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In Bern ist der Bär los

bärenpark.ch

Nach beinahe zwei Jahren und einer noch längeren Planungszeit erhalten die Bären von Bern ein neues Zuhause. Und die Bundeshauptstadt hat mit dem neuen Bärenpark, der am Sonntag eröffnet wurde, ein neues, aber teures Wahrzeichen.

Mittwoch, 21. Oktober, 11 Uhr: Einige ältere Damen und Herren, einzelne Familien mit Kindern, eine Gruppe von chinesischen Touristen, bewaffnet mit Fotokameras und teilweise kleinen Feldstechern, stehen auf der Berner Nydeggbrücke und schauen auf den neuen Bärenpark an der Aare hinunter.

Da der neue Bärenpark erst am Sonntag für das Publikum eröffnet wird, kann man noch nicht aus der Nähe beobachten, ob sich etwas im neuen Gehege tut.

“Where bear?” (“wo Bär?”), fragen die chinesischen Touristen die anderen umstehenden Leute aufgeregt. Es ist aber weit und breit kein Bär zu sehen.

Für Tierpark-Direktor Bernd Schildger ist das kein Wunder, denn für Wildtiere gelte in erster Linie das Prinzip Vorsicht, sagt er. Die völlig neue Umgebung verunsichert die vom Tierpark Dälhölzli herkommenden zwei Bären Björk und Finn.

Der erste Erkundungsgang im neuen Park ist für die Tiere wie ein neues Revier, das vielleicht schon von anderen Bären beansprucht sein könnte. Für Schildger “der grösste Schritt, den es für einen Bären überhaupt gibt”.

Der Berner “Schandfleck” ist weg

Die Bären, Wappentier, Werbe- und Sympathieträger der Stadt Bern, sollen es im neuen Bärenpark besser haben als in den letzten gut 150 Jahren. Denn die Haltung der Bären im 1857 eröffneten, 3,5 Meter tiefen Bärengraben war überhaupt nicht tiergerecht.

“Une honte” (“eine Schande”) sei der Berner Bärengraben gewesen, sagt eine ältere Dame aus der Westschweiz auf der Nydegg-Brücke gegenüber swissinfo.ch. Und ihre Kollegin doppelt nach, sie habe sich für die Stadt Bern geschämt. Mit der neuen Anlage sei es jetzt besser: Zwei Anlagen von insgesamt über 10’000 m2 mit Bärenhöhlen und einem Bassin am Aareufer.

Als “Schandfleck” bezeichnet ein jüngerer Mann aus Bern den alten Bärengraben. Die Bären, “am Schluss nur noch der arme, kürzlich verstorbene Pedro”, hätten wie in einem Verlies gehaust.

Sogar ausländische Touristen hätten sich beim Bern Tourismus-Schalter im alten Tramdepot beim Bärengraben beklagt über die nicht artgerechte Anlage, sagt eine Frau.

Früher sei das natürlich noch kein Thema gewesen, erklärt eine ältere Dame, die sich erinnert, wie sie als Kind mit ihren Eltern gerne am Bärengraben die Bären mit Rüebli fütterte. “Und dann tanzten die so herzig, damit sie etwas bekamen.” Aber auch sie ist froh, dass die Bären mit dem neuen Park jetzt ein besseres, tiergerechteres zu Hause haben.

Neuer Tourismus-Magnet?

“Wir erwarten mit dem neuen Bärenpark mehr oder sicherlich gleich viele Touristen wie bis anhin. Bisher hatten wir eine Million Besucher am Bärengraben”, sagt Marcel Graf, Projektleiter Bärenpark bei Bern Tourismus.

“Wir schätzen, dass es tendenziell mehr Touristen sein werden, und sich wahrscheinlich auch deren Aufenthaltszeit rund um den Bärenpark erhöhen wird, weil sie entdecken und beobachten müssen”, so Graf gegenüber swissinfo.ch.

Graf erwartet sowohl viele Schweizer wie auch ausländische Touristen. Schweizer, weil das Thema Bärenpark medial stark präsent war. “Viele wollen sich das vor Ort ansehen. Aber auch im Ausland ist das Medieninteresse am Bärenpark gross.”

Werbung auch im Ausland

In der Schweiz macht Bern Tourismus viel Werbung für den neuen Bärenpark. Unter anderem auch an den Schulen, “wo wir das Lehrmittel ‘Berner Bärenwerkstatt’ initiiert haben”, so Graf.

“Wir werden Ähnliches auch in Deutschland machen, speziell in Berlin, wo die Affinität zum Bären, zur Stadt, zum Wappen wie hier in Bern besteht.”

Bern Tourismus wird ferner mit einer Werbe-Roadshow in Europa touren, im Frühjahr 2010 in Berlin, später aber auch in London und anderen europäischen Städten.

Wichtig bei der Kampagne sei die Sensibilisierung an den Schulen. “Es wird in Deutschland und England grosse Plakatwettbewerbe geben, und wir werden Auftritte in den verschiedenen Zoos haben.”

England ist für Graf wichtig, weil dort die Tierschützer besonders militant seien. Deshalb gelte es, das schlechte Image des alten Bärengrabens mit dem neuen Bärenpark aufzubessern.

Freude durch Mehrkosten nicht getrübt

Dass mitten in einer Stadt wie Bern Bären in einer artgerechten Umgebung leben können, sei wohl weltweit einzigartig, erklärten der Hauptsponsor der Anlage, die Mobiliar-Versicherung, und die Stadt Bern. Eine Aussage, die bereits vor der Eröffnung durch die positiven Reaktionen in den Medien und beim Publikum bestätigt wurde.

Allerdings kam es beim Bau zu massiven Mehrkosten. Das stört viele und gibt viel zu reden. Freude und Stolz der Bundeshauptstadt über den neuen Bärenpark konnten aber dadurch nicht getrübt werden.

Und dem Paar Björk (9) und Finn (4), dem der Park vorläufig ganz allein gehören wird – die beiden russischen, von Präsidentengattin Swetlana Medwedew gesponsorten Jungbären Mischa und Mascha bleiben im Tierpark Dählhölzli -, ist die Kostenfrage sowieso egal. Hauptsache die beiden nordischen Bären können in aller Ruhe ihre neue Grossraumwohnung einrichten.

Jean-Michel Berthoud, swissinfo.ch

Die Beziehung der Stadt Bern zu ihrem Wappentier hat eine sehr lange Tradition. Es soll ein Bär gewesen sein, den der Gründer der Stadt, Herzog Berchtold V. von Zähringen, als erstes Tier hier erlegt hat und dem die neue Stadt damit der Legende nach ihren Namen verdankt.

Der bernische Chronist Valerius Anshelm berichtet im Jahre 1513, wie die siegreich aus der Schlacht von Novara heimkehrenden Berner mit den eroberten Fahnen auch einen lebenden Bären als Kriegsbeute in ihrem Triumphzug mitführten. Er wurde im Stadtgraben vor dem Käfigturm gehalten.

Auf dem heute noch so benannten Bärenplatz blieb der erste Bärengraben, bis er 1764 dem Verkehr weichen und vor die Tore der Stadt verlegt werden musste (Schanzengraben beim Bollwerk).

Der heutige Bärengraben, der jetzt durch den neuen Bärenpark ersetzt wird, wurde am 27. Mai 1857 eröffnet. Die Tradition der Grabenhaltung blieb bestehen. Sie stand symbolisch für den Sieg und die Herrschaft der Menschen über das wilde Tier. 12 und mehr Bären wurden zeitweise im 3,5 Meter tiefen Graben gehalten.

Statt der ursprünglichen 9,7 oder der später budgetierten 14,5 Mio. Franken kostet der neue Bärenpark nun bis zu rund 24 Mio.

Die Regierung der Stadt Bern verlangt eine lückenlose Aufklärung, wie es zu dieser Kostenexplosion kommen konnte.

Diejenigen, die Fehler gemacht hätten, würden Konsequenzen zu tragen haben, heisst es.

Als Grund der Mehrkosten wurden Probleme mit dem geologisch schwierigen Hang am Aareufer genannt, an dem die Anlage gebaut wurde.

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