wir haben eine Reihe von Themen über die Zukunft des Staates Libanon definiert. Es geht vor allem um die Frage, wie die vielen verschiedenen Gemeinschaften auf relativ kleinem Territorium mit- und nebeneinander leben können.

Der Libanon ist so etwas wie ein kleines osmanisches Reich, in dem gleichzeitig Sunniten, Schiiten, Christen und Drusen untergebracht sind, die es aber noch nicht zustande gebracht haben, einen Staat aufzubauen, der eine bestimmte öffentliche Ordnung garantiert und den Willen des Zusammenlebens verwirklicht.

Die politischen Parteien Libanons, die sich seit den 1930er-Jahren auf einer ideoligischen Grundlage heraus bildeten, sind allmählich auf konfessionelle Eigenschaften abgeschweift.

swissinfo: War es schwierig, diese Leute zusammenzuführen?

Y.B.: Einzelne Vertreter bestimmter politischer Strömungen haben nicht teilgenommen. In der Folge haben sie sich beschwert, nicht eingeladen worden zu sein. Was nicht der Wahrheit entspricht.

swissinfo: Hat das Treffen in einigen Fragen bereits Konsens gebracht?

Y.B.: Die Teilnehmenden sind sich einig, dass ein Staat geschaffen werden muss, der die öffentliche Ordnung garantiert.

Dissens besteht bezüglich externer Einflüsse, die von einer Seite stark kritisiert und von anderer Seite verteidigt werden.

swissinfo-Interview: Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

1989: Das Abkommen von Taif beendet den Bürgerkrieg, der seit 1975 im Libanon wütete.

2000 : Die israelische Armee zieht sich aus dem Südlibanon, den sie seit 1978 besetzt hielt, zurück.

2004 : Die Resolution 1559 des UNO-Sicherheitsrates fordert den Rückzug der syrischen Truppen aus dem Libanon und die Beendigung der militärischen Aktionen der Hizbollah.

2005 : Der frühere Premierminister Rafik Hariri fällt einem Attentat zum Opfer. Ein UNO-Mandat fordert eine Untersuchung, um die Verantwortlichen hinter dem Mord zur Rechenschaft zu ziehen.

2006 : Ein einmonatiger Krieg zwischen Israel und dem Libanon fordert über 1000 zivile Todesopfer.

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