Extremismus: Situation unter Kontrolle
Die Linksextremen sind die grössere Bedrohung für die Sicherheit als die Rechtsextremen. Zu diesem Schluss kommt der Extremismus-Bericht der Bundespolizei.
Allgemein jedoch sei die Lage unter Kontrolle, auch in Bezug auf Islamisten und ausländische Extremisten.
Weder Anarchisten, Skinheads, Hooligans oder Islamisten gefährden die Schweiz in gravierender Weise. Eine grössere Gefahr gehe gegenwärtig vom Gewaltpotenzial der Linksextremen aus. Das schreibt die Bundespolizei in ihrem Extremismus-Bericht, der vom Bundesrat genehmigt und am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Der Bericht ist eine Antwort des Bundesrats auf ein Postulat der CVP-Fraktion aus dem Jahr 2002. Er blickt bis 1992 zurück. Damals wurde der erste Extremismusbericht vorgelegt.
Neonazis und Rechtsextreme
Rechtsextrem motivierte Aktivitäten gefährden laut dem Bericht teils punktuell, teils lokal die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die rechtsextreme Szene besteht aus vielen kleinen Gruppierungen, die nur lose miteinander verbunden sind. Die Sicherheitsorgane rechnen mit insgesamt 1000 Rechtsextremen in der Schweiz, die zum harten Kern gehören.
Während die Zahl ihrer Mitglieder seit 1997 konstant gestiegen ist, nahm die Zahl der rechtsextremen Vorfälle von 2000 bis 2003 von über 1000 auf etwas unter 800 ab.
Dass die Neonazis und Rechtsextremen die Sicherheit der Schweiz gefährden, glauben die Experten nicht. Aber: «Die Schweiz gilt nach wie vor als attraktiver Standort für Skinheadkonzerte. Zu solchen Anlässen reisen auch aus dem grenznahen Ausland Teilnehmende an.»
Linksextreme haben Zulauf
Eine grössere Gefahr geht, so der Bericht, derzeit von linksextremen Exponenten aus. Im Gegensatz zur Rechten seien die linken Gruppen untereinander vernetzt. Dieser Szene gehörten rund 2000 Militante an.
Besonders die Übernahme globalisierungskritischer Anliegen erweitert gemäss dem Bericht das Betätigungsfeld des Linksextremismus und sichert ihm Zulauf.
«Die Anwendung von Gewalt richtete sich lange Zeit fast ausschliesslich gegen staatliche und wirtschaftliche Objekte mit hohem Symbolwert, ausserdem gegen diplomatische Vertretungen, ausländische Firmenniederlassungen, Geldinstitute sowie die Einrichtungen missliebiger internationaler Organisationen wie etwa der WTO.»
Die Bundespolizisten vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP) machen aber auch auf ein neues Phänomen aufmerksam: Die Beteiligung apolitischer Mitläufer an den Krawallen.
Krawallmacher, Plünderer und der «Schwarze Block»
Zum ersten Mal sei es am 1. Mai 2002 nach der traditionellen Kundgebung in Zürich zu Plünderungen gekommen. Apolitische Mitläufer und Schaulustige – die nicht dem linksextremen Spektrum zugeordnet werden könnten – hätten sich dabei an den Ausschreitungen beteiligt.
Auch die rund 850 Aktivisten des sogenannten «Schwarzen Blocks» zählen die DAP-Experten nicht zum harten Kern der Linken. Der «Schwarze Block» sei eine «unstrukturierte, unberechenbare Ansammlung» von «autonom-anarchistischen Gruppierungen», die von einzelnen Exponenten radikaler Organisationen gesteuert werde.
Islamisten auf Durchreise
Keine terroristischen Aktivitäten im eigentlichen Sinn haben, so der Bericht, islamische Gruppierungen in der Schweiz entwickelt. Es gebe jedoch Hinweise, dass die Schweiz eine immer wichtigere Rolle als Drehscheibe spiele.
Mitglieder terroristischer Organisationen benützten die Schweiz als Transitroute oder als Aufenthaltsort. Mehrere humanitäre Institutionen, die mit Organisationen wie beispielsweise der Hamas in Verbindung stünden, befänden sich in der Schweiz und sammelten bei ihren Landsleuten und bei der Bevölkerung Geld.
Ausserdem liefen noch immer Ermittlungen mit direktem oder indirektem Bezug auf Al Kaida. Aktivitäten der Organisationen wie En Nahdha, des FIS der GIA und der Hamas wiesen ausserdem darauf hin, dass die Schweiz eine immer wichtigere Rolle als Knotenpunkt internationaler Verbindungen spiele.
Hooligan-Gesetze gefordert
Ebenfalls nicht Halt an der Grenze machen Hooligans. Dies ist besonders im Hinblick auf die Europa-Fussball-Meisterschaft im Jahre 2008 von Bedeutung. Diese Szene gelte auch als Rekrutierungs-Basis für die Rechtsextremen, so der Bericht.
«Die Entwicklungen verlangen eine genauere Beobachtung der Lage und der Szene», fordert dieser. Dazu müssten jedoch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. «Zur Bekämpfung des Hooliganismus stehen derzeit keine genügenden Instrumente zur Verfügung.»
Bericht basiert auf Angaben der Kantone
Der Extremismusbericht beruht auf den Erkenntnissen der Sicherheitsorgane des Bundes und der Kantone. Er wurde vom Bundesamt für Polizei erarbeitet.
Als extremistisch eingestuft wurden Bewegungen und Parteien, Ideen sowie Einstellungs- und Verhaltensmuster, welche die freiheitlich-demokratische Ordnung ablehnen, gewaltbereit sind und im Andersdenkenden nicht einen politischen Gegner, sondern den Feind sehen.
swissinfo und Agenturen
Extremismusbericht der Regierung:
Die extreme Linke umfasst rund 2000 Aktivisten und Aktivistinnen. Sie sind gut organisiert und vor allem in den Städten aktiv.
Die extreme Recht zählt einen harten Kern von rund 1000 Personen, die vor allem auf dem Land aktiv sind.
Islamisten verfolgen in der Schweiz keine terroristischen Aktivitäten. Sie nutzen das Land aber als logistische Basis und zur Rekrutierung.
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