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Rat der Religionen: Neuer Gesprächspartner

Die Spitzen der christlichen, muslimischen und jüdischen Religionen bilden künftig einen Rat. swissinfo.ch

Am 15. Mai dieses Jahres gründen in Bern die obersten christlichen, muslimischen und jüdischen Vertreter des Landes den Schweizer Rat der Religionen.

Mit dessen Hilfe sollen auch schwierige Situationen, wie zum Beispiel der Mohammed-Karikaturen-Streit, friedlich und konstruktiv gelöst werden.

“Die geopolitische Situation holt auch die Schweiz ein. Die Globalisierung der Religionen ist ein Faktum. Auch in der Schweiz haben wir verschiedene Kulturen und Religionen”, begründet Markus Sahli, zukünftiger Sekretär des Rats der Religionen, die neue Institution gegenüber swissinfo.

“Und da der Islam die drittgrösste Religionsgemeinschaft in der Schweiz ist, scheint es uns angemessen, eine Plattform zu schaffen, um auch mit dieser Religions-Gemeinschaft im Gespräch zu sein.”

Breite Abstützung mit Spitzenvertretern

Die Idee für den Rat stammt von Thomas Wipf, dem Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK). Er soll auch dessen erster Vorsitzender werden.

Bischof Kurt Koch wird die römisch-katholische Kirche und Bischof Fritz-René Müller die christkatholische Kirche vertreten. Alfred Donath nimmt als Vertreter des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) Einsitz im Rat.

Die muslimische Seite ist durch Farhad Afshar, Präsident der Koordination islamischer Organisationen Schweiz, und Hisham Maizar, Thurgauer Arzt und Präsident des Dachverbandes islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein, vertreten.

Nicht alle Religionen vertreten

In der Schweiz sind noch weitere Religionen aktiv, wie die evangelischen Freikirchen, Orthodoxe, Buddhisten, Hindus. Diese sind nicht im geplanten Rat der Religionen vertreten.

Sahli: “Im Moment ist das tatsächlich so. Wir haben jedoch das Mandat so formuliert, dass weitere Religionsgemeinschaften mittelfristig einbezogen werden können.”

Die evangelischen Freikirchen seien jedoch für die Ökumene und den interreligiösen Dialog teilweise nicht so offen wie die Landeskirchen, ergänzt er.

Wie erreicht man extreme Kreise?

Was kann der Rat unternehmen, um extremistische Muslime oder ultrarechte Christen zu erreichen? “Bei den muslimischen Extremisten müssen wir das natürlich unseren muslimischen Partnern überlassen. Und wir gehen auch davon aus, dass das stattfindet”, sagt Sahli.

Für Sahli stellen extremistische Kreise in der Schweiz eine ganz kleine Minderheit dar, auch jene unter den Christinnen und Christen. “Hier trifft man Extremismus, wie man ihn in anderen Ländern sieht, schwerlich an.”

Über die Gründe kann Sahli auch nur spekulieren: “Es könnte an der historisch gewachsenen Verschiedenheit der Kulturen liegen. Wir sprechen in der Schweiz verschiedene Sprachen, haben unterschiedliche Mentalitäten und verschiedene Konfessionen.”

Er erinnert an die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten im 19. Jahrhundert. “Wir haben historische und kulturpolitischen Erfahrungen, dass es einen Ausgleich, einen Kompromiss braucht.”

Religionspolitik

Der Rat verfolgt keine kultischen, sondern religionspolitische Zwecke. Für die Initianten ist wichtig, dass der Rat in gewissen gemeinsamen Anliegen als Gesprächspartner des Staates auftreten kann.

Der zukünftige Präsident Thomas Wipf sagt, die Glaubensgemeinschaften seien mit zwei Entwicklungen konfrontiert: dem religiösen Fundamentalismus und der Gleichgültigkeit.

Der interreligiöse Dialog könnte helfen, den eigenen Glauben als Quelle der Hoffnung wieder zu entdecken, in ethischen Fragen die spirituelle Dimension des Menschen zu berücksichtigen und gesellschaftlich einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Glaubensgemeinschaften zu leisten.

Karikaturen-Krise

Markus Sahli kann sich vorstellen, dass der Rat der Religionen – würde er bereits existieren – in der Krise um die Mohammed-Karikaturen betont hätte, dass sowohl Presse- wie auch Religionsfreiheit in der Schweiz wichtige Grundwerte sind.

“Natürlich muss es eine gewisse Balance geben zwischen diesen Werten. Die Pressefreiheit darf jedoch nicht dazu missbraucht werden, um religiöse Gefühle zu verletzen und Glaubensgemeinschaften unter der Gürtellinie zu provozieren.”

Agnell Rickenbacher, Sekretär der Schweizer Bischofskonferenz, ist überzeugt, dass sich Irritationen wie der Karikaturen-Streit künftig vermeiden lassen, wenn man sich erst besser kenne.

Und Farhad Afshar erwartet gemäss der NZZ am Sonntag, dass sich Juden und Christen in einem solchen Fall künftig für die Muslime einsetzen: “Im Rat der Religionen können sich Muslime, Christen und Juden ihr gemeinsames Hauptziel in Erinnerung rufen, nämlich, dass es eine Verpflichtung zum Frieden gibt.”

swissinfo, Etienne Strebel

Der Rat der Religionen hat folgende Ziele:

Beitrag zum Erhalt des religiösen Friedens in der Schweiz

Verständigung unter den Teilnehmenden über die gemeinsamen Anliegen

Vertrauensbildung zwischen den Religions-Gemeinschaften

Dialog zu aktuellen religionspolitischen Fragestellungen

Ansprechmöglichkeit für Bundes-Behörden in diesen Fragen.

Die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung in der Schweiz (2000):

Katholisch: 42%
Protestantisch 35%
Christkatholisch 0,18%
Christlich Orthodoxe: 2%
Andere christliche Gemeinschaften: 0,19%
Juden 0,24%
Muslime: 4,26%
Andere Religions-Gemeinschaften: 0,8%
Keine Religions-Zugehörigkeit: 11%
Keine Angaben: 4,33%.

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