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Mit Amuletten, Zauber und Wundern gegen die Not

Die Kröte aus Wachs wurde als Votivgabe oder auch als Amulett benutzt. Sammlung Museum Fram

Von Kröten über Zaubertränke bis zu Krücken: Zu welchen Massnahmen und Strategien die Menschen in früheren Jahrhunderten in einer Not griffen, zeigt die Ausstellung "Zauberwahn und Wunderglaube" im Museum Fram in Einsiedeln.

Es sind zum Teil seltsam anmutende Objekte, die in Einsiedeln im Museum Fram ausgestellt sind. Eine ovale Kartoffel aus Holz, gespickt mit Holzspiessen zum Beispiel, deren Verwendung nicht sofort ersichtlich ist und irgendwie an Voodoo erinnert. Oder die Kröte aus rotem Wachs, die man als Nachbildung im Museumsshop kaufen kann und die an eine afrikanische Skulptur gemahnt. Auch die vielen Krücken, Prothesen, die Eisenkette und die nachgebildeten Körperteile. Automatisch denkt man an das finstere, unaufgeklärte Mittelalter.

Doch die meisten Exponate stammen aus der Zeit vom 17. bis  zum 20. Jahrhundert. Es sind Amulette und Gaben aus Dankbarkeit, so genannte Votivgaben. Dazu kommen die Zauber- und Mirakelbücher.

Die Ausstellung geht der Frage nach, zu welchen Massnahmen Menschen in Not griffen, wie Wunder erlebt wurden und welche Zeugnisse sie dafür ablegten.

“Die Grenze zwischen Glaube und Aberglaube ist fliessend”, sagt Detta Kälin, die Kuratorin der Ausstellung und Direktorin des Museums. Dargestellt wird die gelebte Alltagsfrömmigkeit am Beispiel des Klosterdorfs Einsiedeln.

Amulette

“Aus der Warte der theologischen Lehrmeinung war klar, dass Magie, Zauberei und Amulette Aberglauben sind, ihre Verwendung war eine Sünde.“ Doch die Volksfrömmigkeit habe keine scharfen Grenzen zwischen Glauben und Aberglauben gekannt.

“Die Amulette sehen häufig aus wie Sakramentalien, und es ist recht schwierig, zwischen den beiden Kategorien zu unterscheiden“, sagte die Kuratorin.

Als Sakramentalien bezeichnet die katholische Kirche noch heute geweihte und gesegnete Objekte, die den Menschen Schutz und Segen verleihen sollen. Amulette jedoch entspringen magischem Denken; sie sollen das Böse abwehren und es gibt sie schon viel länger als die christlichen Sakramentalien.

Amulette waren ein Mittel zur Lebensbewältigung, man schrieb ihnen die Macht zu, die Natur zu bezwingen, wie Kälin im Katalog zur Ausstellung schreibt.

“Seit dem frühen Mittelalter hat man zwischen ‘weisser’ und ‘schwarzer’ Magie unterschieden. Die Verwendung von Amuletten gehörte zur Anwendung von “weisser” Magie. Weisse Magie sollte vertreibende oder abwehrende Wirkung haben.

Die Schabmadonna

Ein besonderes Amulett ist die so genannte “Schabmadonna”. Es ist eine kleine Nachbildung der schwarzen Madonna in der Gnadenkappelle im Kloster Einsiedeln, aus gebranntem Ton. Um die helfende Wirkung der Madonna zu erhalten, wurde in der Not etwas Ton von der Figur abgeschabt und eingenommen. Diverse Exemplare sind im Museum Fram ausgestellt.

Ein seltenes Exemplar eines “Schab-Meinrads” ist auch zu sehen. Meinrad wird die Gründung der ersten Einsiedelei in Einsiedeln zugeschrieben.

Bis 1789 stellte das Kloster Einsiedeln eigene Schabmadonnen her. Sie waren durch einen Prägestempel gekennzeichnet. “Nur die Madonnen aus der Fabrikation des Klosters galten als wundertätig”, erklärt die Kuratorin. Kopien galten als Aberglaube.

In den ebenfalls ausgestellten Zauberbüchern ist ein noch weitergehender Glaube an magische Handlungen dokumentiert. Die Zauberbücher seien zwar von der Kirche skeptisch betrachtet worden. “Das Kloster Einsiedeln war aber durchaus im Besitz diverser Zauberbücher”, sagt Kälin. Verlässliche Aussagen zu ihrem Gebrauch könne man aber nicht machen.

Ex Voto

 “Die Verschiedenheit der Votivgaben zeigen, was die Leute durchlitten haben”, sagt die Kuratorin. Hinter einer Votivgabe steht ein Gelöbnis eines Heiligen oder der Madonna gegenüber (Ex Voto): Wenn mein Anliegen erhört wird, erfülle ich mein Gelöbnis und spende eine Votivgabe. Derartige Gelöbnisse wurden in grosser Not oder grosser Verzweiflung abgelegt. Im Kloster Einsiedeln hätten sich im Laufe der Jahrhunderte unglaublich viele Votivgaben angesammelt, erzählt die Museumsdirektorin.

Die Idee, eine höhere Macht mittels eines Versprechens beeinflussen zu können, ist älter als das Christentum.

Nicht nur Bilder, von denen einige in Einsiedeln ausgestellt sind, dienten als Votivgaben. Nach der Heilung von einer Krankheit oder Lähmung wurden Krücken und Beinprothesen oder aus Metall oder Wachs nachgebildete Körperteile (wie Beine, Arme, Augen, Zähne, Ohren, usw.) gespendet. Die Eisenkette aus dem Kloster Einsiedeln sei eine Votivgabe einer Person, die aus Gefangenschaft befreit worden sei, erklärt Kälin.

Auch das eingangs erwähnte seltsame Ellipsoid mit den Holzspiessen diente als Votivgabe. “Die Holzstück stellt die Gebärmutter dar, und die Spiesse symbolisieren die Schmerzen“, sagt Kälin. Etwa nach einer schwierigen Geburt oder nach grossen Unterleibsschmerzen sei eine so genannte Stachelkugel gespendet worden.

Die rote Kröte war ebenfalls ein Symbol für die Gebärmutter, auch sie wurde bei Gebärmutterleiden, Unfruchtbarkeit, allgemeine Unterleibsleiden, Brusterkrankungen und für eine gute Geburt eingesetzt. “Die Kröten dienten sowohl als Amulette wie auch als Votivgaben”, sagt Kälin.

Mirakelbücher

Der schwarzen Madonna von Einsiedeln, ein so genanntes Gnadenbild, wurden seit jeher Wundertaten zugeschrieben. Seit dem Mittelalter wurden die Wunder in so genannten Mirakelattesten, Mirakelprotokollen und in Mirakelbüchern festgehalten.

“Im Kloster Einsiedeln gab es einen Pater Notarius”, erzählt Kälin. “Er war zuständig für die Eintragung und Überprüfung der Wunder, die vom Gnadenbild bewirkt wurden.“ Nachgeprüft wurden die Wunder mittels einer Liste, die 10 Kriterien umfasst und 1737 von Papst Benedikt XIV verfasst worden war. Man sei nicht so naiv gewesen und habe gemeint, dass niemand betrüge, hält Detta Kälin fest.

Trotz der Kriterienliste nahmen die Wunder im 19. Jahrhundert in Einsiedeln stark zu, was auch die Zunahme der Wunderberichte in der Ausstellung dokumentiert. Laut dem Ausstellungskatalog existieren über 1000 Berichte von Wundern in Einsiedeln.

Die Ausstellung
“Zauberwahn und Wunderglauben” im Museum Fram in Einsiedeln dauert noch bis am 6. Januar 2012.

Sie ist jeweils von Dienstag bis Freitag von 13.30 bis 17h geöffnet, Samstag, Sonntag und Feiertage von 10-17h.

Aberglaube, das sei der vom richtigen Glauben weggewandte Glaube, erklärt die Etymologie, “ab” heisst auf Mittelhochdeutsch “von, weg”.

Der richtige Glaube ist/war der, den die Kirche predigte, egal, welche.

Ob es magische Handlungen überhaupt eine Wirkung haben, ist grundsätzlich umstritten.

Unter Magie versteht man die angebliche Beeinflussung von Ereignissen, Menschen und Gegenstände auf übernatürliche Art und Weise.

Unterschieden wird zwischen weisser und schwarzer Magie.

Mit weisser Magie ist eine Form der Magie gemeint, deren Ziele Schutz und Heilung sind. Dazu zählen insbesondere folgende Zauberpraktiken: Abwehr- und Schutzzauber, Gesund- oder Heilzauber, Fruchtbarkeitszauber, Glückszauber, Liebeszauber, Totenzauber, Wahrsagen, Wetterzauber.

Dieser Magie steht die so genannte schwarze Magie unterschiedlicher Schadenszauber und Verwünschungen gegenüber. Andere Formen der schwarzen Magie sind nicht auf Schaden ausgerichtet.

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