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Balthus-Premiere in Basel und unvollendete Werke in Lausanne

Setsuko Klossowska
Balthus' Witwe Setsuko Klossowska vor dem Gemälde "Türkische Kammer", für das sie ihrem Mann Modell gestanden hatte. KEYSTONE

Premiere für die Deutschschweiz: Erstmals kann das Publikum hier, genauer in Basel, die Werke von Balthus sehen. Auch wenn die Fondation Beyeler keine Polemik anstrebt: Balthus' freizügige Darstellungen von jungen Mädchen geben weiter zu reden.

Gleichzeitig zur grossen Schau in BaselExterner Link wird der Künstler auch in der Westschweiz geehrt, und das in ungewöhnlichem Ambiente: Seine unvollendeten Werke werden auf der Baustelle des zukünftigen Kunstmuseums in Lausanne ausgestellt.

Die Basler Retrospektive, die am 2. September eröffnet wurde, bietet eine Koexistenz der kontrovers diskutierten Mädchenbilder mit Katzen und den Themen Meditation und Realität, Erotik und Unschuld, Vertrautes und Fremdes. 

Die insgesamt 40 versammelten Meisterwerke stammen aus den USA, Frankreich und der Schweiz. Hier waren die Arbeiten Balthus’ seit zehn Jahren nicht mehr zu sehen.

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Grenzen der Kunst

Die Basler Ausstellungsmacher haben sich bewusst dafür entschieden, eines jener Werke zu zeigen, die Gegenstand einer grossen Polemik geworden sind: Im vergangenen Dezember hat ein Aktivist der #MeToo-Bewegung mittels einer Petition die Entfernung des Werks “Thérèse rêvant” aus einer Ausstellung im Metropolitan Museum in New York verlangt. 

Der Vorwurf: Das Gemälde “romantisiere die kindliche Sexualität”. Knapp 12’000 Personen hatten unterschrieben. Das Museum liess sich davon nicht beeindrucken und beliess das Bild in der Ausstellung.

Nun ist die “träumende Therese” in Basel ausgestellt. Für Raphaël Bouvier, den Kurator der Ausstellung, “kam es nie in Frage, aufgrund der Kontroverse auf dieses Bild zu verzichten”, wie er gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS sagte. “Im Gegenteil, es schien uns umso wichtiger, es zu zeigen, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann”, so Bouvier.

Polarisierung

Bereits zu Lebzeiten hat Balthus mit seinen Werken die Meinungen geteilt. Für Kritiker handelte es sich bei den Darstellungen junger Mädchen in lasziven Posen um Pädophilie, während sich seine Verteidiger auf die Freiheit der Kunst beriefen.

Balthus’ Witwe Setsuko Klossowska kann die Polemik nicht verstehen. Sie hält die “träumende Therese” für ein “vor allem anderen grossartiges Gemälde”, wie sie anlässlich der Ausstellungseröffnung in Basel dem Fernsehsender RTS sagte. “Man muss sich einen unschuldigen Blick bewahren. Wenn ein gehobener Rock Gedanken an Sex hervorruft, ist das in meinen Augen vielmehr ein Problem der christlichen Länder.”

Unvollendet

Schauplatzwechsel nach Lausanne: In dem sich im Bau befindlichen Gebäude des kantonalen Kunstmuseums in Lausanne, das 2019 seine Pforten öffnet, sind erstmals die nicht vollendeten Werke von Balthus ausgestelltExterner Link, an denen er in den letzten Jahren vor seinem Tod gearbeitet hatte.

Die Skizzen und Arbeiten stammen aus seinem Atelier in Rossinière. In diesem Dorf in den Waadtländer Voralpen hat der Künstler in seinem grossen Holzchalet gelebt. Die Ausstellung “Balthus unvollendet” wurde von der Vereinigung Atelier BalthusExterner Link organisiert und vom amerikanischen Star-Regisseur Robert Wilson inszeniert.

Übetragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi

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