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Iran-Krise: “Wohl noch etwas Zeitbedarf”

Fabrikation von schwerem Wasser in Iran. Das Land besteht darauf, sein Kernenergie-Programm sei nicht militärisch motiviert. Keystone

Der frühere Schweizer Botschafter in Teheran erklärt im Gespräch mit swissinfo, dass es für die Irankrise keine sofortige Lösung gibt.

Laut Tim Guldimann verlaufen die Gespräche auf internationaler Ebene zweischienig – als Dialog und über mögliche Sanktionen.

Tim Guldimann sprach gegenüber swissinfo am Tag nach der iranischen Nichtbeachtung der UNO-Frist, wonach das Nuklearprogramm zu stoppen sei, oder andernfalls Sanktionen anstehen.

Dabei sagte der Iran, es werde dem internationalen Druck nicht nachgeben, und hielt am Recht seines Nuklear-Programms fest, das zivilen Zwecke diene. Doch zahlreiche Staaten ziehen Irans Absichten in Zweifel und befürchten, dem Land gehe es in erster Linie um Atomwaffen.

Sechs Weltmächte werden sich kommende Woche treffen, um über Massnahmen zu entscheiden. Die USA ziehen Sanktionen vor. Doch Europa möchte weiter auf Dialog setzen.

swissinfo: Iran ist der von der UNO gesetzten Frist bezüglich des Nuklearprogramms nicht nachgekommen. Was wird jetzt geschehen – kommt es zu Sanktionen?

Tim Guldimann: Gegenwärtig entwickelt sich das Geschehen auf zwei Schienen. Einerseits bemüht man sich um einen Dialog mit dem Iran. Gleichzeitig nehmen die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheits-Rats und Deutschland Gespräche auf, wie dem Thema Iran im Sicherheits-Rat beizukommen ist.

Man schätzt, dass die USA für Sanktionen plädieren. Unklar bleibt, ob für Russland und China Sanktionen akzeptabel sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass beide Schienen noch für einige Zeit zur Debatte stehen.

swissinfo: Falls Sanktionen beschlossen würden, wie wären sie auszugestalten?

T. G.: Das Problem rund um Sanktionen ist vielfältig. Die Frage lautet, ob denn die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheits-Rates und Deutschland zu einer Einigung kommen.

Zweitens ist es schwierig, sich im heutigen weltpolitischen Klima vorzustellen, dass spürbar harte Sanktionen mit internationaler Solidarität gegen Iran verhängt werden. So dass “weiche” Sanktionen, auch wenn sie später zu härteren führten, die Iraner kaum beeindrucken.

Dies schliesst die Gefahr weiterer Konfrontationen ein, ohne dass das Ziel erreicht wird. Dieses besteht ja nicht in einer Bestrafung Irans, sondern seiner Bereitschaft zu Zugeständnissen.

swissinfo: Wären denn Verhandlungen ein besserer Weg zu Lösungen?

T. G.: Es ist ein schwieriges Dilemma, einen geeigneten Mix von Druck und Dialog im Umgang mit einer Regierung zu finden, die bekanntlich nur auf Druck reagiert. Aber auf zu viel Druck sehr negativ reagiert.

Es wird eine schwierige Aufgabe, hier einen Mittelweg zu finden. Dies hängt auch von der internationalen Koordination ab. Diese wird, so wie Teheran kalkuliert, wohl scheitern.

Die iranische Position ist demnach gefährlich. Indem das Land zu wenig Flexibilität zeigt, könnte es sein internationales Gewicht gegenüber den Regierungen des Sicherheitsrats überschätzen.

swissinfo: Gibt es langfristig eine Lösung?

T. G.: Ja, wenn bei beiden Seiten guter Willen vorhanden ist. Möglich scheint eine Lösung auch, weil Irans momentanes Tempo bei der Uran-Anreicherung anscheinend nicht so schnell verläuft wie vor einigen Monaten noch befürchtet.

So stellt das Land unmittelbar keine Bedrohung dar. Falls der Iran wirklich militärisch eine Atommacht werden möchte, was es ja in Abrede stellt, dann wird das wohl noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Es sieht nicht so aus, als ob Iran schon nächste Woche eine A-Bombe fertig gebaut hat. Aber es macht Sinn, davon auszugehen, dass der Iran die Bombe als Option anstrebt. Das heisst, es möchte die nukleare Fähigkeit, und sei es auch nur für die Zukunft.

Da der Iran jedoch davon noch weit entfernt ist und als Land den Atomwaffen-Sperrvertrag ratifizierte, besteht die Hoffnung auf die Lösung, dass sein Kernenergie-Programm unter internationaler Aufsicht verbleibt und die Kontrolle sogar verstärkt würde.

Das ist der Grundgedanke für Einsicht, wonach noch genügend Zeit zur Lösung verbleibt.

Ist dies einmal klar, und wird andererseits das Geschehen nicht auf beiden Seiten von der politischen Agenda vorgegeben, dann gibt es noch Hoffnung.

swissinfo-Interview: Isobel Leybold-Johnson
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Tim Guldimann stiess 1982 ins Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Von 1999 bis 2004 diente er als Botschafter in Teheran.

Zur Zeit beim Aussenministerium beurlaubt, lehrt er an der Universität in Frankfurt.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan wird Teheran über das Wochenende besuchen.

Laut dem US-Botschafter bei der UNO, John Bolton, müsste der Sicherheitsrat jetzt bereit für Sanktionen gegen Iran sein. Doch vor dem Treffen EU-Iran werde es noch keine Aktionen geben.

EU-Chefdiplomat Javier Solana soll Irans Chefunterhändler nächste Woche treffen.

Die EU bekräftigte am Freitag ihre Bereitschaft für eine diplomatische Lösung.

Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheits-Rats, China, Grossbritannien, Frankreich, Russland und die USA sowie Deutschland sollen nächste Woche zusammen kommen.

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