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Kampf gegen organisierte Kriminalität abgeflaut

Der Terrorismus, wie hier in London, interessiert die Regierungen mehr als das organisierte Verbrechen. Keystone

Das zweite Genfer Forum über organisierte Kriminalität befürchtet, dass die Verbrechens-Bekämpfung wegen des Kampfes gegen Terrorismus vernachlässigt wird.

In ihrem “Krieg gegen den Terror” arbeiten einige Regierungen laut Experten mit kriminellen Organisationen zusammen.

Am Donnerstag treffen sich 17 Experten für organisierte Kriminalität zu einem zweitägigen Forum in Genf. Unter den Teilnehmern befinden sich auch Vertreter von Europol und der italienischen parlamentarischen Kommission, die sich mit der Bekämpfung der Mafia beschäftigt.

Schwerpunktthemen der zweitägigen Konferenz sind die Netzwerke der Mafia in Kalabrien, der ‘Ndrangheta, die Folgen von organisierter Kriminalität im Wirtschaftssektor und die jüngsten Entwicklungen in der Finanzierung des internationalen Terrorismus.

“Für diejenigen, die organisiertes Verbrechen bekämpfen, ist die Situation sehr komplex geworden”, sagt Nicolas Giannakopoulos gegenüber swissinfo.

Die Fortschritte in der Verbrechens-Bekämpfung hätten nach den 1990er-Jahren stagniert, so der Präsident der Beobachtungsstelle für Organisiertes Verbrechen (OCO) in Genf weiter. “Das Interesse, organisiertes Verbrechen zu verfolgen, ist gesunken. Man kümmert sich stattdessen eher darum, wie kriminelle Gruppen in den Kampf gegen Terrorismus eingespannt werden könnten.”

Kriminelle Gruppierungen

Laut Giannakopoulos hat der seit dem 11. September 2001 massiv verstärkte Kampf gegen Terrorismus den kriminellen Organisationen ermöglicht, sich massiv auszubreiten und zu dezentralisieren.

Die Kontrolle hätten aber immer noch traditionelle Gruppierungen, wie die italienische, mexikanische, kolumbianische, chinesische und japanische Mafias. Mehr und mehr gebe es jedoch auch kleinere Organisationen, die “die Dreckarbeit erledigen”. Dies erschwere den Behörden die Identifikation der Drahtzieher.

Darüber hinaus seien kriminelle Banden aus Brasilien, Nigeria, Sierra Leone, dem Kongo, Taiwan, Korea, Vietnam und Indien mächtiger geworden.

“Der Ansatz der Staatsbehörden bei der Bekämpfung von organisiertem Verbrechen ist zurzeit nicht klar. Einmal arbeiten sie mit Kriminellen zusammen, dann wiederum bekämpfen sie sie. Das ist eine Einladung zu Misswirtschaft und zu Korruption.”

Finanzierung von Terrorismus

Eines der Hauptthemen des Forums wird die Terrorismus-Finanzierung sein. Zwar sei es gelungen, die Geldflüsse zu militanten Organisationen einzudämmen, sagt Marc Chesney, Professor am Schweizerischen Bankeninstitut der Universität Zürich. Nun müssten aber auch die Finanzmärkte überwacht werden.

Chesney wird in Genf über das ungewöhnliche Verhalten an der New Yorker Börse am Vorabend des 11. Septembers 2001 sprechen. Seine Beobachtungen sollen zeigen, dass es an den Finanzmärkten im Gegensatz zum Bankensektor, der weitgehend reguliert worden sei, noch zu wenig Transparenz und Rechenschafts-Pflichten gebe.

“Es ist höchste Zeit, dass die Staaten insbesondere die verwobenen Netze von Offshore-Gruppen untersuchen, die die Spuren der Drahtzieher auf den Märkten verwischen. Wir sollten viel vorsichtiger sein”, schliesst Chesney.

swissinfo, Adam Beaumont, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Nicole Aeby)

Das zweite Genfer Forum über organisiertes Verbrechen findet vom 29. bis 30. September statt.

Die Haupttehmen sind Terrorismus, die Mafia, Drogenhandel und die Folgen organisierter Kriminalität für den Wirtschaftssektor.

Experten befürchten, dass die Regierungen in ihrem Kampf gegen Terrorismus die Bekämpfung von organisiertem Verbrechen vernachlässigen.

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