Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Kampf gegen die Beschneidung von Mädchen

2004 lancierten somalische Frauen die erste nationale Kampagne gegen Mädchen-Beschneidung. Keystone

In der Schweiz leben über 7000 Frauen, deren Genitalien verstümmelt wurden. Nach einem Gutachten ist die Mädchen-Beschneidung hierzulande strafbar.

Das Kinderhilfswerk Unicef, das das Gutachten in Auftrag gab, will in der Schweiz gegen die Genital-Verstümmelung mobilisieren.

In der Schweiz leben gemäss Erhebungen des Kinderhilfswerks Unicef schätzungsweise 7000 an ihren Geschlechtsorganen verstümmelte Mädchen und Frauen. Am häufigsten betroffen seien Migrantinnen aus Somalia, Äthiopien und Eritrea, teilt Unicef Schweiz mit.

Alarmierende Zahlen

Eine Umfrage bei 1800 Vertretern aus dem medizinischen und sozialen Sektor in der Schweiz im Jahr 2004 habe gezeigt, dass 61% der befragten Gynäkologen und 38% der Hebammen schon mit beschnittenen Migrantinnen konfrontiert worden seien.

203 der Befragten hätten schon von Fällen gehört, bei denen ein Mädchen in der Schweiz beschnitten worden sei. Zwei Hebammen, drei Gynäkologen und ein Kinderarzt wurden laut Unicef sogar selber gebeten, eine Beschneidung an einem Mädchen oder einer Frau durchzuführen. Und ein Viertel der Gynäkologen seien gebeten worden, eine Frau nach der Niederkunft wieder zuzunähen.

Es gebe Hinweise darauf, dass Ärzte aus dem Ausland in die Schweiz einreisen, um die Verstümmelung durchzuführen.

Schwere Körperverletzung

Eine weibliche Genital-Verstümmelung ist in der Schweiz strafbar. Ein Rechtsgutachten von Stefan Trechsel, emeritierter Zürcher Strafrechts-Professor und früherer Präsident der Europäischen Menschenrechts-Kommission, und der Juristin Regula Schlauri kommt zum Schluss, dass Mädchen-Beschneidung den Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt, sofern es um mehr als einen harmlosen Einschnitt in die Vorhaut der Klitoris geht.

Strafbar machen sich Personen, die eine Beschneidung vornehmen, und jene, die eine solche veranlassen. Also auch Eltern, die ihre Töchter für das Ritual in die Heimat schicken. Gemäss der Europäischen Menschenrechts-Konvention ist der Schutz der Mädchen vor Beschneidung eine Pflicht. Damit dürfen Mädchen oder Frauen nicht in ein Land ausgewiesen werden, wo eine weibliche Geschlechts-Verstümmelung droht.

Werden Gynäkologen darum gebeten, eine Frau nach der Niederkunft wieder zuzunähen (eine so genannte Refibulation), liegt bei diesem Eingriff eine einfache Körperverletzung vor. Das entscheidende Merkmal einer schweren Körperverletzung fehlt, weil die Klitoris bereits entfernt ist und Refibulation rückgängig gemacht werden kann.

Medizinisches Personal verunsichert

Mit der Umfrage und dem Rechtsgutachten will Unicef Schweiz Grundlagen für eine verbesserte Information über die weibliche Genital-Verstümmelung schaffen.

Die Umfrage bei dem medizinischen Personal habe grossen Informations-Bedarf aufgezeigt. 60 bis 80% der Studienteilnehmenden aus dem medizinischen Bereich hätten weitere Informationen zur Rechtslage und zu medizinischen Richtlinien gewünscht.

Unicef hat sich zum Ziel gesetzt, die Mädchen-Beschneidung innerhalb der nächsten zehn Jahre zu bannen.

swissinfo und Agenturen

1799 Vertreter aus dem medizinischen und sozialen Sektor haben an der Unicef-Umfrage teilgenommen.

Davon haben 518 Personen mit beschnittenen Frauen zu tun gehabt.

203 Personen haben schon von Fällen gehört, bei denen ein Mädchen in der Schweiz beschnitten worden sei.

Zwei Hebammen, drei Gynäkologen und ein Kinderarzt wurden sogar selber gebeten, eine Beschneidung an einem Mädchen oder einer Frau durchzuführen.

Weltweit sind über 130 Mio. Frauen und Mädchen beschnitten.

In der Schweiz leben rund 7000 Frauen mit verstümmelten Genitalien.

Gemäss der Europäischen Menschenrechts-Kommission ist der Schutz von Mädchen vor der Beschneidung eine Pflicht.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft