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Stop Aids: Nackt auf den Punkt gebracht

Fechten oder Hockeyspiel: Nackt heisst schutzlos. Deshalb braucht es Schutz . . . Swiss Aids Federation

Die jüngste Anti-Aids-Kampagne zeigt Leute in gefährlichen Situationen - völlig nackt und schutzlos. Sie läuft unter dem Logo "No action without protection".

Die zweite “Love Life – Stop Aids”-Kampagne wurde am Dienstag lanciert. Auch sie arbeitet mit Humor. Ernst jedoch sind die Aids-Statistiken.

Die Präventions-Kampagne 2006 gegen Aids zeigt Fechterinnen, Eishockey-Spieler, Motorrad-Rennfahrer und viel nackte Haut. Ohne ihre üblichen Schutzanzüge sehen sie – die keine richtigen Sportler sind – ziemlich verwundbar aus.

“Wir wollten Situationen aufzeigen, wo es als normal und üblich erachtet wird, sich zu schützen – um diese Logik auf das Liebesleben zu übertragen”, sagt der Chef der Aids-Sektion des Bundesamtes für Gesundheit, Roger Staub, gegenüber swissinfo.

Laut Staub sind mit diesen Sportlern keine eigentlichen Zielgruppen anvisiert: “Es geht um eine an alle gerichtete Kampagne bezüglich Sexualverkehr. Es geht nicht um die Frage, wer mit wem schläft.”

“Wir sagen nur jedem und jeder, dass man dies wie beim Fechten oder beim Hockeyspiel auch nicht nackt tut, sondern dass es Kondome braucht – wo immer man auch Liebe macht.”

Sponsoren der Kampagne sind das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Aids-Hilfe-Schweiz. Mit dem 2-Millionen-Budget, jedes Jahr ungefähr in der gleichen Höhe, wird die Botschaft der Kampagne über Fernsehen, Radio, Kino sowie über Poster und die Love-Life-Website unter die Leute gebracht.

Infektionsstudien

Am Dienstag publizierte das BAG auch eine Infektions-Jahresstudie des St. Galler Kantonspitals. In St. Gallen interviewte man ein Total von 708 Personen, bei denen ab 1. Juli 2005 eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde.

Ziel der Befragungen war, Trends zu sichten, wo und wann sich die Leute anstecken, was die Herausforderungen an die Gesundheits-Behörden sind und wo man besten mit landesweiten Massnahmen ansetzt.

Laut Studie wissen vier von fünf Leuten, wo sie sich die Infektion holten, und fast die Hälfte weiss auch, wann dies der Fall war.

Beinahe die Hälfte aller Heterosexuellen, die über den Zeitpunkt ihrer Ansteckung Bescheid wissen, sind von einem längerfristigen Partner infiziert worden.

Homosexuelle Ansteckungen 2005: +34%

Beinahe die Hälfte der heterosexuellen Ansteckungen erfolgten im Ausland, ein Drittel im Inland. Der Rest ist unbekannt.

Insgesamt nimmt die Anzahl der Neuinfektionen via heterosexuellen Verkehr und via Drogen-Injektionen langsam ab. Doch ist es 2005 bei homosexuellen Männern zu einem Zuwachs von 34% gekommen.

Keine generelle Epidemie

Dass die Love-Life-Kampagne nicht wirke, bestreitet Staub. “Einer HIV-Epidemie in der generellen Bevölkerung, wie sie in einigen Ländern Afrikas herrscht, konnte in der Schweiz in den letzten 20 Jahren vorgebeugt werden”, sagt er. Das sei schon eine Erfolgs-Geschichte.

Doch innerhalb der homosexuellen männlichen Bevölkerung herrschten “afrikanische Zustände”: Treffe heute ein Homosexueller einen anderen, sei das Risiko, dass er sich bei diesem den HI-Virus hole, bereits höher als 10%!

“Deshalb führt bereits ein leichtes Nachlassen im Schutzverhalten zu Neuinfektionen”, sagt Staub. “Und das dürfte zur Situation geführt haben, in der wir uns zur Zeit befinden.”

Laut Studie wusste die Mehrzahl der Neuangesteckten von der Krankheit ihrer Partner – und dennoch machten 20% ungeschützte Liebe. In solchen Fällen, muss Staub zugeben, sei auch der Staat machtlos.

“In der Gesellschaft, in der wir leben, kann man sich umbringen, wenn man will”, sagt Staub. “Offensichtlich gibt es Leute, die sich nicht darum kümmern.” Da bleibe nur die Aufgabe, sich Gedanken zu machen, wie homosexuellen Männern das Bild der wirklichen Aids-Krankheit vor Augen zu führen sei.

swissinfo, Thomas Stephens
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die zweite “Love Life – Stop Aids”-Präventions-Kampagne lanciert.

Das Motto heisst: “No action without protection”.

Illustriert wird sie von Fechterinnen, Hockeyspielern und Motorradfahrern – alle splitternackt. Ein Körper-Schutz wäre angesichts des Verletzungs-Risikos angezeigt.

Wie die letztjährige Kampagne, die die Schauspielerin Renée Zellweger und Marc Forster zeigte, setzt auch die diesjährige auf das Thema der Lebensfreude.

Zwischen 1983 und 2005 wurden in der Schweiz 8251 Aids-Fälle gemeldet (234 in 2005, 298 in 2004).

5622 Personen sind bereits an Aids gestorben.

Weltweit sind wahrscheinlich 25 Mio. Menschen an Aids gestorben, und schätzungsweise 40 Millionen leben mit dem HI-Virus.

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