Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Adolf Ogis Sportvision für die Zukunft

Adolf Ogi: Durch Sport Brücken bauen. Keystone

Das UNO-Jahr des Sports neigt sich dem Ende zu. Aber wie sein Architekt, Adolf Ogi, gegenüber swissinfo erklärt, ist die Arbeit noch lange nicht beendet.

Laut dem Schweizer UNO-Sonderberater für Sport liegt noch eine grosse Herausforderung bevor: Sicher stellen, dass Sport überall als Instrument zur Schaffung einer besseren Welt genutzt wird.

Dies erklärte Ogi im Vorfeld der 2. Konferenz über Sport und Entwicklung in Magglingen, die sich ebenso mit den letzten zwölf Monaten wie mit der Zukunft befasst.

Rund 400 Personen aus 60 Ländern, darunter Spitzenleute aus Politik und Sport, werden am dreitägigen Treffen erwartet.

swissinfo: Mit der Magglinger Konferenz findet das UNO-Jahr des Sports seinen Abschluss. Bedeutet das auch den Abschluss der Arbeit der letzten 12 Monate?

Adolf Ogi: Nein. Diese Konferenz ist symbolisch und markiert den Abschluss der Informations- und Kommunikationsphase. Jetzt beginnt die Phase der Umsetzung unserer Ideen und Projekte.

Am Ende dieses Jahres sollten alle wissen, dass der Sport ein Instrument ist, das bei der Schaffung einer besseren Welt helfen kann. Sport kennt keine Grenzen und kann oft Sprachgräben überwinden. Der Sport sollte in unserer Gesellschaft eine grössere Rolle spielen.

swissinfo: Vor einem Jahr gaben Sie der Hoffnung Ausdruck, dass das UNO-Jahr des Sports helfen könnte, das Leben von Millionen Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern. Konnten Sie Fortschritte verzeichnen und glauben Sie noch immer, dass dieses Ziel erreicht werden kann?

A.O.: Wir machten grosse Fortschritte. Nehmen sie zum Beispiel Brasilien: Bis Ende Jahr werden zwei Millionen Jungen und Mädchen aus den Favelas (Slums) in das Programm “Secondo Tempo” aufgenommen sein. Wir holen diese Kinder aus einer schwierigen Situation heraus, sie werden medizinisch betreut, wir bieten ihnen Sport und Sporterziehung.

Ich war dort, ich sah es mit eigenen Augen, und es funktioniert. Für diese Kinder, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen, wo Drogen, Prostitution und andere negative Dinge zum Alltag gehören, ist dies ein grosser Schritt vorwärts. Ich würde sogar sagen, sie werden irgendwie gerettet.

Bis heute haben wir Hunderte von Entwicklungsprojekten, die mit Sport arbeiten. Bisher beteiligten sich 60 von 191 Ländern aktiv am Internationalen Jahr des Sports und der Sporterziehung. Rund 60 weitere haben uns ihre Pläne angezeigt. Es gibt Tausende von Aktivitäten in der ganzen Welt. Die Politik hört jetzt auch langsam zu.

swissinfo: Sind diese vielen hundert Projekte in der ganzen Welt Ihre Hinterlassenschaft?

A.O.: Nicht nur das. Alle UNO-Organisationen haben nun die Empfehlung erhalten, den Sport in ihre Programme aufzunehmen, in Entwicklungs-, Gesundheits-, Erziehungs- und Umweltprogramme. Die Leute fangen an zu glauben, dass dies ein Instrument, eine Chance für sie ist.

Spitzenkräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion haben ihr oberstes Ziel nicht erreicht, eine bessere und friedlichere Welt zu schaffen. Wir brauchen andere Instrumente, der Sport könnte eines davon sein. In der UNO ist die Botschaft klar. Ausserhalb der Vereinten Nationen versuche ich, Regierungen, Nichtregierungs-Organisationen, Sportverbände und andere davon zu überzeugen, dass sie ebenfalls daran denken sollen, dass der Sport eine bessere Welt schaffen kann.

swissinfo: Sie sprechen hier über die positive Seite des Sports. Aber die skandalösen Szenen nach dem Fussballspiel Türkei-Schweiz in Istanbul zeigen ein anderes Bild. Ist der Sport in diesem Zusammenhang wirklich das richtige Vehikel zur Förderung von Frieden und Entwicklung?

A.O.: Istanbul war für unsere Arbeit sehr schlecht – das macht einen Grossteil unseres Goodwills zunichte. Aber viele Leute nehmen oft nur die negativen Aspekte des Sports wahr, Gewalt, Doping, Geld, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die positive Seite des Sports ist, dass er die beste Lebensschule ist. Im Sport lernt man, zu siegen, ohne zu denken, man sei der oder die Beste, man lernt, zu verlieren, ohne zu denken, das sei das Ende. Man lernt, seine Gegner zu respektieren, man lernt, sich einzufügen, lernt Disziplin, Fairplay und Toleranz.

swissinfo: Auch in der Schweiz sind immer mehr Kinder übergewichtig. Und ausgerechnet heute geht man in einigen Kantonen daran, die obligatorischen drei Turnstunden zu reduzieren. Macht Ihnen das Sorgen?

A.O.: Das ist das Gesetz – das wurde unter meiner Führung eingeführt. Kantone, die sich nicht daran halten, würden also Probleme bekommen. Aber ich denke, dank des Internationalen Jahrs des Sports und der Sporterziehung gibt es nun eine Bewegung, die sich gegen diesen Abbau wendet. Es gibt sogar Kantone, in denen man sagt, es brauche täglich eine Turnstunde. Im Kanton Luzern und einigen anderen laufen bereits Pilotprojekte.

Es ist schade, dass das Parlament das Sportbudget abgebaut hat. Aber ich denke doch, dass wir dieses Jahr neue Ideen lanciert haben. Übergewicht und Bewegungsarmut sind soziale Probleme. Und die Kosten unseres Gesundheitswesens sind so hoch, dass die Leute anfangen, sich Gedanken darüber zu machen.

swissinfo-Interview: Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Die 2. Magglingen Konferenz findet vom 4.- 6. Dezember statt.
Rund 400 Personen aus 60 Ländern werden erwartet.
Darunter der frühere Wimbledon-Sieger Boris Becker sowie Johann Olav Koss, der an olympischen Eisschnell-Läufen vier Mal eine Goldmedaille errungen hat.
Adolf Ogis UNO-Mandat läuft bis Ende 2006.
Die Schweizer Regierung hat für die Jahre 2005 und 2006 für sein Mandat 410’000 Fr. gesprochen.

Das Treffen, das am Sonntag begonnen hat, ist die Fortsetzung der Internationalen Konferenz zu Sport und Entwicklung vom Februar 2003 in Magglingen.

An jener Konferenz verabschiedeten die Delegierten die Magglinger Erklärung, die heute weltweit als Richtlinie für Aktivitäten im Bereich Sport und Entwicklung dient.

Der Anlass wird von der UNO, dem Bundesamt für Sport und der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit unterstützt.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft