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Kleinste Schritte Richtung Frieden in Afrika

Wie kommen bis unter die Zähne bewaffnete Rebellen an den Verhandlungstisch? AFP

Rund zwei Dutzend Schweizer Konfliktvermittler stehen momentan in Afrika im Einsatz. Für ihre Arbeit gibt es keine pfannenfertigen Rezepte, höchstens Grundsätze. "Ignoriere den Teufel nicht", lautet einer.

Schweizer Know-how in Sachen Mediation ist weltweit gefragt: Konfliktvermittler aus dem Aussenministerium (EDA) in Bern waren seit dem Jahr 2000 in rund 20 Friedensverhandlungen in 15 Staaten involviert.

“Wir wissen, wie man Friedensprozesse strukturieren kann. Wir haben langjährige Erfahrung in Fragen wie Dezentralisierung, Machtteilung oder Vergangenheits-Bewältigung”, sagt Botschafter Thomas Greminger gegenüber swissinfo. Er leitet die Abteilung Menschliche Sicherheit im EDA, die am Dienstag in Bern ihre Jahreskonferenz abhielt.

Einer der erfahrensten EDA-Friedensexperten ist Günther Bächler. 2006 war der Politologe wesentlich beteiligt am Friedensabkommen in Nepal. Seit einem Jahr ist er in Darfur tätig. In Sudans Westprovinz wütet seit mehreren Jahren einer der blutigsten Konflikte der Welt. Die traurige bisherige Bilanz der UNO: 300’000 Tote und rund 2,5 Millionen Vertriebene.

Wer ist wichtig?

“Die Rahmenbedingungen in Darfur sind sehr komplex”, berichtet Bächler. Zur humanitären Krise und einer allgegenwärtigen Sicherheitsbedrohung kämen weit auseinander liegende nationale, regionale und lokale Interessen.

Eines der Haupthindernisse in Bächlers Arbeit ist die Aufsplitterung der oppositionellen Rebellen in zahlreiche Gruppen. “Es gibt innerhalb der Opposition keine einheitliche Verhandlungsposition”, so der Friedensexperte. Zudem sei es schwierig, wichtige Rebellengruppen, die in den Prozess einbezogen werden müssten, von anderen zu unterscheiden.

In diesem Punkt dürfen Bächler und sein Kollege Julian Hottinger, ein weiterer erfahrener Konfliktvermittler des Schweizerischen Aussenministeriums, nicht zimperlich sein. Auch Exponenten, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, sind Verhandlungspartner, sofern sie im lokalen Machtgefüge eine wichtige Position einnehmen. “Don’t ignore the Devil”, beschreibt Hottinger einen der Grundsätze.

Nachhilfe für “Bad Guys”

Dieses Eingehen “kalkulierter Risiken”, wie es Greminger bezeichnet, hatte jüngst zu einem Treffen Hottingers mit dem ugandischen Rebellenführer Joseph Kony geführt, der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht ist.

Weil oft gerade “Bad Guys” Defizite punkto Verhandlungstechniken hätten, gehört es auch zum Job Hottingers und Bächlers, solchen die entsprechenden Techniken zu vermitteln. Die Seite der Regierungsvertreter verfüge meist über mehr Erfahrung am Verhandlungstisch.

Dass “Bad Guys” aber auch auf Regierungsseite zu finden sind, zeigt der Fall des sudanesischen Präsidenten al-Baschir, der seit dem Sommer vom Haager Gerichtshof des Völkermordes angeklagt ist.

Obwohl die Friedensarbeiter auch Akteure der Zivilgesellschaft stärken wollen, führt kein Weg an den bewaffneten Gruppen vorbei. “Die bewaffnete Gewalt steht als Instrument den Verhandlungen im Weg”, hält Bächler fest.

Wieder bei Null

Nach dem Scheitern der algerischen und libyschen Verhandlungsinitiativen herrscht in Darfur momentan Stillstand. Für einen nachhaltigen Frieden fehlt laut Bächler allseits der politische Wille. Er und Hottinger begannen praktisch wieder bei Null. “Das gegenseitige Misstrauen ist extrem. Wir müssen erst darüber verhandeln, wie wir die Parteien überhaupt zum Verhandeln bringen”, sagt Hottinger.

Dabei geht es nur in “minimalsten” Schritten vorwärts. “Die Verhandlungen zwischen dem Norden und dem Süden Sudans haben bis zum Friedensabkommen drei Jahre gedauert”, erinnert Hottinger. Dieses Abkommen von 2005 ist es unter anderem, das die Hoffnungen der Schweizer Konfliktvermittler nährt, den Sudan trotz 23 Jahre dauernder Konflikte auf die Strasse des Friedens zu führen.

Rezepte, wie die Friedensfachleute solch enorme Herausforderungen angehen, gibt es nicht. Zudem sind Friedensprozesse, die etwa im Fall Nepals zum Erfolg geführt haben, nicht auf andere Länder übertragbar.

Dennoch haben sich Grundregeln heraus kristallisiert. Profundes Kontextwissen ist unabdingbar. Zudem müsse der Verhandlungsprozess laufend analysiert und notfalls geändert werden, nennt Botschafter Greminger einen weiteren Grundsatz.

Dennoch Anlass zu Hoffnung

Neben Verhandlungsgeschick und grosser Geduld gehört auch ein gutes Ohr zum Rüstzeug eines Friedensexperten. “Man muss auch heraushören, was die Akteure nicht sagen”, sagt Julian Hottinger.

Doch dann sind Ideen, Kreativität sowie Offenheit und Beweglichkeit gefragt. “Wir müssen einen Prozess mit Visionen schaffen und Brücken bauen zwischen den Bereichen Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Sicherheit”, beschreibt Hottinger. Ein “schnelles” Abkommen habe kaum Aussicht auf Dauerhaftigkeit, sagt er mit Verweis auf das Beispiel Burundi.

Das Friedensabkommen zwischen Nord und Süd in Sudan ist nicht der einzige Hoffnungsschimmer auf dem konfliktbeladenen Kontinent. “Die Zahl der Konflikte sind in den letzten zehn Jahren um die Hälfte zurückgegangen”, bilanziert Günther Bächler. “Es gibt heute mehr Sicherheit in Afrika.”

swissinfo, Renat Künzi

Die Friedensförderung der Schweiz ist in der Bundesverfassung verankert (Art. 54).

Für die Friedensförderung 2008-2012 hat das Schweizer Parlament 240 Mio. Franken bewilligt.

Neben der Friedenspolitik umfasst das Programm einen Expertenpool mit über 600 Spezialisten, den Schutz der Menschenrechte sowie den Bereich humanitäre Politik.

Die Schweiz leistet ihre Friedensförderung nicht isoliert, sondern in Abstimmung mit internationalen Organisationen wie UNO, OECD, Staatengemeinschaften und Partnern aus der Zivilgesellschaft.

Das Schweizerische Aussenministerium in Bern zählt knapp über 50 Friedensspezialisten. Rund die Hälfte ist in Afrika im Einsatz.

Weitere Schwerpunktgebiete sind Südosteuropa, Naher Osten, Nepal, Sri Lanka, Kolumbien und Guatemala.

Die Schweiz steht mit China, Iran und Vietnam in einem Dialog über Menschenrechte.

Ferner initiierte die Schweiz die Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung.

Sie ist zudem Partnerin der Genfer Forschungsgruppe Small Arms Survey (SAS).

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