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Kampfansage an die Energieverschwendung

Besitzer von Benzinsäufern und Dreckschleudern werden zur Kasse gebeten. Ex-press

Saubere Autos fördern, alte Gebäude sanieren, die Glühbirne verbieten: Mit diesen Massnahmen will die Schweiz gegen steigenden Energieverbrauch und Energieverschwendung kämpfen.

Umweltminister Moritz Leuenberger präsentierte 26 Massnahmen, mit denen auch die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien gefördert werden.

Ab 2013 soll die CO2-Lenkungsabgabe auf Benzin und Diesel erhoben werden, was den Liter um 15 bis 50 Rappen verteuern würde. Bei der Importsteuer für Personenwagen ist ein Bonus-Malus-System vorgesehen. Saubere Autos sollen 3000 bis 4000 Franken Rabatt erhalten.

Die steuerliche Belastung von “dreckigen” Neuwagen ist eine von 26 Massnahmen, die Umweltminister Moritz Leuenberger am Montag vorstellte.

Anvisiertes Ziel der Aktionspläne: Bis 2020 soll der Verbrauch fossiler Energien um jährlich 1,5% reduziert, der Stromverbrauch auf dem Niveau von 2006 stabilisiert und der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch um 50% gesteigert werden.

Keine neuen Atomkraftwerke nötig

“Wenn alle Massnahmen umgesetzt werden, braucht es sicher keine zusätzlichen Kern- und Gaskraftwerke”, sagte Leuenberger. Je mehr in den Bereichen Energieeffizienz und erneurbare Energien erreicht werde, desto weniger sei die Schweiz auf Kraftwerke angewiesen. Ein Anteil aus erneuerbarer Energie von 24% reicht laut Leuenberger aber nicht aus, um auf Kernkraftwerke zu verzichten.

Minergiestandard obligatorisch

Im Gebäudebereich will Leuenberger einen obligatorischen Minergiestandard auch bei der Sanierung von Gebäuden festlegen, die vor 1995 erbaut wurden. Die Kosten eines entsprechenden nationalen Förderprogramms von 215 Mio. Franken sollen durch einen Teil der ab 2008 geltenden CO2-Abgabe auf Brennstoffe gedeckt werden.

Für alle bestehenden Gebäuden soll weiter ein gesamtschweizerischer Energieausweis eingeführt werden. Dieser soll für Transparenz bezüglich Energieverbrauch sorgen.

Standby-Modus einschränken

Ein grosses Potenzial sieht Leuenberger auch bei elektronischen Geräten, für die Mindestanforderungen vorgesehen sind. Für elektronische Geräte wie Computer, Eisschränke, Kaffee- und Waschmaschinen soll der Bundesrat Limiten für den Verbrauch im Standby-Modus erlassen.

Glühbirnen will der Umweltminister ab 2012 verbieten. Insgesamt geht der Aktionsplan davon aus, dass sich der Energieverbrauch in den nächsten 20 Jahren um 30 bis 70% verringern lässt.

Setzen auf Wasserkraft

Der Aktionsplan “Erneuerbare Energien” konzentriert sich – unter Berücksichtigung des neuen Energiegesetzes und des revidierten Mineralölsteuergesetzes – auf Massnahmen im Bereich der Wärmeproduktion sowie auf die Wasserkraft und biogenen Treibstoffe.

Dadurch soll der Anteil an erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch von heute 16,2 auf rund 24% gesteigert werden. Im Vordergrund stehen erneuerbare Energien, die bereits heute marktreif sind oder es mittelfristig werden: Wasserkraft, Biomasse und Holz, Umgebungswärme und Solarthermie.

Der Bundesrat hatte im vergangenen Februar das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) mit der Erarbeitung der Aktionspläne beauftragt, als Teil der Neuausrichtung der schweizerischen Energiepolitik. Die Anhörung für die Massnahmen dauert bis Mitte Oktober.

Konträre Reaktionen

Sozialdemokraten und Grüne haben Leuenbergers Vorschläge als “überfällig” begrüsst. Die Politik müsse endlich begreifen, dass “kein Handlungsspielraum” mehr vorhanden sei, betonte der Grüne Aargauer Nationalrat Geri Müller.

Für den sozialdemokratischen Energiexperten Rudolf Rechsteiner aus Basel-Stadt ist die “Zeit der Branchenvereinbarungen abgelaufen”. Nun müssten allgemeinverbindliche, einschneidende Massnahmen beschlossen werden.

Dem Wirtschaftsdachverband economiesuisse stösst die Erhöhung der CO2-Lenkungsabgabe sauer auf: Diese Massnahme mache nur in Absprache mit den Nachbarländern Sinn, sagte Verbandssprecher Urs Näf.

“Die Wirtschaft wird sich mit allen Mittel dagegen zur Wehr setzen”, kündigte Ulrich Giezendanner an. Dass Bundesrat Leuenberger nun auf den Bau von Kernkraftwerken verzichten wolle, sei “reiner Wahlkampf”. Die Schweiz komme nicht um ein weiteres Atomkraftwerk herum, betonte der Aargauer SVP-Nationalrat.

swissinfo und Agenturen

CO2-Ausstoss laut CO2-Gesetz der Schweiz (total Brenn- und Treibstoffe) in Mio. Tonnen CO2 pro Jahr:
Stand 1990: 40,93
Stand 2006: 41,19
Ziel 2012: 36,84 (Ziel Kyoto-Protokoll: 40,53)

Schätzungsweise 1 Mrd. Franken werden die Wohlfahrtsverluste 2050 in der Schweiz betragen, wenn die Temperatur wie von der UNO prognostiziert global um 3 Grad steigt.

Zu diesem Schluss kommt eine im August präsentierte Studie des Bundes.

Für den besten Fall prognostiziert der UNO-Bericht eine globale Erwärmung um 1,1 bis 2,9 Grad bis 2100.

Im schlimmsten Fall sei mit einem Anstieg um 2,4 bis 6,4 Grad zu rechnen.

Klimaforscher sind sich einig, dass der Temperaturanstieg in der Schweiz nicht parallel zur globalen Erwärmung verlaufen wird.

Entsprechend geht das Bundesamt für Umwelt in seinen Studien für die Schweiz von einer Erwärmung um rund 4 Grad aus.

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