Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Italienisch verliert an Bedeutung

Risotto-Essen in Ascona - vielleicht könnte die italienische Sprache über die Kochkunst wieder populärer werden? Keystone

Die Zahl der Italienischsprachigen in der Schweiz ist rückläufig, wie die Daten der jüngsten Volkszählung zeigen.

Das Tessin befürchtet, Italienisch könnte von einer Landessprache zu einer Kantonalsprache abfallen. Intellektuelle fordern Gegenmassnahmen.

Die italienische Sprache ist zwar die dritte Landessprache, doch sie verliert in der Schweiz zusehends an Terrain. Selbst in Basel oder Zürich, den einstigen Hochburgen des Italienischen in der Deutschschweiz, ist dieses Idiom immer seltener zu hören.

Vorbei die Zeiten, als auf Schweizer Baustellen das Italienische zur Verständigung zwischen den Gastarbeiter-Gruppen unterschiedlicher Herkunft aus Südeuropa benutzt wurde.

Die Gründe für diese Entwicklung: Viele einstige Immigranten aus Italien sind nach der Pension in ihrer Heimat zurückgekehrt, die zweite und dritte Generation hat sich integriert und sprachlich dem jeweiligen Landesteil angepasst.

Gleichzeitig geht die Aufmerksamkeit, die man der italienischen Sprache widmet, kontinuierlich zurück. Bei der Landesausstellung Expo02 entbehrten viele Ausstellungen italienischer Beschriftungen. Die Internet-Homepage des Schweizerischen Nationalfonds (www.snf.ch) gibt es auf Deutsch, Französisch und…..Englisch. Italiano, no grazie!

Volkszählung zeigt Trend auf

Die Statistiken belegen, dass Italienisch in der Eidgenossenschaft auf der Verliererseite steht. Gemäss Volkszählung 2000 gaben noch 6,5% der Gesamtbevölkerung Italienisch als ihre Hauptsprache an, das heisst als diejenige Sprache, in der man denkt oder die man am besten beherrscht. 1990 Jahre lag der Anteil noch bei 7,6%, 1980 sogar bei 9,8%.

In absoluten Zahlen bedeutet dies einen Verlust von zirka 70’000 italienischsprachigen Personen in der deutschen und französischen Schweiz in der vergangenen Dekade. Im Gegenzug hat das Tessin als italienischsprachiger Kanton einen Zuwachs von 20’000 Personen verzeichnet.

“Die italienische Sprache erfreut sich in ihren traditionellen Verbreitungsgebieten, das heisst im Tessin und in ihren angrenzenden italienisch-bündnerischen Tälern Calanca und Misox bester Gesundheit”, analysiert der Tessiner Linguist Alessio Petralli. “Hingegen befindet sie sich in der deutschen und französischen Schweiz in Schwierigkeiten.”

Italienische Schweiz besorgt

Wenn Italienisch gesamtschweizerisch an Bedeutung verliert, wird auch das Gewicht der italienischsprachigen Schweiz im föderativen Staat geringer. Es verwundert daher nicht, dass sich Intellektuelle, Kultur- und Medienschaffende sowie Politiker im Tessin über das Jahr 2003 wiederholt und mit grosser Sorge mit dieser Entwicklung beschäftigt haben.

Der Verband italienischsprachiger Schriftsteller in der Schweiz (Asis) fragte sich sogar, ob Italienisch überhaupt noch als Landessprache bezeichnet werden kann. In öffentlichen Seminaren, Radiosendungen und Forumsbeiträgen wurde vor allem der Kanton Tessin und das zuständige Erziehungs- und Kulturdepartement aufgefordert, einen Beitrag zur Förderung des Italienischen in der Schweiz zu leisten.

Allerdings muss diese Aufforderung mit dem in der Schweiz gültigen Territorialprinzip für die Sprachen in Einklang gebracht werden.

Für den in St. Gallen lehrenden Literaturwissenschafter Renato Martinoni stellt die Abnahme an italienischen Muttersprachlern in der deutschen Schweiz eine unumkehrbare Entwicklung dar. Seiner Meinung nach müssten der Kanton Tessin, aber auch andere Institutionen, deshalb mehr tun, um potentiell Interessierte für diese Sprache zu begeistern.

Linguist Petralli sieht in dieser Hinsicht eigentlich günstige Voraussetzungen. Das Italienisch habe genügend positive Attribute und werde mit vielen schönen Dingen des Lebens verknüpft, wie Musik, Kunst , Design und natürlich mit der Kochkunst. Man müsse diese Trümpfe nur besser ausspielen.

Zwei wichtige Gesetze

Zwei Instrumente werden für die Zukunft des Italienischen in der Eidgenossenschaft eine grosse Rolle spielen: Das neue Radio- und Fernsehgesetz sowie das neue eidgenössische Sprachengesetz.

Zwar ist der Bund gemäss dem 1996 vom Volk gut geheissenen Sprachenartikel in der Bundesverfassung dazu verpflichtet, die Kantone Tessin und Graubünden bei den Bemühungen um die Pflege des Italienischen zu unterstützen.

Doch erst das Sprachengesetz wird diesen Verfassungsauftrag konkret umsetzen, beispielsweise durch finanzielle Hilfen für Kantone, die den Erwerb einer dritten Landessprache in der Schule fördern. Dies könnte für die Romandie und die deutsche Schweiz ein Anreiz sein, in den Schulen mehr fürs Italienische zu tun.

Auch den Massenmedien, insbesondere dem Schweizer Radio und Fernsehen italienischer Sprache (RTSI), kommt eine wichtige Bedeutung zu. Das Fernsehen TSI erreicht täglich im Durchschnitt mehr Zuschauer in der deutschen Schweiz als in der italienischen Schweiz. Dies zeigt immerhin das grosse Potential an Italienisch-Liebhabern oltre Gottardo auf.

swissinfo, Gerhard Lob

Italienisch ist neben Deutsch und Französisch die dritte Landessprache der Schweiz. Doch ihr Gewicht wird immer geringer. Die jüngste Volkszählung zeigt, dass nur noch 6,5% der in der Schweiz lebenden Personen Italienisch als Hauptsprache angeben. 1980 waren es noch knapp 10%.
Diese Entwicklung zeigt einerseits die (positive) linguistische Integration der Zwei- und Drittgeneration in der Schweiz auf. Andererseits befürchten Italienischsprachige der Schweiz, dass Italienisch von einer Landessprache zu einer Kantonalsprache abgedrängt werden könnte. Gewisse Entwicklungen wie die Aufgabe des Lehrstuhls für italienische Sprache und Literatur an der ETH Zürich werden von der italienischen Schweiz negativ bewertet.

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