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Pläne unterscheiden sich manchmal von der Realität

Bis jetzt der einzige Erfolg: Didier Cuche mit seiner Silbermedaille Reuters

Eine Medaille anstatt sechs - das ist die Schweizer Bilanz von Garmisch-Partenkirchen vor den Wettkämpfen in den technischen Disziplinen am Wochenende. Ein Gespräch mit Urs Lehmann, dem Präsidenten von Swiss Ski, auch über die heiklen Punkte.

1993 in Morioka wurde Urs Lehmann zur Überraschung aller Abfahrtsweltmeister. Dieser Titel war der einzige in seiner Karriere. Lehmann wurde 2008 Präsident von Swiss Ski, des Schweizerischen Skiverbandes. In Garmisch-Partenkirchen hatte der Aargauer noch keine Gelegenheit, eine Goldmedaille zu feiern.

swissinfo.ch: Urs Lehmann, wie erleben Sie die Weltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen?

Urs Lehmann: Die Pisten sind sehr spektakulär, die Rennen sind es ebenfalls. Für grosse Anlässe wie diesen ist es nötig, eine anspruchsvollere Piste zu haben als gewöhnlich. Es gewinnen nur die Besten. Es ist sehr viel Publikum anwesend, mein Gesamteindruck ist sehr gut.

Was die Leistungen der Schweizerinnen und Schweizer betrifft und insbesondere, wenn man das Potential der Athleten einbezieht, hätte man sich mehr erhoffen können. Wir haben viermal den vierten Platz belegt, das ist auch Teil des Sports. Aber ich erinnere an die Silbermedaille von Didier Cuche in der Abfahrt. Er hat mit einer ungünstigen Startnummer eine grossartige Leistung geboten.

swissinfo.ch: Nach Vancouver ist das Frauenteam zum zweiten Mal an einem Grossanlass in die Kritik geraten. Wie erklären Sie sich das?

U.L.: Wir haben zwei Medaillen geplant, aber die Pläne sind manchmal anders als die Realität. Zwei Frauen haben sich dreimal auf dem vierten Rang klassiert. Das ist ein Enttäuschung. Trotzdem glaube ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir diese Sportlerinnen an der Spitze sehen.

swissinfo.ch: Im letzten Jahr wurde Hugues Ansermoz nach den Olympischen Spielen ohne Medaillengewinn entlassen. Ist Mauro Pini, der neue Cheftrainer der Frauen, in Gefahr?

U.L.: Ich verstehe diese Frage nicht. Niemand musste jemals um seinen Job bangen, wenn er weniger als ein Jahr im Amt war. Mauro arbeitet sehr gut, er hat bereits seinen Spuren hinterlassen im Frauenteam.

Er hat Strukturen für die jungen Fahrerinnen geschaffen. Die Weltmeisterschaften der Junioren in Crans-Montana waren von Erfolgen gekrönt, das ist auch das Resultat der Arbeit von Mauro Pini.

swissinfo.ch: Dieser Winter war geprägt von Lara Guts Comeback. Die Spannungen mit dem Verband waren sehr gross. Der Verband hat sie für zwei Rennen gesperrt. Wie sind die Beziehungen nun?

U.L.: Unsere Beziehungen sind sehr gut. Lara ist eine 19-jährige junge Frau, die in einer sehr komplexen Situation steckt. Es ist normal, dass es Diskussionen gibt.

Schade ist nur, dass diese in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Abe die Beziehungen haben sich innerhalb von zehn Tagen normalisiert. Lara ist gut ins Team integriert, sie hat ihre Fehler eingesehen.

swissinfo.ch: Hätte der Verband nicht von Anfang an Parallel-Strukturen vermeiden sollen, um diesen Ärger zu vermeiden?

U.L: Das oberste Ziel des Verbandes ist, Erfolge zu erzielen. Das ist, was am Schluss zählt. Mit Lara haben wir ein aussergewöhnliches Talent. Was sollen wir machen? Sie zwingen, sich in die offiziellen Strukturen von Swiss Ski einzufügen, mit dem Risiko, dass sie sich weigert?

Das längerfristige Ziel des Verbandes ist sicher eine Annäherung. Diese ist im Moment im Gang. Im Winter ist sie komplett in das Team integriert. Die Herausforderung für den Verband ist einfach: nämlich die besten Trainer anzustellen, dass die jungen Frauen Lust haben, mit dem Verband zu trainieren.

swissinfo.ch: Sie haben die Juniorenweltmeisterschaften in Crans-Montana angesprochen. Die Schweiz hat zehn Medaillen gewonnen. Sind das gute Aussichten für die Zukunft?

U.L.: Das sind sehr positive Signale für die Zukunft. Wir müssen diese Talente so schnell als möglich in den Weltcup führen. Junge Fahrer wie Pinturault aus Frankreich, Curtoni aus Italien und Sejersted aus Norwegen haben diesen Schritt sehr schnell geschafft und an den Weltmeisterschaften gute Resultate erzielt.

swissinfo.ch: Die Schweiz hatte lange Verspätung auf ihren Nachbarn Österreich in Bezug auf die Nachwuchsförderung. Wurde dies nun aufgeholt?

U.L.: Die Österreicher waren lange zwei Schritte voraus. Unsere Priorität war es, den Rückstand einzuholen. Wenn man die Resultate an Juniorenweltmeisterschaften anschaut, können wir sagen, dass es uns geglückt ist.

In der Kombination, einer Disziplin, die bei den Junioren den Riesenslalom und die Abfahrt beinhaltet, haben die Schweizer fünf von sechs möglichen Medaillen in Crans-Montana gewonnen. Dies zeigt, wie polyvalent unsere jungen Athleten sind.

Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften finden vom 7. bis 20. Februar in Garmisch-Partenkirchen, Deutschland, statt.

Garmisch liegt in Bayern, wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Garmisch-Partenkirchen ist der Skiort, wo die Olympischen Spiele im Jahr 1936 stattgefunden haben. Es ist das zweite Mal nach 1978, dass dort Ski-Weltmeisterschaften stattfinden. Die Stadt ist an der Bewerbung Münchens zur Austragung der Olympischen Spiele 2018 beteiligt.

Kandahar: Die so genannte Kandahar-Abfahrt hat den Ruf, eine der schwierigsten Pisten der Welt zu sein. Der Name erweist einem britischen General die Referenz, der die Stadt Kandahar in Afghanisten besetzt hat.

Während seiner Karriere als Ski-Abfahrer stand Urs Lehmann häufig im Schatten der Besten. Seine einzige Höchstleistung hat er 1993 in Morioka vollbracht, wo er die Goldmedaille gewann.

In diesem Jahr hat er den Gesamtweltcup als 52. beendet, das war die beste Klassierung seiner Karriere.

Präsidentschaft: Im Jahr 2008 übernahm er die Nachfolge des Politikers Duri Bezzola als Präsident des Schweizerischen Skiverbandes.

Privat: Urs Lehmann ist mit der ehemaligen Olympiasiegerin in Skiakrobatik, Conny Kissling. verheiratet.

(Übertragung aus dem Französischen: Eveline Kobler)

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