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Freiwilligenarbeit in Costa Rica hat ihren Preis

Freiwilligeneinsatz: Zum Beispiel in einer Schule. Melanie Fluri

Als Angestellte eines Betriebs erhalte ich Lohn für die geleitstete Arbeit. Als Freiwillige schenke ich dem Unternehmen meinen Einsatz ohne Anspruch auf finanzielle Entschädigung. So ist es auch in Costa Rica. Allerdings ist ein Freiwilligen-Einsatz nicht ganz billig.

Wer in Costa Rica als Freiwilliger einen Arbeitseinsatz leisten möchte, der muss sich im Voraus mindestens zwei Fragen stellen: Welches Gebiet interessiert mich und was lassen meine finanziellen Möglichkeiten zu? Denn als Ausländer oder Ausländerin bezahlt man in Costa Rica eine beachtliche Summe Geld, um als Freiwilliger arbeiten zu dürfen.

Ich habe viele Ausländer kennengelernt, die zur Schonung ihres Reisebudgets als Freiwillige in einem Projekt arbeiten wollten. Ein solcher Einsatz kommt mit Sicherheit billiger zu stehen als ein Aufenthalt in einem Hotel oder geführte Touren zu den verschiedenen Nationalparks. Es ist jedoch falsch zu glauben, dass man dafür nichts bezahlen muss.

Die Kosten sowie die Mindestaufenthaltsdauer variieren von Projekt zu Projekt stark. Es kommt auch darauf an, ob man einen solchen Einsatz direkt bei der zuständigen Institution anmeldet oder denselben über eine Vermittlungs-Organisation bucht. Bei dieser Variante geht ein zusätzlicher Geldbetrag an den Vermittler.

Wohin fliesst das Geld?

Ich bin allem Anschein nach nicht die Einzige, welche sich trotz Bezahlung für einen Freiwilligeneinsatz entscheidet. In Costa Rica gibt es unzählige staatliche und private Projekte, in welchen ein beachtlicher Teil der Arbeit von Freiwilligen verrichtet wird.

Costaricaner, die sich für ein Studium an einer Hochschule anmelden, müssen während ihrer Studienzeit eine bestimmte Anzahl Stunden Freiwilligenarbeit leisten. Diese Jugendlichen bezahlen in der Regel nichts oder wenig für ihren Aufenthalt. Für Ausländer beträgt die Tagespauschale zwischen 10 und 140 Dollar (in den mir bekannten Projekten).

Einen Betrag von 10 Dollar für Kost und Logis zu bezahlen, tönt vernünftig. Allerdings kommt es immer darauf an, was unter Kost und Logis verstanden wird.

Ich war bereits in mehreren Projekten unterschiedlicher Sektoren tätig. So arbeitete ich als Freiwillige in einer Primarschule mit behinderten Kindern, half im Roten Kreuz mit, lernte verschiedene Schildkrötenprojekte kennen und erfuhr einiges über die Arbeit der “Waldfeuerwehr” (bomberos forestales).

In sämtlichen Projekten wurde mein finanzieller Beitrag anders eingesetzt. Während ich am einen Ort regelmässig eine Mahlzeit erhielt, so konnte ich an einem anderen froh sein, wenn ich in der Vorratskammer einen Sack Reis sowie Bohnen vorfand.

Sauberes Trinkwasser ist genau so wenig selbstverständlich wie ein Zimmer mit einem Bett. Manchmal muss man sich mit einer Schlafstelle mit stinkenden Matratzen zufrieden geben. Netterweise knabberte mir am letzten Ort eine Maus die Sandalen sowie das Ladekabel der Kamera an.

Ich habe erlebt, dass in einigen Projekten die Tagespauschale tatsächlich für Kost und Logis der Freiwilligen eingesetzt wird. Leider erlebte ich auch, dass der Projektverantwortliche einen Teil des Geldbetrags in Alkohol für sich und die anderen Mitarbeiter investierte. Ironischerweise ist in diesem Projekt der Alkoholkonsum für Freiwillige verboten.

Organisation von Freiwilligen-Einsätzen

Als Schweizerin habe ich jeweils die Erwartung, nach der Ankunft in einem Projekt den Anwesenden vorgestellt und in die Arbeit eingeführt zu werden. Ein hoher Anspruch, der in den meisten Fällen unerfüllt bleibt.

In vielen Projekten fehlt eine koordinierte Betreuung der Freiwilligen. Der anwesende Angestellte erklärt im besten Fall, was ihm persönlich wichtig erscheint. Pech hat man, wenn es nach ein paar Tagen Schichtwechsel gibt und der nächste Verantwortliche ganz andere Vorstellungen und Erwartungen hat.

Ich erlebte häufig, dass ich eine Arbeit verrichten musste und erst im Nachhinein begriff, wie genau und aus welchem Grund diese zu erledigen war. Dabei fiel mir auf, dass einheimische Freiwillige diesen Vorgang meist nicht hinterfragen, sondern einfach die Befehle der Vorgesetzten befolgen.

Im Zweifelsfall befragte ich jeweils mehrere Personen, um herauszufinden, welche Variante wohl am wahrscheinlichsten sei. Die Informationen der verschiedenen Angestellten waren nämlich selten identisch.

Das einzige mir bekannte Projekt, in dem ich für einige Wochen tätig war und das ich als professionell organisiert bezeichnen würde, wird von einem spanischen Biologen geführt. Da erhielt ich zuerst einen Einführungskurs, bevor ich selber Hand anlegen durfte. Zudem legt dieser Verantwortliche grossen Wert auf seriös verrichtete Arbeit und ein gutes Arbeitsklima.

Meiner Ansicht nach ist es kein Zufall, dass genau dieses Projekt von einem Europäer geführt wird.

Dankbarkeit der Zuständigen

Als Freiwillige war mir natürlich klar, dass ich für die geleistete Arbeit keinen Lohn erhalten würde. Während einige Verantwortliche ihre Dankbarkeit in Worten und Gesten ausdrückten, brachten andere nicht einmal einen Dank über die Lippen. Erfahrungen dieser Art hinderten mich jedoch nicht daran, weitere Freiwilligeneinsätze zu absolvieren.

Schliesslich kommt meine Mithilfe in erster Linie nicht den Organisatoren, sondern vielmehr den Betroffenen einer Zielgruppe zu gut. Ganz egal, ob es sich dabei um Kinder, Erwachsene, Tiere oder Pflanzen handelt.

Immer häufiger reisen auch junge Leute für längere Zeit ins Ausland, sei das zum Studieren, Forschen, für ein Stage oder zum Arbeiten.

Zu ihnen gehört auch Melanie Fluri, die zur Zeit in Costa Rica weilt. 

Bis im Sommer 2011 berichtet sie für swissinfo.ch über ihre Erfahrungen und Beobachtungen in Costa Rica.

Melanie Fluri ist 1985 geboren und von Beruf Primarlehrerin.

Von 2008-2010 arbeitete sie auf ihrem Beruf in Zuchwil, Kanton Solothurn.

Von Februar 2004 bis Oktober 2005 lebte sie in Costa Rica. Eigentlich kam sie nur für 5 Monate her, um einen Sozialeinsatz in einer Primarschule mit behinderten Kindern zu leisten.

Sie verlängerte ihren Aufenthalt jedoch und arbeitete unter anderem als Freiwillige für das Rote Kreuz und unterrichtete in einer Privatuniversität Englisch.

Seit Juli 2010 ist sie in Costa Rica wieder als Freiwillige in verschiedenen Projekten tätig: So arbeitet sie etwa auf einer Schildkrötenfarm, für kurze Zeit bei der Waldfeuerwehr.

 
Neben Deutsch spricht sie Spanisch, Französisch und Englisch.

Sie reist, fotografiert und liest gerne und mag Aktivitäten in der Natur.

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