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Harte Massnahmen in der Visa-Affäre

Das Eingangstor zur Schweizer Botschaft in Islamabad. Keystone

Die Visa-Affäre in Pakistan hat Konsequenzen: Der Schweizer Botschafter in Islamabad und das ganze Personal werden abgelöst.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat zudem drei Disziplinarunter-Untersuchungen eingeleitet. Das Personal hat sich nicht strafbar gemacht, aber mangelhaft gearbeitet.

Die von Calmy-Rey angeordnete und nun abgeschlossene Administrativ-Untersuchung zeigt, dass die Schweizer Botschaft in Islamabad nicht nur Opfer des organisierten Verbrechens (Menschenhandel) wurde, sondern an der Affäre auch eine Mitverantwortung trägt.

Die Erschleichung von Visa sei durch eine mangelhafte interne Organisation der Botschaft erleichtert worden, teilte das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Donnerstag mit.

Konkret wird bemängelt, dass die Verantwortung in der Visa-Abteilung unklar definiert gewesen sei und dass Vorschriften zum Teil nicht eingehalten worden seien. Es habe deshalb ein erhöhtes Risiko bestanden, dass die Angestellten missbräuchlich Visa erteilten.

Für den Botschafter und das gesamte Personal der Vertretung haben diese Versäumnisse nun unmittelbare Konsequenzen. Sie werden in den nächsten Tagen aus Islamabad abgezogen und durch neues Personal ersetzt.

Unschuldsvermutung gilt

Calmy-Rey hat zudem gegen den Missionschef, seinen Vorgänger sowie gegen den Kanzleichef Disziplinaruntersuchungen eingeleitet. Den Missionschefs oblag die Gesamtverantwortung für die Botschaft, dem Chef der Kanzlei wird vorgeworfen, seine Aufsichts- und Kontrollpflichten vernachlässigt zu haben.

Sowohl die beiden Missionschefs wie auch der Kanzleichef blieben aber im Dienst des EDA, wie Sprecher Jean-Philippe Jeannerat sagte. Bis zum Abschluss der Disziplinaruntersuchungen gelte die Unschuldsvermutung.

Auch die übrigen Botschaftsmitarbeiter werden an anderen Orten eingesetzt. Der Ersatz des Personals stelle keine Schuldzuweisung dar, sondern solle einen vollständigen Neuaufbau des Visabereichs ermöglichen. Die Abteilung in Islamabad selber bleibt bis auf weiteres geschlossen.

Genaues Ausmass weiterhin unklar

Als präventive Massnahme wird auch das Personal im Generalkonsulat in Karatchi ersetzt und verstärkt. Der schon seit längerem geäusserte Verdacht, dass die Botschaft Opfer des organisierten Verbrechens geworden ist, wurde durch die Administrativuntersuchung bestätigt.

Das Aussendepartement hält aber fest, dass sich keine Schweizer Angestellten strafbar gemacht haben. Weder der Kanzleichef noch anderes Personal sei in die Machenschaften des verdächtigen lokalen Personals involviert gewesen.

Zum genauen Ausmass der Affäre machte das EDA auch am Donnerstag keine Angaben. Calmy-Rey hatte vergangene Woche gesagt, allein im September 2005 seien rund hundert Betrugsfälle aufgetaucht.

Um solche Affären künftig zu vermeiden, hat Calmy-Rey bereits angekündigt, dass sie lokales Personal wieder vermehrt durch Schweizer Angestellte ersetzen will. Dazu wird sie dem Bundesrat eine Erhöhung des Personalkredits für das Aussennetz um rund 22
Mio. Franken beantragen.

swissinfo und Agenturen

In den vergangenen Jahren sind in Schweizer Botschaften mehrere Fälle von Korruption bei der Visa-Vergabe entdeckt worden.

Ausser jüngst in Pakistan auch in Eritrea, Oman, Peru, Russland, Serbien, Nigeria und Kongo.

Jedes Jahr werden in den 141 Aussenvertretungen der Schweiz rund 500’000 Visas ausgestellt und rund 40’000 Anträge abgelehnt.

Die Ziffer dürfte auf rund 400’000 sinken, nachdem die Verträge von Schengen die Grenzüberschreitungs-Kontrollen zwischen der Schweiz und der EU vereinfacht haben.

Bis jetzt haben die Affären zu einer Verurteilung geführt. Im November 2005 hat das Bundesstrafgericht einen ehemaligen Honorar-Vize-Konsul von Oman zu neun Monaten Gefängnis bedingt verurteilt.

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