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Indizien und Beweise gegen die CIA

Indizien, fast so stark wie Bewise: Dick Marty an der Pressekonferenz in Strassburg vom Dienstag. Keystone

Für den Schweizer Ermittler Dick Marty ist erwiesen, dass der US-Geheimdienst CIA in Europa Menschen entführt hat, um sie in anderen Länder zu verhören.

Keine “formellen Beweise” gibt es für die Existenz von geheimen CIA-Gefängnissen in Europa, schrieb Marty in seinem Zwischenbericht.

Knapp drei Monate nach Beginn seiner Untersuchungen hat der Schweizer Europarat-Ermittler Dick Marty keine Beweise für die Existenz von vermuteten CIA-Geheimgefängnisse in Europa gefunden..

Der Parlamentarier aus dem Kanton Tessin wurde mit der Ermittlung betraut, weil er Präsident des Rechts-Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ist. Marty hatte sich zudem in den 1980er-Jahren einen Namen als unerbittlicher Staatsanwalt des Kantons Tessin gemacht.

“Im Moment gibt es keine formalen, unwiderlegbaren Beweise für die Existenz geheimer Gefängnisse in Rumänien, Polen oder anderen Ländern”, schrieb Marty im zweiten Untersuchungsbericht, den er am Dienstag im Straßburger Europarat vorgelegt hat.

US-Quellen

Dagegen liegen ihm Belege für die Entführungen mehrerer Personen vor. Diese waren von der CIA im Zusammenhang mit islamistischen Terroraktivitäten verhaftet worden. In der Untersuchung zitierte Marty Aussagen von US-Stellen und weiteren Offiziellen. Er sprach von kohärenten Belegen, welche auf die Existenz eines Systems der Verlegung und der Auslagerung von Folter hinweise.

So erwähnte er den Fall des islamischen geistlichen Abu Omar, der von der CIA in Italien verhaftet und nach Ägypten verschleppt worden war. Bekannt ist auch die Entführung des Deutschen Khaled El Masri nach Afghanistan.

Gemäss seinen Erkenntnissen habe der amerikanische Geheimdienst CIA insgesamt über hundert Häftlinge in Europa festgenommen und in Länder gebracht, wo sie gefoltert wurden.

Klare Indizienlage

“Die Indizienkette ist derart dicht, dass man handeln muss. Aber nur die Regierungen können Licht in die Sache bringen”, erklärte Marty in der Schweizer Zeitung Le Temps vom Dienstag.

Mit seinen Ermittlungen will Marty den Druck auf die Mitglieder des Europarats erhöhen. “Der Europarat steht für Prinzipien, die einige Länder ohne Skrupel aufzugeben bereit sind”, hielt der Tessiner Ständerat fest.

Denn es sei sehr unwahrscheinlich, dass europäische Regierungen oder zumindest deren Geheimdienste von den “Überführungen” nichts gewusst hätten, so Marty.

Klartext gegenüber USA

Im Hinblick auf die Vereinigten Staaten sprach der Ermittler Klartext: “Wir wollen die USA nicht verurteilen, aber wir müssen ihnen eine klare Botschaft übermitteln: Wir wollen in Europa keine illegalen Aktivitäten!”

Marty erklärte weiter, dass im November geheime Gefängnisse geschlossen worden seien, dies nur wenige Stunden nach Bekanntgabe seiner Ermittlungstätigkeit.

Er wertet dies als eine positive Folge der Untersuchung. “Wenn diese jetzt noch die Zivilgesellschaft auf den Plan ruft, umso besser. Von einem bestimmten Punkt an werden sich die Regierungen nicht mehr vor ihrer Verantwortung drücken können”, zeigte sich der Ermittler überzeugt.

Was ist Folter?

Marty hatte am 13. Januar gegenüber swissinfo auf die Problematik der Definition von Folter hingewiesen. “Die amerikanische Aussenministerin Condoleeza Rice erklärte, dass niemand entführt worden sei, um gefoltert zu werden. Dabei hat sie aber nicht gesagt, dass die Definition der US-Regierung von Folter vom internationalen Standard abweicht.”

Gemäss US-Auffassung sei Folter nur dann der Fall, wenn ein dauerhafter körperlicher Schaden zurück bleibe, präzisierte Marty. Keine Folter sei es dagegen, beispielsweise den Kopf eines Menschen unter Wasser zu tauchen, bis dieser bewusstlos werde.

swissinfo und Agenturen

Der Schweizer Ständerat Dick Marty ist Präsident des Rechts-Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.
Er ermittelt auch im Fall der “geheimen Gefängnisse der CIA” in Osteureopa.
Anfang Januar hat ein Artikel im SonntagsBlick enthüllt, dass der Schweizer Geheimdienst einen Fax aus Ägypten abgefangen habe, welches die Existenz solcher Gefängnisse bestätige.

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