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Hickhack um Strom-Blackout

Wegen des Strom-Blackouts mussten Passagiere in den italienischen Bahnhöfen übernachten. Keystone

Die Schweizer Stromnetz-Koordinatorin Etrans hat die Kritik der europäischen Stromverteiler zurückgewiesen und beschuldigt Italien.

Beim Blackout Ende September gingen in ganz Italien die Lichter aus. Den Anfang nahm die Panne, als eine Leitung über die Alpen ausfiel.

Man habe rasch und richtig gehandelt, sagte Thomas von Weissenfluh, Verwaltungsrats-Präsident der Etrans, gegenüber den Medien. Die Etrans gehe davon aus, dass das Netz hätte stabilisiert werden können, wenn der italienische Stromproduzent GRTN schneller reagiert hätte.

In einem Bericht, der am Montag veröffentlicht wurde, übten europäische Stromexperten der “Union für die Koordinierung des Transports elektrischer Energie” (UCTE) scharfe Kritik an der Schweiz.

“Ernst der Lage nicht erkannt”

Etrans habe insbesondere den Ernst der Lage nicht erkannt und von der italienischen Seite ungenügende Massnahmen verlangt, hiess es bei der Kommission, die ihren Bericht in Brüssel vorstellte.

UCTE-Untersuchungsleiter Frank Vandenberghe sagte, die Schweiz hätte den Blackout verhindern können, wenn sie besser auf den ersten Leitungsausfall um 03.01 Uhr reagiert hätte. Die Zeit bis zum Ausfall der zweiten Leitung am San Bernardino wäre ausreichend gewesen, um die nötigen Massnahmen einzuleiten.

Die Schweizer Verantwortlichen hätten nicht realisiert, dass die Leitung am San Bernardino die Überlastung nur für eine Viertelstunde aushalten konnte.

Sie hätten von GRTN verlangt, den Stromimport um 300 Megawatt (MW) zu drosseln, aber das sei ungenügend gewesen.

“Bericht bestätigt die Schweizer Position”

Die Reduktion von 300 MW sei in solchen Fällen üblich, um das System wieder zu stabilisieren, erklärte Etrans-VR-Präsident von Weissenfluh. Im Nachhinein hätte man aber wohl mehr anfordern sollen.

Die Etrans kritisiert den UCTE-Bericht als einseitig. Dieser fokussiere zu stark auf die Ereignisse in der Schweiz, schreibt sie in einem Communiqué. Etrans sieht vielmehr die eigene Anschauung bestätigt, dass nicht die Schweiz für den Ausfall der Stromversorgung verantwortlich sei.

Der Bericht zeige, dass vermutlich ein Stabilitätsverlust zwischen dem italienischen Netz und dem übrigen UCTE-Netz zum Zusammenbruch führte – und nicht der Ausfall der Schweizer Leitungen. Der Bericht hält aber fest, dass Instabilität und Spannungszusammenbruch in Italien nicht die eigentliche Ursache gewesen seien.

Auch eine zweite Hauptursache für den Blackout in Italien lag laut Zwischenbericht in der Schweiz: Es sei nicht gelungen, die zweite ausgefallene Leitung, die “Lukmanierleitung”, wieder herzustellen.

Millionen Menschen ohne Strom

Beide Stromleitungen von der Schweiz nach Italien waren wegen Lichtbögen von der Leitung auf einen Baum ausgefallen. 57 Mio. Personen in ganz Italien und Teilen Frankreichs blieben ohne Strom.

Bund äussert sich im November

Das Bundesamt für Energie (BFE) wollte sich am Montag nicht zu den Folgerungen der UCTE äussern. Der Bericht sei ein Bestandteil der eigenen Untersuchung, sagte BFE-Abteilungschef Martin Renggli auf Anfrage. Der Bericht des BFE werde voraussichtlich im November veröffentlicht.

swissinfo und Agenturen

Der Zwischenbericht schildert die Ereignisse vom 28. September so:

Um 03.01h fiel die “Lukmanierleitung” bei Brunnen (Schwyz) aus. Das führte zu einer Überlastung der zweiten grossen Transitleitung in Richtung Italien, der “San-Bernardino-Leitung”.

Um 03.11h bat ETRANS GRTN per Telefon, die Stromimporte um 300 Megawatt herunterzufahren, weil Italien zu dieser Zeit bis zu 300 Megawatt mehr einführte als geplant. Bis 03.21h drosselte GRTN die Importe um die verlangte Menge.

Um 03.25h fiel auch die “San-Bernardino-Leitung” aus. Innert 12 Sekunden fielen danach die restlichen Stromleitungen von europäischen Ländern nach Italien aus.

In der Folge schalteten sich verschiedene Kraftwerke in Norditalien ab und machten das “Blackout” unvermeidlich.

An der Untersuchung sind die Netzregulatoren aus Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz und Slowenien vertreten.

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