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Junge Forscher entdecken die Chemie

Erich, Fabian und Marvin vor dem Rotationsverdampfer. swissinfo.ch

Mit der Studienwoche "boys@science" will die Stiftung "Schweizer Jugend forscht" Buben im Alter von 9 bis 13 Jahren die exakten Naturwissenschaften näher bringen. Neun Jungs haben das Fach Chemie gewählt und Laborluft geschnuppert.

Pünktlich um neun Uhr morgens treffen die Knaben im Departement für Chemie der Universität Basel ein. Aufgeteilt in Dreier-Gruppen beschäftigen sie sich mit Fragen wie “Warum sind die Blätter grün?”, “Wie züchtet man Kristalle?” oder “Warum löst Seife Fett?”.

Unter fachkundiger Anleitung von Studierenden der Chemie und in stilechter Arbeitskleidung mit weissem Laborkittel, Schutzbrille und Handschuhen stürzen sich die Jungs auf die Aufgaben.

Wunderkerzen aus eigener Mischung

Die Gruppe mit Marvin Weiss (12 Jahre, aus Basel), Erich Baumann (13 Jahre, aus Affoltern am Albis im Kanton Zürich) und Fabian Lobsiger (12 Jahre, aus Matzingen im Kanton Thurgau) kann als erstes Wunderkerzen herstellen.

Auf einem Arbeitsblatt wird genau erklärt, welche Bestandteile für die Wunderkerzen nötig sind: Stärke, Aluminiumpulver, Bariumnitratpulver, Eisenpulver, Wasser und Draht. Konzentriert wägen die jungen Forscher die benötigten Mengen auf das Milligramm genau ab.

Ganz ungefährlich ist diese Aufgabe nicht, weil die Mischung vor dem Hinzufügen von Wasser explosiv ist. Deshalb ermahnt Jörg Duschmale, Doktorand am Chemie-Departement, die Kinder: “Chemie macht Spass, aber man muss auch aufpassen.”

Die strengen Sicherheitsregeln im Chemie-Labor gelten selbstverständlich auch für die kleinen Forscher. So müssen die Handschuhe gewechselt werden, wenn sie mit einer Chemikalie in Berührung gekommen sind. Gefährliche Mischungen werden in der so genannten “Kapelle” angerührt, einer Arbeitsnische in der Wand, die sich mit einer schiebbaren Glasscheibe schliessen lässt.

Die fertige Mischung wird nun mit Hilfe eines kleinen Papierchens um die Drähte geschmiert. Bevor die Wunderkerzen angezündet werden können, müssen sie allerdings noch einige Stunden trocknen.

Nicht nur basteln, auch überlegen

“Wir basteln nicht nur tolle Sachen hier, sondern müssen uns jetzt auch überlegen, was wir überhaupt gemacht haben”, erklärt Jörg Duschmale. Die Knaben setzen sich und lesen im Aufgabenblatt die Fragen zum Experiment.

“Welche Funktion hat die Stärke?”, lautet die erste Frage. Die Schüler diskutieren und schlagen verschiedene Möglichkeiten vor. Zusammen kommen sie auf die richtige Antwort: Die Stärke bindet die Bestandteile der Wunderkerze.

Freiwilliger Einsatz für den Nachwuchs

Während dem Mittagessen in der Universitäts-Mensa sprechen die drei Betreuer begeistert über ihr Fach Chemie, das sie mit viel Herzblut in unentgeltlicher Freiwilligenarbeit den Buben in der Studienwoche weitergeben.

Neben Jörg Duschmale sind Heiko Gsellinger, Bachelor-Student, und Jonas Schönle, Master-Student, für die Betreuung in den Labors verantwortlich. Gemeinsam haben sie die Studienwoche für die Buben vorbereitet: die Experimente ausprobiert und die Arbeitsblätter erstellt.

“Es ist nicht immer ganz einfach, die Informationen kindergerecht zu vermitteln. Man muss versuchen, sich in die Kinder hineinzuversetzen und Beispiele aus dem Alltag zu wählen”, erklärt Duschmale.

Mit der Studienwoche soll bei den Kindern das Interesse für die Fächer der exakten Naturwissenschaften geweckt werden, denn es fehlt an Nachwuchs.

“Wahrscheinlich ist das so, weil die Fächer von der Thematik her nicht ganz einfach zu verstehen sind”, mutmasst Heiko Gsellinger. “In der Schule werden sie doch recht trocken vermittelt. Im Studium ist das aber gar nicht so.”

Selbstgemachtes Eis mit Stickstoff

Zum Schluss des Nachmittags gibt es eine Erfrischung der besonderen Art: selbstgemachtes Eis.

Dazu mischt Heiko Gsellinger Schokoladen-Buttermilch mit Vanillezucker und gibt noch Schokoladestückchen hinzu. Das Ganze ist flüssig und noch weit entfernt von einem Eis. Das ändert sich schnell, als Dario flüssigen Stickstoff, ein Kältemedium, dazuleert.

Die chemische Reaktion ist nicht zu übersehen: Durch die extreme Kälte des Stickstoffs bildet sich Rauch, der die Schüssel für kurze Zeit verschwinden lässt, wie es scheint.

Nach kräftigem Rühren und genügend kaltem Stickstoff ist die süsse Masse jetzt gefroren und wird von den Buben wohlwollend verschlungen.

Die jungen Forscher zeigen sich begeistert von der Studienwoche. Die Betreuer seien sehr nett und die Experimente interessant. Dennoch möchten nicht alle Chemiker werden: Erich will Astronom werden, und Dario will den Lehrerberuf ergreifen.

Es besteht aber doch noch Hoffnung für Nachwuchs, denn Sandro ist noch unschlüssig, ob er Physiker oder Chemiker werden will.

Sandra Grizelj, Basel, swissinfo.ch

In Zusammenarbeit mit der Universität Basel führt die Stiftung “Schweizer Jugend forscht” vom 7. bis 11. Juni zum ersten Mal eine Studienwoche nur für Buben durch.

In den Fächern Chemie, Mathematik oder Physik können die 10- bis 13-jährigen Teilnehmer – ganz unter sich – erste Erfahrungen in der Wissenschaft sammeln.

Insgesamt haben sich 210 Schüler angemeldet. 27 konnten teilnehmen. Bei der Auswahl hat die Stiftung darauf geachtet, dass alle Regionen der Deutschschweiz vertreten sind.

Letztes Jahr wurde das Projekt girls@science erstmals erfolgreich durchgeführt und wird in diesem Jahr fortgesetzt.

Vom 6. bis 10. September 2009 können 36 Mädchen aus der Deutschschweiz im Alter von 10 bis 12 Jahren an einer Studienwoche teilnehmen. Anmeldeschluss ist der 18. August 2009.

Die Mädchen erhalten die Möglichkeit, in den so genannten “Männerdomänen” Chemie, Informatik, Mathematik oder Physik, Forscherluft zu schnuppern.

Die Stiftung “Schweizer Jugend forscht” ist unabhängig, gemeinnützig, vom Bund anerkannt und wird von Gönnern und Sponsoren getragen.

Sie fördert die Freude an der Forschung und will interessierten Jugendlichen die Berufswahl erleichtern.

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