Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die Milleniums-Ziele erreichen

Kinder in einem Slum von Sao Paulo in Brasilien. Keystone

Im Vorfeld der Konferenz der UNO zu ihren Milleniums-Zielen erklärt der oberste Schweizer Entwicklungshelfer, wo die Eidgenossenschaft steht.

Walter Fust, Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), betont, dass die Schweiz noch viel tun müsse.

Im Jahr 2000 hat die Schweiz, zusammen mit 188 andern Ländern, die Milleniums-Entwicklungsziele (MDG) der Vereinten Nationen (UNO) unterschrieben. Das wichtigste von insgesamt acht Zielen ist die Halbierung der globalen Armut bis im Jahre 2015.

Vom 14. bis 16. September findet in New York die UNO-Konferenz “Milleniums-Entwicklungsziele +5” statt. Bundespräsident Samuel Schmid vertritt dort mit Walter Fust die Schweiz. Für die anschliessende UNO-Generalversammlung wird auch Aussenministerin Micheline Calmy-Rey an den East River reisen.

Ein Schweizer Zwischenbericht aus dem vergangenen Mai hält fest, dass die Schweiz erfolgreich Programme umgesetzt habe, um die Armut zu bekämpfen und geholfen habe, den Schuldendienst armer Länder zu reduzieren. Es müsse aber noch viel getan werden, um die MDG noch erreichen zu können. Das betont auch DEZA-Direktor Fust.

swissinfo: Der Bericht forderte mehr Hilfe, aber die Landesregierung hat andere Prioritäten gesetzt wie den Finanzhaushalt oder die Verteidigung der Agrar-Zölle. Kann die Schweiz einen nennenswerten Beitrag zum Erreichen der Milleniumsziele leisten?

Walter Fust: Wir werden einen nennenswerten Beitrag leisten müssen. Es stimmt, dass die Agrarpolitik nach den Entscheiden der Doha-Runde der WTO angepasst werden muss. Die Entwicklungsländer werden nur zu einer Lösung Hand bieten, wenn sie die Zusicherung haben, dass die Entwicklungshilfe erhöht wird und sie Zugang zu den Märkten in den Industrieländern haben werden – ohne abschreckend hohe Zölle.

Die Schweiz hat im vergangenen Jahrzehnt ihre Entwicklungshilfe erhöht, die kommenden drei Jahre wird diese aber stagnieren. Grund dafür sind Budgeteinschränkungen und die Kostenbremse. Die Schweiz wird ihre Hilfe aber wieder erhöhen und wird viel Gewicht darauf legen, Entwicklungsländer besser in den weltweiten Handel zu integrieren.

swissinfo: Die Vereinigten Staaten scheinen die Milleniumsziele torpedieren zu wollen. Welche Auswirkungen hätte es, wenn das den USA gelingen würde?

W.F.: Ich kann das Ergebnis nicht abschätzen. Vielleicht enden wir mit einem sehr dünnen, allgemein gehaltenen Dokument. Ich denke, wir müssen zwischen der polititschen, pschologischen und effektiven Ebene unterscheiden. Der politischen Auswirkungen wären sehr hoch und es wäre nicht förderlich, die Ziele aller Geber- und Partnerländer zu harmonisieren.

Psychologisch könnte der Schuss für die USA nach hinten losgehen, weil sie der Welt ihre Position erklären müssten. Zudem würden von den USA bessere Vorschläge erwartet. Denn man kann nicht die ganze Zeit über Sicherheit reden, ohne die Anstrengungen der Armutsbekämpfung zu unterstützen.

swissinfo: Und die effektiven Auswirkungen?

W.F.: Alle wissen, dass die USA ihre Hilfe erhöhen, aber nicht nach den internationalen Erwartungen. Alle andern Länder würden sicherlich mit ihrer Hilfe weiterfahren. Somit wären die effektiven Auswirkungen nicht besonders gross. Nur die Schweiz und Japan müssen noch substanzielle Erhöhungen ihrer Entwicklungshilfe ankündigen.

Die Kernfrage auf der praktischen Seite ist allerdings, ob Parlamente nicht fragen werden, warum sie soviel Geld bereit stellen sollen, während führende Nationen keine finanzielle Unterstützung leisten.

swissinfo: Eines der MDG ist der Kampf gegen HIV und Aids, Malaria sowie andere Krankheiten. Das müsste in der Schweiz besondere Dringlichkeit haben. Arbeitet die DEZA mit der Pharmaindustrie zusammen, um den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten zu sichern?

W.F.: Wir stehen in einem guten Dialog mit der Industrie. Diese ist sich ihrer entwicklungspolitischen Dimension bewusst. Wir arbeiten nicht nur im Bereich von HIV und Aids zusammen, aber auch bei Malaria, Tuberkulose und anderen Krankheiten.

Ich denke, auf der einen Seite ist sich die Industrie der hohen Kosten der Medikamente bewusst, andererseits können wir von der Privatwirtschaft nicht erwarten, dass sie philanthropischer wird. Nur dank dem Forschungsaufwand dieser Firmen haben wir überhaupt Medikamente, um Krankheiten zu behandeln, die vor allem in Entwicklungsländern auftreten.

Es ist sehr wichtig, dass die Forschung international besser koordiniert wird. Vielleicht müssen wir auch mehr öffentliche Gelder in die Forschung stecken und Medikamente querfinanzieren.

swissinfo-Interview: Dale Bechtel
(Übertragung aus dem Englischen: Philippe Kropf)

Die Milleniums-Entwicklungsziele der UNO:

1. Beseitigung der extremen Armut und des Hungers
2. Grundschulbildung für alle
3. Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Ermächtigung der Frau
4. Senkung der Kindersterblichkeit
5. Verbesserung der Gesundheit von Müttern
6. Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten
7. Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
8. Aufbau einer weltweiten Partnerschaft für Entwicklung

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft