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Schnellbleiche für die perfekte Bäuerin

Eine Frauenklasse an der Landwirtschaftsschule Strickhof bei Winterthur lernt den Anbau eines Wintergartens. swissinfo.ch

Feurig heisse Brotzöpfe kommen aus dem Ofen, wohlgeformt und goldgelb gebacken. Die Frauen, die sie machen, sind nicht zu Hause vor dem Backofen, sondern in einem Schulzimmer. Sie lernen, einwandfreie Bauernpartnerinnen zu werden.

Gleichzeitig arbeitet eine andere Gruppe von Frauen in einem Gewächshaus, die sorgfältig den Abstand zwischen den Furchen messen und einen Samen nach dem anderen auf die Erde streuen. Sie lernen, einen Wintergarten anzupflanzen.

Später werden die Frauen lernen, ein Ausgabenbudget zu führen und Rechnungen an Geschäfte zu schreiben, die ihre Produkte kaufen.

Ihr Klassenzimmer im Strickhof, dem Kompetenzzentrum für Bildung und Dienstleistungen in Land- und Ernährungswirtschaft bei Winterthur im Kanton Zürich, ist eine Küche, ein Garten und ein Büro – alles in einem.

Dort wird alles gelernt, was Schweizer Frauen heute können müssen, um in einem Landwirtschafts-Unternehmen arbeiten zu können. Es gibt Kurse für Konservenherstellung, Backen, Gartenbau, Putzen, Buchhaltung, Agrarpolitik, Kommunikation und vieles mehr.

Laut Barbara von Werra, Leiterin der Bäuerinnenschule im Strickhof, hat sich in den letzten zehn Jahren das Programm der Schule mehr auf administrative, geschäftliche und politische Fragen konzentriert, neben den traditionellen Fähigkeiten in Haushalt und Familie.

Vom IT-Bereich auf den Bauernhof

Die Frauen, die an den Ausbildungskursen im Strickhof teilnehmen, haben verschiedene Lebensläufe und Hintergründe. Einige sind jung, ledig und müssen noch einen Partner für einen Landwirtschaftsbetrieb finden, andere hatten während Jahren unterschiedliche Berufskarrieren, bevor sie sich für einen Landwirtschaftsbetrieb entschieden.

Die 44-jährige Bettina Grueter-Lüttich hatte während 20 Jahren im Informationstechnologie-Bereich gearbeitet, bevor sie vor zwei Jahren einen Bauern heiratete und mit ihm auf seinen Bauernhof im Kanton Zürich zog. Sie ist jetzt verantwortlich für den Haushalt, kocht für die Mitarbeiter, schaut zu den Tieren, erntet Getreide und zieht ihre anderthalbjährige Tochter auf.

“Als meine Tochter zur Welt kam, hörte ich auf zu arbeiten”, sagt Grueter-Lüttich gegenüber swissinfo.ch. “Dennoch wollte ich meine berufliche Karriere irgendwie fortsetzen. Ich dachte, es sei nun der richtige Zeitpunkt gekommen, etwas anderes zu tun, nicht mehr im IT-Bereich zu arbeiten. Dann hörte ich von der Bäuerinnenschule, die man auch teilzeitlich, einen Tag in der Woche, besuchen kann, so dass ich mich weiterhin gut um meine Tochter kümmern konnte.”

Grueter-Lüttich räumt ein, dass für sie einige Kurse an der Schule überflüssig sind, da sie schon seit über zwei Jahrzehnten einen eigenen Haushalt geführt hat.

“Manchmal ist der Unterricht sehr detailliert: Wie ich staubsaugen, das Badezimmer putzen muss, was ich zu Hause ja auch schon getan habe… Das ist ein Problem, weil wir Schülerinnen zwischen 20 und 50 Jahre alt sind, einige sind bereits Grossmütter, andere aber haben das Elternhaus vielleicht noch nie verlassen.”

Altmodisch?

Dennoch findet Grueter-Lüttich viele Aspekte des Lehrplans hilfreich. Zum Beispiel habe sie neue Rezept-Ideen und neue Perspektiven erlernt, wie man einen Haushalt effizienter führen könne.

Die Frage, ob die Idee zu lernen, wie man Frau eines Bauern werden kann, nicht altmodisch und irgendwie erniedrigend für Frauen sei, macht Bettina Grueter-Lüttich ein bisschen perplex. Dann sagt sie jedoch “nein”, sie sehe es als sinnvolle praktische Ausbildung für Leute in derselben Situation wie sie.

“Ich denke nicht, dass das altmodisch ist. Natürlich gibt es gewisse Themen wie Kochen und Putzen, in denen man sich bereits auskennt. Aber es gibt auch neue Ideen, welches Waschmittel verwende ich, was macht Sinn aus einem ökologischen und wirtschaftlichen Blickwinkel? Studentinnen finden einige Dinge unnötig, die andere interessant finden. Man muss einfach das nehmen, was einem selbst nützt und zu Hause gebraucht werden kann.”

Einen weiteren positiven Aspekt sieht Grueter-Lüttich im Bereich Aufrechterhaltung der Familien- und Verwandtschaftsbindungen, ein wesentlicher Punkt bei der Führung eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes.

Der Kurs “Familie und Gemeinschaft” lehrt die Frauen, heikle Verwandtschaftsbeziehungen zu managen, wirksam mit Familienmitgliedern zu sprechen und den Betrieb auch bei belasteten Beziehungen aufrechtzuerhalten.

“Es hilft mir dabei zu lernen, wie ich in einem Familienumfeld arbeiten muss, das neu für mich ist, wie ich auf einem Bauernhof arbeite, auf dem mehrere Generationen leben, wie ich ein Teil von ihnen werden und mit anderen Leuten arbeiten kann”, sagt Grueter-Lüttich. “Es gibt auch ein grosses Konfliktpotenzial.”

Isolierte Bauernhöfe

Strickhof-Bäuerinnenschulleiterin Barbara von Werra erklärt, das gegenseitige Lernen von unterschiedlichen Erfahrungen sowie das Aufbauen von dauerhaften Freundschaften seien wichtige Gründe für den Besuch der Frauen ihrer Schule.

“Als Ausbildungsinstitution müssen wir einerseits die neusten und relevantesten Lehrgänge anbieten. Andererseits müssen wir den Studentinnen die Gelegenheit bieten, ein Netzwerk aufzubauen, wo sie sich treffen können, ohne für sich selber etwas organisieren zu müssen. Wenn die Frauen zum Beispiel auf einem total abgelegenen Bauernhof leben, bringt ihnen unser Lehrgang in dem Sinn viel, dass sie Leute kennenlernen, die in derselben Situation leben.”

Wichtig sei auch, dass die Bäuerinnenschule versuche, Kommunikationsfähigkeiten und das Bewusstsein für alltägliche Fragen im Zusammenhang mit der Landwirtschaft zu entwickeln, so von Werra. “Wir wollen es den Frauen ermöglichen, ihre Probleme mit ihren Partnern auf dem Bauernhof unter vier Augen zu diskutieren.”

Das heisse, “sich rechtlicher Probleme bewusst zu sein, die schweizerische Agrarpolitik zu verstehen, die Zukunftsvisionen für die schweizerische Landwirtschaft zu sehen, so dass die Frauen eine Wissensgrundlage haben und in dieser Hinsicht nicht von ihrem Partner abhängig sind und sich lediglich um Kinder und Haushalt kümmern müssen”.

Tradition sei gut, sagt von Werra. “Die Herausforderung ist jedoch immer, ein Gleichgewicht zwischen Tradition und neuen Wegen zu finden, die Dinge an die Hand zu nehmen.”

Der Strickhof im Kanton Zürich ist eine der grössten Landwirtschaftsschulen der Schweiz.

Das Kompetenzzentrum für Bildung und Dienstleistungen in Land- und Ernährungswirtschaft bietet zahlreiche Lehrgänge an, darunter eine Schule für Bauernpartnerinnen in einem Dorf bei Winterthur.

Der Strickhof bietet den Frauen, die Partnerinnen von Bauern werden möchten, zwei Möglichkeiten an: Sie können einen Tag in der Woche die Schule besuchen und in zwei Jahren ein Diplom erwerben oder von Februar bis Juli vollzeitlich die Schule besuchen und in dieser Zeit ein Diplom erlangen.

Ältere Frauen von etablierten Bauernhöfen wählen eher die erste Variante, jüngere Frauen, die eben erst ihre Berufskarriere beginnen, eher die zweite.

Der Strickhof lässt nur Leute zu, die bereits ein Fachabitur oder eine Berufsausbildung haben. Laut Barbara von Werra, Leiterin der Bäuerinnenschule im Strickhof, gibt es heute mehr Bewerberinnen als die Schule Plätze zur Verfügung hat.

Obwohl die Anmeldungen Mitte der 2000er-Jahre zurückgingen, überborden sie heute fast. Dies weil mehrere kleinere Bäuerinnenschulen geschlossen wurden und deshalb mehr Bewerberinnen in die Arme grösserer Institutionen, wie Strickhof oder Inforama in Bern, getrieben wurden.

(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)

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