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Bundesrat Leuenberger sticht in Klima-Wespennest

Moritz Leuenbergers Klimapolitik stösst auf breiten Widerstand. Keystone

Die von Umweltminister Leuenberger vorgeschlagene Klimapolitik stösst rundum auf Kritik. Er fordert ab 2012 eine Lenkungsabgabe auf Brenn-, Treibstoff und Treibhausgasen.

Der Ausstoss von Klima-Gasen soll damit nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls um jährlich 1,5% gesenkt werden.

Mit der vorgeschlagenen Klimaabgabe werde sachte erweitert, was das CO2-Gesetz schon vorsehe, sagt Leuenberger. Um damit die angestrebte Senkung von 1,5% weniger Treibhausgasen pro Jahr zu erreichen, wäre laut Departement Leuenberger ein Abgabesatz von maximal 200 Franken pro Tonne CO2 nötig.

Der grösste Teil der Einnahmen soll dabei an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückfliessen. Der Rest (5 bis 10%) soll zweckgebunden verwendet werden, etwa für den Hochwasserschutz, für Schutzmassnahmen in bergsturzgefährdeten Gebieten oder für Gebäudesanierungen.

Eine Reduktion des Treibhausgas-Ausstosses mit Hilfe von technischen Massnahmen wird vom Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) in zweiter Priorität erwogen. Sie biete nicht die gleiche Flexibilität wie eine Lenkungsabgabe.

Falls der angestrebte Reduktionspfad eingehalten werden kann, lägen die Emissionen der klimaschädlichen Gase in der Schweiz im Jahr 2020 um 21% unter dem Wert des Referenzjahres 1990.

Dies entspräche den Zielen, die sich auch die EU gesetzt hat. 2050 hätte die Schweiz dann ihre Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr halbiert, was auch den Zielvorgaben der industrialisierten G8-Staaten entspräche.

Die verbleibenden inländischen Emissionen könnten schliesslich mit dem Erwerb von Emissionszertifikaten aus dem Ausland kompensiert werden, womit die Schweiz letztendlich klimaneutral würde.

Enttäuschte Umweltverbände

Die Umweltorganisation Greenpeace ist von den Vorschlägen des Umweltministers enttäuscht. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge müssten die Industrieländer bis 2050 sogar 90% weniger CO2 ausstossen, um die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.

Für den WWF sind die CO2-Reduktionsziele völlig unzureichend. Damit würden die Temperaturen in der Schweiz um bis zu fünf oder sechs Grad ansteigen, da die Erwärmung in den Alpen schneller voranschreite.

Verkehrsverbände bekräftigen Widerstand

Auch die Verkehrsverbände lehnen Leuenbergers Lenkungsabgabe ab. Diese würde laut dem Touring Club der Schweiz (TCS) zu höheren Energiekosten führen und die Wettbewerbsfähigkeit senken.

Neben technischen Massnahmen solle weiter in saubere Technologien in Schwellen- und Entwicklungsländern investiert und diese CO2-Ersparnis an die inländischen Reduktionsvorgaben angerechnet werden, meint der Verband des Strassenverkehrs, strasseschweiz.

Unzufriedene Wirtschaft und Parteien

Zu den Kritikern gesellt sich auch die Erdöl-Vereinigung (EV). Leuenbergers Bericht über die künftige Klimapolitik richte den Fokus zu stark auf staatliche Massnahmen im Inland und verdränge die erfolgreichen freiwilligen Massnahmen sowie die internationale Dimension der Klimaproblematik.

Auch der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) ist gegen die Lenkungsabgabe. Er befürchtet eine übermässige Belastung der teils energieintensiven gewerblichen Wirtschaft.

Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft economiesuisse bezeichnet Leuenbergers Weiterentwicklung der Klimapolitik als für die Schweiz verheerend.

Die politischen Parteien haben unterschiedlich auf die Vorschläge zur Klimapolitik reagiert. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) lehnt neue Abgaben strikt ab.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) verweisen auf eigene Modelle. Sozialdemokraten (SP) und Grüne fordern weitergehende Massnahmen.

swissinfo und Agenturen

CO2-Ausstoss laut CO2-Gesetz der Schweiz (total Brenn- und Treibstoffe) in Mio. Tonnen CO2 pro Jahr:

Stand 1990: 40,93

Stand 2006: 41,19

Ziel 2012: 36,84 (Ziel Kyoto-Protokoll: 40,53)

Schätzungsweise 1 Mrd. Franken werden die Wohlfahrtsverluste 2050 in der Schweiz betragen, wenn die Temperatur wie von der UNO prognostiziert global um 3 Grad steigt.

Zu diesem Schluss kommt eine am 16. August präsentierte Studie des Bundes.

Für den besten Fall prognostiziert der UNO-Bericht eine globale Erwärmung um 1,1 bis 2,9 Grad bis 2100.

Im schlimmsten Fall sei mit einem Anstieg um 2,4 bis 6,4 Grad zu rechnen.

Klimaforscher sind sich einig, dass der Temperaturanstieg in der Schweiz nicht parallel zur globalen Erwärmung verlaufen wird.

Entsprechend geht das Bundesamt für Umwelt in seinen Studien für die Schweiz von einer Erwärmung um rund 4 Grad aus.

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