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Kulinarische Einfalt in Holland

Fast Food aus dem Automaten, auch zu später Stunde.

Holland ist für vieles berühmt; gutes Essen gehört leider nicht dazu. Wenn es ums Kochen geht, lautet des Holländers Motto "im Zweifelsfall frittieren". Und in der Kunst des Frittierens haben die Holländer ein hohes Niveau erreicht.

Im Gegensatz zu England, wo ich vorher gewohnt habe und wo die Leute eine ähnliche Vorliebe für vom Fett triefende Speisen haben, sind Pommes Frites in Holland wirklich gut.

Allerdings stellt sich hier ein anderes Problem. Egal ob man Ketchup oder, wie ein echter Niederländer, Mayonnaise verlangt: der Verkäufer wird die Fritten in Sauce ertränken.

Er wird sie so zukleistern, dass man sie mit spitzen Fingern aus dem klebrigen Morast ziehen muss. Alles Bitten um Reduzierung der Saucenquantität hilft nichts.

Der Höhepunkt holländischer Frittierkunst sind allerdings die Kroketten. Die gibt es zum Beispiel in der Amsterdamer Unimensa in x Varianten: mit Rind- oder Kalbfleisch, mit indonesischem Erdnuss-Satay oder auch vegetarisch.

Am beliebtesten ist aber eine kleine, runde Variante der Rindfleischkroketten, die den schönen Namen “Bitterballen” trägt und auf keiner Snackkarte fehlen darf.

Trotz ihrer Beliebtheit konnte mir jedoch noch kein Holländer wirklich sagen, woraus die leicht schleimige Mischung im Innern der leckeren Bällchen besteht. Anscheinend hat dieser Snack auch eine tröstende Wirkung, denn seit dem Beginn der Wirtschaftskrise sollen die Verkäufe von Bitterballen um mehr als 15% angestiegen sein.

Eine Scheibe Käse zwischen zwei Scheiben Brot

Ein für Ausländer besonders schockierender Aspekt der holländischen Essgewohnheiten ist die äusserst beliebte Fastfood-Kette Febo. In deren Etablissements zieht der Kunde sein Essen – das, Sie haben es erraten, hauptsächlich aus Kroketten und Fritten besteht – aus einer Automatenwand.

Ich habe schon Leute beobachtet, die sich um vier Uhr morgens seit Stunden unter der Wärmelampe dahingammelnde Hamburger aus dem Kasten gezogen haben.

Auch sonst geben die holländischen Essgewohnheiten dem an eine gewisse kulinarische Vielfalt gewohnten Ausländer Rätsel auf. Abwechslung beim Essen gilt den Niederländern nicht unbedingt als wichtiger Teil der Lebensqualität.

Zu Mittag isst die Mehrheit der Leute hier Tag um Tag das gleiche: eine Scheibe Käse zwischen zwei Scheiben wabbeligem Toastbrot. Vielleicht mit ein wenig Butter drin. Extravaganzen wie Salat, Senf oder gar Fleisch lässt das calvinistische Gewissen nicht zu.

In holländischen Supermärkten fehlt es denn auch an vielem. Andererseits gibt es von Dingen, die der Schweizer nur selten konsumiert, eine Auswahl im Übermass; allem voran an Erdnussbutter (“Pindakaas”), Schokoladenstreusel (“Hagelslaag”) und Mayonnaise.

Gemüse und Brot

Eine weitere Überraschung ist die holländische Obsession mit Lakritze, “Drop” genannt. Die gibt es in vielen verschiedenen Sorten, zum Beispiel mit Honig oder als salzige Variante. Ich möchte hier gerne denjenigen Lesern einen guten Rat geben, die noch nie salziges Lakritz probiert haben: Lassen Sie es lieber bleiben!

Ein weiteres Problem stellt die Qualität der inländischen Gemüseproduktion dar. Wer schon einmal holländische Treibhaustomaten probiert hat, weiss, wovon ich spreche. Ein guter Freund aus Belgien hat es auf den Punkt gebracht mit dem schönen Satz: “In Holland schmecken alle Gemüse wie Gurken – und Gurken wie Wasser”.

Ausserdem befinde ich mich seit meiner Ankunft auf einer wahren Odyssee: nämlich auf der Suche nach gutem Brot. Brot bedeutet für die meisten Holländer ein in Scheiben geschnittenes, wabbeliges Etwas. Ein bisschen wie Toastbrot, nur dass die Menschen hier keine Toaster besitzen.

Mehrere Male haben mir verdutzte Ausländer schon davon berichtet, wie sie in einem Amsterdamer Hotel beim Frühstück, Brotscheiben vor sich hertragend, vergeblich den Toaster gesucht haben.

Und die wenigen Bäckereien, die ein Produkt herstellen, das sich mit Fug und Recht Brot nennen darf, wissen um ihre Monopolstellung und verlangen für ihre Backerzeugnisse ungefähr den Kilopreis von Safran.

Köstlich, köstlich

Wie ihre Nachbarn die Briten scheinen sich die Holländer den Einschränkungen ihrer heimischen Gerichte allerdings bewusst zu sein und haben deshalb die Küche ihrer Ex-Kolonien mit offenen Armen empfangen. Was den Engländern die indischen Curries, das ist den Holländern die indonesische Reistafel.

Ich konnte mich von der Köstlichkeit dieser mir unbekannten Küche überzeugen, als ich mit ein paar Freunden auf der Suche nach einer günstigen Essgelegenheit aus Versehen im besten und teuersten indonesischen Restaurant Amsterdams landete.

Über dreissig, in kleinen Schalen präsentierte und von mild bis höllisch scharf sortiert aufgereihte Gerichte später war mein Gaumen glücklich, mein Magen voll und mein Portemonnaie leer.

swissinfo, Thomas Buser, Amsterdam

Immer häufiger reisen auch Jugendliche für längere Zeit ins Ausland.

Studenten profitieren von Austauschprogrammen.

Zu ihnen gehört Thomas Buser, der in Amsterdam seine Doktorarbeit in Entwicklungsökonomie verfasst.

Von dort berichtet er für swissinfo über seine Erlebnisse.

Geboren am 18.09.1980 in Basel. Zur Schule ging er in Oberwil, Kanton Basel-Landschaft.

Er studierte an der HEC Lausanne Volkswirtschaft und schloss später an der University of Warwick in England mit Master ab.

Dazwischen arbeitete Buser mehrere Monate in Tansania und Polen.

Reisen ist eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. So war er bereits in Skandinavien, Osteuropa und Südamerika unterwegs. Auch Kochen, Jassen, Lesen und Konzertbesuche gehören zu seinen Hobbys.

Zudem produziert er mit Freunden einen Podcast “über alles, was den Rock’n’Roll nicht sterben lässt”. Diesen kann man downloaden unter: http://asdfghjkl.ch/podcast/.

Neben seiner Muttersprache Deutsch spricht Buser Englisch, Französisch und Spanisch. Zur Zeit ist er daran, Niederländisch und Portugiesisch zu lernen.

Seit September 2007 lebt und studiert der 28-jährige Basler in Amsterdam.

E-Mail-Adresse: thomas.buser@gmail.com

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