Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Mehr Unterstützung für Kampf gegen häusliche Gewalt

Das Wohnmobil der AI-Kampagne. Keystone

Die Schweizer Sektion der Menschenrechts-Organisation Amnesty International zieht eine positive Bilanz ihrer Kampagne "Mobil gegen häusliche Gewalt".

Bei der acht Monate dauernden Aktionstournee quer durch die Schweiz habe man vor allem Männer sowie Behörden sensibilisieren können.

Von März bis Oktober besuchte die Menschenrechts-Organisation Amnesty International (AI) mit einem Wohnmobil in der Schweiz 43 Ortschaften in 11 Kantonen und führte dort verschiedene, meist halbtägige Strassenaktionen zum Thema “häusliche Gewalt” durch. Die letzte fand am Freitag in Bern statt.

Der Kampf gegen diese alltäglichste Menschenrechtsverletzung werde heute nicht mehr nur als “Frauenfrage” gesehen, sondern auch auch von Behörden ernst genommen – und mehr und mehr auch von Männern, bilanzierte AI zum Abschluss der Aktionen.

Männer als wichtiges Zielpublikum

Männer auf das Thema anzusprechen war indes keine einfache Sache. “Viele sehen sich gleich in einer Täterrolle festgenagelt”, stellte AI-Kampagnen-Koordinatorin Stella Jegher fest. Häusliche Gewalt werde von Männern aus allen Schichten verübt.

Rund 700 Männer machten bei der Aktion “Mach dich stark” mit und erklärten sich bereit, ihre Kraft gegen häusliche Gewalt einzusetzen.

“Wer seine Frau schlägt, ist ‘ne Memme”, schrieb ein Jugendlicher ins Gästebuch der Tournee. Zum heutigen Abschluss in Bern hat AI auch Prominente um eine klare Aussage gegen häusliche Gewalt gebeten. Rund zwanzig Männer aus Wirtschaft, Politik und Kultur sind dem Aufruf gefolgt.

“Schlimmste Barbarei”

“Häusliche Gewalt bekämpfen heisst, eine der schlimmsten Barbareien unserer Zeit abzulehnen”, sagt zum Beispiel Christophe Darbellay, Präsident der Christlichdemokratischen Volkspartei. Stephan Baer, Verwaltungsratspräsident der Baer AG, hält fest: “Häusliche Gewalt ist nicht Privatsache, sondern ein Delikt, vor dem niemand die Augen verschliessen darf.”

Im Rahmen der Tournee besuchte Amnesty auch 16 Mittel- und Berufsschulen, um Tausende von Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren.

Kantonale Behörden sollen handeln

Anvisiert hatte AI schliesslich die kantonalen Behörden. Sie wurden zu Massnahmen gegen häusliche Gewalt aufgefordert: Etwa Geld für Frauenhäuser, Schutz von Migrantinnen, Täterprogramme, Schulung von Fachpersonen, Präventionsarbeit an Schulen.

Die Aktionen hätten Parlamentarier in einigen Kantonen, etwa Schwyz und Wallis, zu Vorstössen für Massnahmen gegen häusliche Gewalt veranlasst. Im Kanton Jura ist ein Gesetzesartikel in Vorbereitung, und die Opferhilfestelle wurde aufgestockt.

Jegher räumte ein, dass es weiterhin Probleme gebe bei der Bereitstellung von hinreichenden Ressourcen für die Arbeit gegen häusliche Gewalt, sowie beim Schutz von Migrantinnen.

swissinfo und Agenturen

Vergewaltigung in der Ehe war in der Schweiz bis 1993 straffrei und wurde bis Ende März 2004 nur auf Antrag geahndet.

Bis am 31. März 2004 wurden Gewalttaten in Ehe und Partnerschaft strafrechtlich nur verfolgt, wenn das Opfer einen formellen Strafantrag stellte.

Stellte das Opfer aber keinen Strafantrag oder zog diesen wieder zurück, wurden die entsprechenden Gewalttaten nicht bestraft (Antragsdelikt).

Aufgrund einer Änderung im schweizerischen Strafgesetzbuch wird seit dem 1. April 2004 Gewalt in Ehe und Partnerschaft von Amtes wegen, also auch ohne Antrag der Betroffenen oder sogar gegen den Willen des Opfers, als Delikt verfolgt und sanktioniert (Offizialdelikt).

Das Parlament hat 2006 das Zivilgesetz insofern verschärft, als Täter häuslicher Gewalt vom Richter befristet aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen werden können.

Ausserdem kann der Richter dem Täter verbieten, in die Nähe der Wohnung zu kommen und mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen.

Jede 5. Frau hat im Verlauf ihres bisherigen Lebens Gewalt durch einen Partner erlebt (Studie L. Gillioz, 1997).
Bei 5 bis 10% der Gewaltfälle in Ehe und Partnerschaft sind Männer die Opfer (Studie A. Godenzi).
Opfer: Rund die Hälfte ausländische Staatsangehörige; Tatverdächtige: je nach Studie 54 oder 65% Ausländer (S. Steiner, 1999-2001).

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft