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Visa-Affäre: Höheres Budget – weniger Missbrauch

Calmy-Rey fordert mehr Schweizer Personal für das Vertretungs-Netz. Keystone

Die Schweizer Aussenministerin fordert eine substantielle Erhöhung des Budgets für Schweizer Personal in den Auslandvertretungen.

Damit sollte laut Micheline Calmy-Rey Missbräuchen vorgebeugt werden, wie sie zum Beispiel in der Visa-Affäre der Botschaft in Pakistan aufgetreten sind.

Bundesrätin Micheline Calmy-Rey fordert nach der Visa-Affäre in Pakistan mehr Personal für Botschaften und Konsulate.

Um die sichere Visa-Vergabe zu garantieren, müssten die Abteilungen verstärkt werden, erklärte sie. Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) will lokales Personal durch Schweizer ersetzen und den Personal-Etat bis 2010 um 22 Mio. Franken erhöhen.

Calmy-Rey nahm am Freitag erstmals detailliert zur pakistanischen Visa-Affäre Stellung, brachte dabei aber nicht mehr Licht in die genauen Vorfälle. Die Grössenordnung des Falles bleibt unklar.

Die Aussenministerin sagte lediglich, dass alleine im September 2005 rund 100 Missbrauchsfälle entdeckt worden seien.

Belastendes “Entlastungsprogramm 04”

Bereits Anfang Juni 2005 hatte die Aussenministerin ankündigen müssen, wieder mehr Schweizer Personal einzustellen. Damals reagierte sie auf Korruptionsfälle, die in Peru, Oman und Moskau aufgeflogen waren.

Im Rahmen des “Entlastungsprogramms 04” des Eidgenössischen Parlaments war das EDA gezwungen gewesen, Konsularpersonal durch lokale Mitarbeiter zu ersetzen.

Fälscher und Schlepper involviert

Der Fall in Pakistan sei “ausserordentlich komplex”, sagte Martin Dahinden, Chef des Aussennetzes, vor den Medien. Auch Dokumentenfälscher und Schlepper seien darin verwickelt.

Schweizer Diplomaten stehen nach den Informationen des EDA zwar weiterhin nicht unter Verdacht. Es bestehe aber die Vermutung, dass die Arbeit nicht überall korrekt gemacht wurde. “Ich gehe schon davon aus, dass die Affäre früher entdeckt worden wäre, wenn sämtliche Weisungen korrekt erfüllt worden wären”, sagte Dahinden.

Die Administrativ-Untersuchung, welche dies klären soll, wird nächste Woche abgeschlossen. Im Fall von fehlerhaftem Verhalten würden hinterher Disziplinarverfahren eröffnet.

Calmy-Rey stellte die Affäre in direkten Zusammenhang mit den Sparbemühungen der letzten Jahre. Seit zwölf Jahren seien die finanziellen Mittel für das Aussennetz nicht mehr gestiegen, obwohl die konsularischen Aufgaben immer zahlreicher und komplexer geworden seien.

“Outsourcing” mit fraglichen Effizienz-Folgen

Um bei der Visa-Vergabe die Sicherheitsvorgaben einzuhalten, müssten die Abteilungen verstärkt werden. Calmy-Rey möchte das lokale Personal, das wegen tieferer Lohnkosten systematisch angestellt wurde, wieder durch Schweizer Mitarbeiter ersetzen.

Rund 100 ausländische Angestellte sollen weltweit abgelöst werden, weil sie in ihren Heimatländern von kriminellen Organisationen einfacher unter Druck gesetzt werden können.

Zudem will Calmy-Rey weitere 50 Mitarbeiter zur Verstärkung der Vertretungen einsetzen. Die Aussenministerin wird dies im Bundesrat (Landesregierung) zur Sprache bringen. Ihr Ziel ist es, den Personalkredit für das Departement bis 2010 um 22 Mio. Franken zu erhöhen.

Noch mehr Leichen im Schrank?

Zu überlegen sei, ob Polizei-Verbindungsleute in den Botschaften stationiert werden sollten. Weitere mögliche Massnahmen sind, das Schalterpersonal jeden Morgen zu wechseln und keine Zahlungen mehr am Schalter abzuwickeln.

Calmy-Rey gelobte, alles dafür zu tun, dass Missbräuche künftig nicht mehr vorkommen. “Das sind Sachen, die wir nicht tolerieren können”, sagte sie. Dabei schloss sie aber nicht aus, dass auf Grund der Aufräumaktion noch weitere Fälle aus der Vergangenheit ans Licht kommen könnten.

swissinfo und Agenturen

In den letzten Jahren sind in Schweizer Botschaften mehrere Fälle von Korruption bei der Visa-Vergabe entdeckt worden.

Ausser jüngst in Pakistan auch in Eritrea, Oman, Peru, Russland, Serbien, Nigeria und Kongo.

Jedes Jahr werden in den 141 Aussenvertretungen der Schweiz rund 500’000 Visas ausgestellt und rund 40’000 Anträge abgelehnt.

Die Ziffer dürfte auf rund 400’000 sinken, nachdem die Verträge von Schengen die Grenzüberschreitungs-Kontrollen zwischen der Schweiz und der EU vereinfacht haben.

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