
Rauchverbot nach Amsterdamer Manier

Wenn man seinen Freunden mitteilt, man schreibe seine Doktorarbeit in Amsterdam, dann nehmen einen nur wenige ernst. Denn zu Amsterdam fällt vielen nur das Kiffen ein. Seit letztem Sommer gilt in den Niederlanden ein Rauchverbot - aber nur für Tabak.
In Amsterdam kifft eigentlich jeder – ausser den Holländern. Deshalb überrascht es wenig, dass manch ein Hippie in spe beim Lesen der folgenden Nachricht vor Schreck fast seinen Joint verschluckt hätte: Seit letzten Juli gilt in den Niederlanden ein umfassendes Rauchverbot. Und zwar überall, auch in den Coffeeshops.
Für diejenigen Leser, die mit dem Phänomen der Coffeeshops nicht vertraut sind, folgt hier eine kurze Aufklärung: Im Angebot eines Coffeeshops finden sich nicht etwa Kaffee und Kuchen, sondern weiche Drogen. Den Besucher erwartet eine grosse Auswahl an Gras- und Haschsorten, die sorgfältig aufgelistet und beschrieben sind auf der Graskarte, die mit der Weinkarte in einem traditionellen Restaurant vergleichbar ist.
Da steht dann zum Beispiel: «Moroccan Black from the Atlas Mountain Region, 15 Euro». Für etwas mehr Geld gibt es den «Winner Cannabis Cup 2006». (Wenn eine Haschsorte beim Cannabis Cup ausgezeichnet wird, ist das etwa so, wie wenn auf einer Bordeaux-Flasche «Médaille d’or Bruxelles 1952» darauf steht.)
Liberal und widersprüchlich
Die Coffeeshops verdanken ihre Existenz der liberalen niederländischen Drogenpolitik, die in ihrer Widersprüchlichkeit schon fast komisch anmutet. Besitzern von Coffeeshops ist es nämlich erlaubt, kleine Mengen von weichen Drogen zu verkaufen, und ihre Kunden dürfen diese nach Herzenslust konsumieren.
Allerdings sind weder das Importieren, das Herstellen noch das Verkaufen grösserer Mengen gestattet. Um diese paradoxe Situation zu umgehen – und wohl auch um die Staatskasse ein wenig zu füllen – haben unterdessen mehrere Provinzen angekündigt, in Zukunft ihr eigenes Gras in Gewächshäusern zu züchten.
Seit eine christliche Koalition die Tulpennation regiert, hat diese pragmatische Politik allerdings ein paar Risse bekommen. Nachdem eine französische Touristin, im Glauben ein Vogel zu sein, im letzten Jahr aus ihrem Amsterdamer Hotelfenster sprang, wurde der Verkauf von halluzinogenen Pilzen verboten.
Gras ja, Tabak nein
Als dann das Rauchverbot angekündigt wurde, dachten viele, das Einatmen belustigender Dämpfe werde von nun an nur noch in Wohnzimmern stattfinden.
Bevor Sie, werter Leser, jetzt aber fürchten müssen, ihren nächsten Aufenthalt in Amsterdam gänzlich unbenebelt überstehen zu müssen, möchte ich Entwarnung geben. Allein das Rauchen von Tabak wurde verboten. Folglich, und ganz in der bizarren Tradition der holländischen Drogenpolitik, wird also nur gebüsst, wer Tabak in seinen Joint dreht; das Rauchen von Gras, Hasch, Oregano oder Klebstoff wird nach wie vor toleriert.
Die Coffeeshops reagierten umgehend, und so prangte bald an jeder Eingangstür ein Schild, das den Kunden informierte, dass in diesem Etablissement nur pure Drogen konsumiert werden dürfen.
Man weiss sich zu helfen
Unterdessen haben die meisten Coffeeshops separate Raucherräume eingerichtet, die meist neunzig Prozent der Fläche einnehmen und in welchen uneingeschränkt gedampft werden darf.
Aber auch die holländischen Freunde des Tabakkonsums haben auf kreative Weise auf das Rauchverbot reagiert: Raucher riefen eine neue religiöse Bewegung ins Leben, die «One and Universal Smokers Church of God», deren Hauptdoktrin das regelmässige Rauchen ist.
Einige Cafébesitzer deklarierten ihre Etablissements umgehend als religiöse Kultstätten in der Hoffnung, durch das Prinzip der Religionsfreiheit vor Bussen geschützt zu sein. Diese findigen Unternehmer haben bereits angekündigt, die Sache notfalls bis an den Menschenrechts-Gerichtshof in Strassburg zu ziehen.
Andere Cafés haben ganz einfach auf der Bar ein Sparschwein aufgestellt, in das Raucher beim Entzünden einer Zigarette ein wenig Kleingeld werfen können – als Beteiligung an der nächsten Busse für den Besitzer.
swissinfo, Thomas Buser, Amsterdam
Immer häufiger reisen auch Jugendliche für längere Zeit ins Ausland.
Studenten profitieren von Austauschprogrammen.
Zu ihnen gehört Thomas Buser, der in Amsterdam seine Doktorarbeit in Entwicklungsökonomie verfasst.
Von dort berichtet er für swissinfo über seine Erlebnisse.
Geboren am 18.09.1980 in Basel. Zur Schule ging er in Oberwil, Kanton Basel-Landschaft.
Er studierte an der HEC Lausanne Volkswirtschaft und schloss später an der University of Warwick in England mit Master ab.
Dazwischen arbeitete Buser mehrere Monate in Tansania und Polen.
Reisen ist eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. So war er bereits in Skandinavien, Osteuropa und Südamerika unterwegs. Auch Kochen, Jassen, Lesen und Konzertbesuche gehören zu seinen Hobbys.
Zudem produziert er mit Freunden einen Podcast «über alles, was den Rock’n’Roll nicht sterben lässt». Diesen kann man downloaden unter: http://asdfghjkl.ch/podcast/.
Neben seiner Muttersprache Deutsch spricht Buser Englisch, Französisch und Spanisch. Zur Zeit ist er daran, Niederländisch und Portugiesisch zu lernen.
Seit September 2007 lebt und studiert der 28-jährige Basler in Amsterdam.
E-Mail-Adresse: thomas.buser@gmail.com


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