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Lenk, Kreuzweg von sechshundert Geschichten

Ex-Sportminister Adolf Ogi als Skilehrer junger Auslandschweizer. Keystone

Kobaltblauer Himmel, frühlingshafte Sonne und optimale Pistenbedingungen: 600 Mädchen und Knaben aus der Schweiz und der Fünften Schweiz haben in dem Dorf im Berner Oberland eine weisse Woche verbracht. Eindrücke einiger junger Auslandschweizern.

“Von hier oben gesehen ist die Schweiz wirklich schön. Zu Hause werde ich mich immer an diese phantastische Woche an der Lenk erinnern. Ich habe Spass gehabt, neue Freundschaften geknüpft und meine Technik beim Skifahren verbessert”, sagt der in Niedersachsen, Deutschland, lebende Philipp Eisenhardt gegenüber swissinfo.ch.

Mit ihm zusammen haben 600 junge Schweizerinnen und Schweiz im Alter zwischen 13 und 14 Jahren vom 2. bis 9. Januar eine Wintersportwoche an der Lenk verbracht, darunter 70 Auslandschweizer Kinder.

Das traditionelle Jugendskilager (Juskila) wird seit 1941 von Swiss-Ski, dem Schweizerischen Skiverband, durchgeführt. Die Teilnehmenden werden jeweils aus den Anmeldungen ausgelost, die weisse Woche ist für sie gratis.

Der “Juskila-Geist”

“Meine Mutter hat mich auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, mich für das Juskila anzumelden. Das Schicksal wollte es, dass ich zu den ausgewählten Glückspilzen gehöre”, freut sich die in Périgueux, Frankreich, lebende Gaëlle Roubault.

Dieses Jahr war die Chance, ausgewählt zu werden, für junge Auslandschweizer besonders gross. Denn an der 70. Ausgabe des Jugendskilagers konnten 70 Jugendliche aus der Fünften Schweiz teilnehmen.

An der Lenk, in einer idyllischen Landschaft, konnten sie die besondere Aura des Juskila erleben. “Dieser ‘Juskila-Geist’ überrascht mich jedes Jahr wieder. Zu Beginn ist die Atmosphäre still. Die Jugendlichen sind erst etwas verwirrt, weil sie allein, ohne ihre Schulkameraden gekommen sind. Im Verlauf der Woche müssen sie dann ein wenig aus sich heraus kommen, um neue Bekannt- und Freundschaften zu knüpfen. Und am letzten Tag ist niemand mehr allein, alle sind Teil der Gruppe Juskila”, erklärt Pietro Gianolli, der seit 17 Jahren als Monitor an der weissem Woche im Simmentaler Dorf teilnimmt.

Unvergessliche Freundschaften

Zu Hause werden sich die Jugendlichen nicht nur an die Postkarten-Landschaft erinnern, sondern vor allem an die Stimmen und Gesichter ihrer Kameradinnen und Kameraden.

Die in Cluj-Napoca, Rumänien, lebende Naomi Madly, hat rechtzeitig die Handy-Nummern, E-Mail- und Facebook-Adressen ihrer Juskila-Kolleginnen und Kollegen gesammelt. “Ich möchte in Kontakt mit ihnen bleiben. Hier an der Lenk habe ich sympathische Mädchen und Knaben kennengelernt, sei es aus der Schweiz oder aus dem Rest der Welt.”

Der beste Moment, um neue Bekanntschaften zu machen, war vor allem der Abend: In ihren Zimmern, mit der Taschenlampe unter der Bettdecke, tauschten Mädchen und Knaben Vertraulichkeiten und kleine Geheimnisse aus, erzählten von den Ländern, in denen leben. In dieser geborgenen Mikrowelt haben sie sich alle gleich, aber dennoch verschieden gefunden.

“In meinem Zimmer war ich die einzige, die Englisch spricht”, erzählt Marie-Christine Berrevoets aus Toronto, Kanada. “Wenn ich Französisch sprechen musste, brachte ich meine Kameradinnen wegen meines Akzentes zum Lachen. Aber wenn sie dann Englisch sprachen, war ich mit dem Lachen an der Reihe. Ich habe auch viel gelernt, zum Beispiel, dass jedes Land ein anderes Schulsystem hat.”

Kennenlernen konnte man sich aber auch ausserhalb der vier Zimmerwände.

Begleitet von 150 freiwilligen Helfern, von Monitoren bis zu Animatorinnen, gab es viele Vergnügungsmöglichkeiten: sportliche Aktivitäten in der Turnhalle, Filmvorstellungen im Dorfkino, Karaoke, Diskothek, um nur einige zu nennen.

Gewagte Abfahrten

Dann waren da aber vor allem die Abfahrten im Skizirkus an der Lenk. “Für mich war es phantastisch, hier Ski zu fahren. Da gibt es Kilometer von Pisten. Ich habe sogar meine Skitechnik verbessern können, die zu Beginn des Lagers nicht sehr ausgefeilt war”, sagt Irene Moscas aus der Provinz Savona, Italien.

Auch Mauro Gilberti hat es genossen, jeden Morgen die Skis anzuschnallen und die frische Bergluft einzuatmen. “Es wäre schön, den Aufenthalt in der Schweiz zu verlängern, auch weil in Grosseto die Schule auf mich wartet, erklärt der 13-Jährige aus Italien traurig.

Jetzt ist es wieder still geworden in den Sälen, Gängen und Zimmern. Die Mädchen und Knaben sind bereits wieder in der Schule, über Bücher und Hefte gebeugt.

Einmal mehr ist Lenk zum Kreuzweg von sechshundert Geschichten geworden, dessen Wege sich getrennt haben wie ein aufgewickelter Knäuel, der dennoch an der Lenk, im Berner Oberland angehaftet bleibt.

Seit 1941 organisiert Swiss-Ski, der Schweizerische Skiverband, das traditionelle Jugendskilager (Juskila).

Die weisse Woche beginnt immer am 2. Januar, jedes Jahr nehmen 600 Mädchen und Knaben im Alter zwischen 13 und 14 Jahren teil. Sie werden von 150 Monitoren und Helfern begleitet.

Die Teilnahme ist freiwillig und gratis. Die Jugendlichen werden ausgelost, jeder Kanton sowie die Fünfte Schweiz haben ein entsprechendes Kontingent.

Mit der weissen Woche will Swiss-Ski den kulturellen Austausch fördern und den im Ausland lebenden Schweizer Jugendlichen ermöglichen, neue Freundschaften zu knüpfen und die Technik beim Skifahren zu verbessern.

Seit 1941 haben rund 42’000 Schweizer Mädchen und Knaben eine Woche an der Lenk verbracht, ein Wintersportort im Berner Oberland.

An der diesjährigen Eröffnungszeremonie nahmen Ex-Sportminister Adolf Ogi, Schwingerkönig Killian Wenger sowie der Skicross-Olymiasieger Mike Schmid teil.

Das Dorf Lenk befindet sich im Berner Oberland, zuoberst im Simmental. Es liegt 1’068 Meter über Meer und zählt rund 2000 Einwohner.

Das Skigebiet stellt 50 Bergbahnen sowie 185 Kilometer Pisten zur Verfügung. Dazu kommen 77 Kilometer Langlaufloipen und 74 Kilometer Winterspazierwege.

Die touristischen Anfänge an der Lenk gehen ins 17. Jahrhundert zurück. Dank der Schwefelquellen war das Dorf ursprünglich ein Kurort für Rheuma- und Lungenkranke.

(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

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