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Die Schweiz – ein Asylland mit Herz?

Bild: Bundesamt für Flüchtlinge swissinfo.ch

Welche Schicksale stehen hinter Menschen, die in der Schweiz um Asyl nachsuchen? Dieser und anderen Fragen ist ein neuer Dokumentarfilm zur Asylproblematik gewidmet. Der Film ist zwar durchaus feinfühlig arrangiert, klammert aber wesentliche Aspekte aus.

«Wir und die anderen – Asyl in der Schweiz» ist der Titel des Dok-Films, der unter dem Patronat der Eidgenössischen Kommission für Flüchtlings-Fragen realisiert worden war, und den SF DRS 1 am Mittwoch (27.06.) um 9.00 Uhr im Schul-Fernsehen ausstrahlte. Der Film will laut Begleittext Einblick in das schweizerische Asylwesen vermitteln sowie Problem-Bewusstsein wecken.

Exemplarische Einzelschicksale

Mittels dreier Einzelschicksale von Asylsuchenden versucht der Dok-Film ein möglichst lebensnahes Bild des Asylwesens zu vermitteln. Da ist zunächst einmal der aus Guinea stammende Charif Mouamed, ein eigentlicher Desperado, der in der Schweiz auf gut Glück Antrag auf Asyl stellt und – nach monatelangem Warten – schliesslich abblitzt. Charif Mouamed wird in Italien einen weiteren Antrag stellen.

Ganz anders gelagert ist der Fall von Tasim Berisha, einem aus dem Kosovo vertriebenen Mathematik-Lehrer, der in der Schweiz mit seiner Familie vorübergehend Aufnahme findet und schliesslich freiwillig in seine zerstörte Heimat zurückkehrt. Er will dort am Wiederaufbau mitwirken.

Ziba Baban schliesslich ist eine irakische Kurdin, die in der Schweiz definitiv Aufnahme findet. Dank ihrer Offenheit, Spontaneität und Sprachgewandtheit schafft es Ziba Baban, sich in die Schweizer Gesellschaft zu integrieren; angeblich – wie es im Film heisst – ohne die eigenen Wurzeln zu verleugnen.

Emotionaler Zugang

Der Film sucht einen bewusst emotionalen Zugang zum Thema. Die Porträts zeigen eindrücklich auf, dass hinter den in den Medien regelmässig veröffentlichten Asyl-Statistiken Menschen aus Fleisch und Blut stecken, Menschen, die oft grauenvolle Erlebnisse in sich tragen. Verstärkt wird diese Botschaft durch eine düstere, die Szenerie untermauernde Cello-Melodie.

Idealisiertes Bild

Bei allem Respekt für die gut gemeinte Absicht, die der Film verfolgt: So heil, wie das Asylland Schweiz insgesamt dargestellt wird, ist die Realität nicht. Wichtige Aspekte, die zu einer ausgewogenen Dokumentation zu diesem sensiblen Thema gehören würden, bleiben teilweise oder gänzlich ausgeklammert. Das Problem der Fremden-Feindlichkeit etwa wird mit jenen wenigen Film-Sekunden erledigt, da der Schwarze Charif Mouamed berichtet, dass er seiner Hautfarbe wegen von der Polizei bis zu drei Mal täglich kontrolliert werde.

Werden im Film Schweizerinnen und Schweizer auf der Strasse über ihre Einstellung zu Asylsuchenden befragt, herrscht der Grundtenor vor, dass bleiben könne, wer verfolgt sei und sich anständig aufführe. Keine Rede von Vorurteilen und Ausländerhass – Stammtische und rechte Splittergruppen bleiben ausgeklammert.

Das Asylverfahren, dem sich Ankömmlinge in der Schweiz unterziehen müssen, um allenfalls eine Bleibe zu erhalten, erscheint durchwegs als gerechtes und menschliches System, das garantiere, dass so genannt unechte Flüchtlinge erkannt werden, gefährdete Menschen aber eine Zuflucht finden. Keine Rede von den Problemen, die Asylsuchende haben können, wenn sie vor einem Gremium beweisen müssen, dass ihre Not echt ist. Keine Rede auch von renitenten Ausländern, die sich nach einem negativen Asylentscheid nur in Handschellen ausschaffen lassen.

Insbesondere das Beispiel von Ziba Baban suggeriert den Eindruck, Asylsuchende würden in der Schweiz geradezu darauf warten, Deutsch zu lernen und danach in heiterer Gelassenheit mit Schweizer Frauen-Vereinen helvetische Städtchen zu besichtigen. Überdies – um ein letztes Beispiel zu nennen – sind die im Film vermittelten Informationen zur Tradition der Schweizer Flüchtlingspolitik unvollständig. Zwar trifft zu, dass die Schweiz – wie im Film erwähnt – in den sechziger Jahren eine offene Türe zeigte für Flüchtlinge aus dem Tibet und der Tschechoslowakei. Über die kaltherzige Behandlung der an Leib und Leben bedrohten Juden zur Zeit des Nationalsozialismus hingegen herrscht im Film Schweigen. Warum?

Felix Münger

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