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Das internationale Genf im Wandel

Genf ist das europäische Zentrum für internationale Organisationen, Initiativen und Diplomatie. Doch der Multilateralismus steht unter Druck, und die Covid-19-Pandemie führte dazu, dass die Sitzungen online statt in Genf stattfanden. Gerade als die Pandemiemassnahmen aufgehoben wurden, kam eine neue Krise: Russlands Krieg in der Ukraine.

Während die Pandemie vor allem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den Vordergrund rückte, hat der Krieg in der Ukraine die Aufmerksamkeit auf Menschenrechte und humanitäre Fragen gelenkt. In Genf gibt es viele internationale Organisationen, die sich mit verschiedenen Aspekten dieser Themen befassen, nicht zuletzt der UN-Menschenrechtsrat. 

Nach zwei Jahren virtueller Konferenzen waren Diplomat:innen und Journalist:innen bei der Ratssitzung, die am 28. Februar eröffnet wurde, wieder persönlich anwesend. Viele Diplomat:innen nutzten die Sitzung, um ein deutliches Signal zu senden: Während der Rede des russischen Aussenministers Sergej Lawrow verliessen sie demonstrativ den Saal.

Wenige Tage später, am 4. März, unterstützte der Rat mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, in der die russische Invasion verurteilt und eine Untersuchungskommission zu Verstössen gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht in der Ukraine eingesetzt wurde.

Die Abstimmung in der UN-Vollversammlung in New York am 7. April über die Suspendierung Russlands vom Menschenrechtsrat war jedoch eher «ambivalent», wie es ein Experte gegenüber swissinfo.ch ausdrückte:

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Angesichts der Flüchtlings- und der humanitären Krise in der Ukraine haben UN-Organisationen wie das in Genf ansässige Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das Welternährungsprogramm alle Hände voll zu tun, um Hilfe zu leisten. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die bekannteste Schweizer Nichtregierungs-Organisation, die ebenfalls in Genf ansässig ist, arbeitet intensiv in der Ukraine und versucht, potenziell schädliche Propaganda abzuwehren:

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Doch auch wenn die Augen auf die Ukraine gerichtet sind, ist die Covid-19-Pandemie noch nicht vorbei. Und selbst wenn die Welt lernt, mit dem Virus zu leben, will die WHO ihre Lehren daraus ziehen. Auf einer Sondertagung im Dezember 2021 verpflichteten sich die WHO-Mitgliedstaaten, Gespräche über einen neuen globalen Vertrag aufzunehmen, um künftige Pandemien besser bewältigen zu können.

Die WHO wurde 1948 mit den Zielen gegründet, für alle Menschen das höchstmögliche Gesundheitsniveau zu erreichen, gemeinsame Standards festzulegen und die Reaktion der Welt auf gesundheitliche Notfälle zu koordinieren.

Die WHO im Video kurz erklärt:

Welthandelsorganisation und Impfstoffe

Die WTO ist eine weitere in Genf ansässige Institution, die während der Pandemie im Zentrum des Interesses stand. Eine der kontroversesten Debatten der letzten Zeit drehte sich um die Frage der ungleichen Verteilung von Impfstoffen. Es bleibt abzuwarten, ob der Streit um den Verzicht auf Patente für Impfstoffe in Notfällen auf der für Juni in Genf anberaumten Ministertagung beigelegt werden kann.

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Ein «fruchtbares Ökosystem»

Genf beherbergt nicht nur den europäischen Sitz der Vereinten Nationen (UNO) und mehr als 40 internationale Organisationen, sondern auch über 700 Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Forschungsinstitute und 177 diplomatische Vertretungen.

In jüngster Zeit haben sich ihnen Teams von Ermittler:innen und Expert:innen der internationalen Justiz angeschlossen. Sie sind bei der UNO angesiedelt, um Beweise zu sammeln und zu sichern und mögliche künftige Strafverfahren wegen schwerer internationaler Verbrechen in Syrien, Myanmar und Sri Lanka vorzubereiten.

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Die Fülle an internationalen Regierungsstellen, NGOs und akademischen Einrichtungen im internationalen Genf schafft ein «fruchtbares Ökosystem» für internationale Forschung und Entscheidungsfindung. Während einige NGOs und sogar die UNO von den Auswirkungen der Pandemie bedroht sind, unterstützt die Schweizer Regierung neue, zukunftsweisende Genfer Plattformen wie die Swiss Digital Initiative und den Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA), der sich im «Biotech Campus» befindet, der voller zukunftsweisender Startups ist.

GESDA hat im Oktober 2021 seinen ersten Gipfel abgehalten und seine Arbeit zum ersten Mal öffentlich vorgestellt:

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A scientists works in a lab.

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Ein Blick in die Zukunft zum Wohl der Menschheit

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Eine Genfer Stiftung präsentiert ein Instrument, das die erwartbaren Erfindungen der Zukunft darstellt. Es ist eine Art Kompass für die Politik.

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Digitale Diplomatie im Zeitalter der Pandemie

Im Palais des Nations, dem europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf, herrscht traditionell reges Treiben auf den Fluren und in den Konferenzräumen, die mit Delegierten und Pressevertretern aus aller Welt gefüllt sind. Doch während des ersten Halbkongresses in der Schweiz im Frühjahr 2020 wurde er zu einem «Palast ohne Nationen».

Auch wenn inzwischen eine «neue Normalität» zurückgekehrt ist, werden viele UN-Aktivitäten noch immer zumindest teilweise online durchgeführt. Die künftigen Arbeitsweisen der internationalen Organisationen in Genf könnten sich durch die Pandemie nachhaltig geändert haben.

Der finanzielle Druck ist für die Genfer Organisationen ein weiteres grosses Problem. Dieses wurde durch die Corona-Pandemie, welche die Grenzen des multilateralen Systems auf die Probe gestellt hat, noch verstärkt.

Langfristig mag der Trend dahin gehen, dass die grossen internationalen Organisationen bestimmte Ressourcen vor Ort oder an billigere Standorte verlagern. Aber obwohl Genf ein sehr teures Pflaster ist, bleibt die Anziehungskraft der Rhonestadt aus anderen Gründen stark. Einer davon ist, dass Geberinnen, Entscheidungsträger und Expertinnen in grosser Zahl schon vor Ort sind. «Solange die UNO und das internationale System für die Zivilgesellschaft offen sind, gibt es hier in Genf eine Sogwirkung», sagt Julien Beauvallet, Leiter des NGO-Dienstes des International Geneva Welcome Centre (CAGI).

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