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Kampf gegen Aids: Schweiz an vorderster Front dabei

Gemäss UNAids sind 2005 in Afrika südlich der Sahara rund zwei Millionen Menschen an Aids gestorben. Keystone

Fachleute aus der ganzen Welt treffen sich an der Weltaids-Konferenz in Toronto, um über die Intensivierung des Kampfs gegen HIV/Aids zu beraten. Dabei sind auch 40 Experten aus der Schweiz.

Das Motto “Zeit zum Handeln” drückt das verbreitete Gefühl der Dringlichkeit, aber auch Frustration angesichts des Tempos der gegenwärtigen Bemühungen aus.

Fast genau 25 Jahre nach dem ersten wissenschaftlichen Bericht über das Aidsvirus HIV beginnt am Sonntag im kanadischen Toronto die 16. Weltaids-Konferenz.

Insgesamt versammeln sich an der 16. Ausgabe der Tagung nicht weniger als 24’000 Wissenschafter, Gesundheits-Experten, Aktivisten, Politiker und Menschen mit HIV/Aids. Der Anlass dauert sechs Tage.

“Es ist die grösste und wichtigste Konferenz über HIV/Aids”, sagt Roger Staub gegenüber swissinfo. Der Leiter der Sektion Aids im Bundesamt für Gesundheit führt die Schweizer Delegation in Kanada an.

Verlangsamt, aber nicht im Griff

Im Mai gaben die Vereinten Nationen (UNO) bekannt, dass sich die Neuinfektionen weltweit verlangsamten. Rund 40 Mio. Menschen sind mit HIV/Aids infiziert. Für den Kampf gegen die Krankheit veranschlagt die UNO fürs Jahr 2008 über 24 Mrd. Franken.

Staub sieht zwar einen Hoffnungsschimmer, was den langfristigen Kampf gegen die Pandemie betrifft. Den “Überhand nehmenden” Einfluss der USA auf die Politik gegen Aids beurteilt er aber kritisch.

Wer zahlt, befiehlt

“Es geht nur schleppend voran. Viele Länder haben bessere Behandlungen entwickelt. Bei der Prävention aber mussten wir wegen des dominanten Einflusses der USA schon mehrere Male zurückstecken”, erklärt Staub.

Statt der Strategie “Kondome, Spritzen und Verhandlungen” würden viele Länder die so genannte ABC-Politik der USA übernehmen. ABC steht für Abstinence, Being faithful and using a Condom only when needed, also Abstinenz, Vertrauen und Kondome nur, wenn absolute dringlich.

“Will man aber das Geld aus den USA, muss man die ABC-Politik übernehmen, obwohl das laut breitem Konsens kein guter Ansatz ist”, bedauert Staub.

Erfahrungen weitergeben

In Toronto gilt das Interesse der Schweizer Delegation vor allem den Fortschritten auf allen wissenschaftlichen Gebieten. “Wir wollen aber auch unsere Erfahrungen in der Prävention und Behandlung weitergeben, denn diesbezüglich hat die Schweiz einen sehr guten Ruf”, sagt Staub weiter.

Gemäss Thomas Lyssy, Sprecher der Aidshilfe Schweiz, ist die Organisation eingeladen, ihre drei Kampagnen Rechtliche Beratung im Zusammenhang mit HIV, HIV und Arbeit sowie Partydrogen und die Ansteckung mit Aids vorzustellen.

Sorglosigkeit?

Die Schweizer Delegation hält in Kanada auch Ausschau nach neuen Wegen, homo- und bisexuelle Männer zu erreichen. Denn im Mai schlug das BAG Alarm, dass die Infektionsrate dieser Gruppe im letzten Jahr um 34% zugenommen hatte, während diejenige der Heterosexuellen und Drogenabhängigen gesunken war.

Die Aidshilfe ist über diesen Trend äusserst beunruhigt und plant für den Herbst neue Kampagnen, die vor allem Besucher von Saunas und Clubs zum Ziel haben.

“Wir wollen dieser Szene die Botschaft vermitteln, dass HIV immer noch ein Problem ist und dass alle für ihre Gesundheit selber verantwortlich sind”, erklärt Lyssy. Deshalb sei es wichtig, die Grundsätze des Safer Sex zu beachten und sich zu schützen.

Das BAG denkt auch darüber nach, dass Betreiber von einschlägigen Lokalen obligatorische Kurse über die Aids-Prävention besuchen müssen.

“Wir dürfen die Homosexuellen und die jungen Menschen nicht vergessen. Wenn wir jetzt die Prävention vernachlässigen, haben wir in der nächsten Generation ein Problem”, sagt Lyssy.

swissinfo, Simon Bradley
(Übersetzung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Von den über 38 Millionen Menschen, die 2005 mit HIV lebten, sind 2,8 Millionen gestorben. Die meisten in Afrika südlich der Sahara, wo Nahrungsmittellieferungen spärlich und Gesundheitssysteme schwach sind.

Seit Juni 1981 haben sich weltweit 65 Millionen Menschen mit Aids angesteckt und 25 Millionen sind daran gestorben.

Das UNO-Programm gegen Aids, UNAids, schätzt, dass letztes Jahr rund 8,3 Mrd. Dollar für Behandlung, Prävention und Betreuung von Waisenkindern in Entwicklungsländern ausgegeben wurden.

Gemäss Aids-Hilfe Schweiz leben über 20’000 Männer und Frauen mit HIV/Aids in der Schweiz. Jeden Tag werden zwei Menschen HIV-positiv diagnostiziert.

Die 16. Internationale Aids-Konferenz findet vom 13. bis 18. August 2006 in Toronto, Kanada, statt.
Über 24’000 Delegierte aus 132 Ländern werden erwartet.
Darunter sind Betroffene, Forscher, Ärzte, Politiker und Prominente.
Wissenschafter aus aller Welt werden über 4500 Arbeiten zum Thema präsentieren.

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