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Jedes zweite Tötungsdelikt geschieht in der Familie

Nach einem Familiendrama wird eine Leiche aus einem Einfamilienhaus in Muri (Kanton Aargau) getragen. Keystone

45% der Tötungsdelikte, die zwischen 2000 und 2004 in der Schweiz begangen wurden, fanden im häuslichen Bereich statt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Bundesamts für Statistik (BFS).

Die Opfer sind vorwiegend Frauen. Jedes Jahr werden bei Familiendramen 28 Frauen und 13 Männer getötet.

Fast drei Viertel der Opfer der häuslichen Tötungsdelikten sind Frauen und fast 80% der Tatverdächtigen sind Männer, wie eine Sondererhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigt.

Zusammen mit der Polizei untersuchte das BFS in den fünf Jahren 2000 bis 2004 alle 859 Fälle von vollendeter oder versuchter Tötung mit 1067 Opfern.

Von den Opfern von Tötungsdelikten sind 40% weiblichen und 60% männlichen Geschlechts. 74% der Frauen standen in einer häuslichen Beziehung zur tatverdächtigten Person, bei den Männern waren es 25%. Pro Jahr sterben 28 Frauen und 13 Männer im häuslichen Bereich.

Keine Aussage zu Armeewaffen

88% der Tatverdächtigen bei allen Tötungsdelikten sind Männer, 12% Frauen. 82% aller weiblichen Verdächtigen begehen die Tat zu Hause, bei den Männern nur 40%.

43% der Opfer werden mit einer Schusswaffe umgebracht, bei versuchten Tötungsdelikten ist es meist eine Stichwaffe. Zwischen zivilen und Armeewaffen wird nicht unterschieden.

Personen der ständigen Wohnbevölkerung mit ausländischer Staatszugehörigkeit sind 1,8-mal häufiger Opfer eines Tötungsdeliktes als Schweizer Staatsangehörige. Als Tatverdächtige wurden ausländische Personen drei Mal häufiger registriert als Schweizerbürger.

Die Tatverdächtigen waren zu 57% bereits vorher wegen einer anderen Straftat polizeilich bekannt. 38% waren ohne Beschäftigung, und 33% standen während der Tat unter dem Einfluss von Alkohol, Betäubungsmitteln oder Medikamenten.

Ende der Tabuisierung

Wie Monique Aeschbacher, Leiterin der Fachstelle gegen Gewalt im Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, ausführte, sind die Tötungsdelikte in der Familie nur die Spitze des Eisbergs.

Die Dunkelziffer von Gewalt in Beziehungen sei um vieles höher als die Zahl der Todesopfer.

Jede fünfte bis zehnte Frau in der Schweiz habe physische oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner oder Expartner erlebt, sagte Aeschbacher. Die Tötungsdelikte hätten eine Vorgeschichte.

Verschärfung des Zivilgesetzes

46% der weiblichen Opfer seien vorgängig von der tatverdächtigen Person bedroht oder tätlich angegriffen worden.

Lange Zeit sei die häusliche Gewalt tabuisiert worden. Doch habe ein Gesinnungswandel stattgefunden.

Aeschbacher verwies auf das Opferhilfegesetz und die Verschärfung des Zivilgesetzes, die den Grundsatz “Wer schlägt, geht” umsetzt. Zudem wird seit 1. April 2004 häusliche Gewalt nicht mehr nur auf Antrag, sondern von Amtes wegen verfolgt.

swissinfo und Agenturen

2003 wurde in der Schweiz eine Tötungsrate von 2,5 auf 100’000 Einwohner registriert.
Österreich: 1,8
Deutschland: 3,4
Italien und Frankreich: 3,9
Luxemburg: 12,9

Seit dem 1. April 2004 ist häusliche Gewalt ein Offizialdelikt. Das Opfer muss also nicht mehr selbst Klage erheben.

Das Parlament hat 2006 das Zivilgesetz insofern verschärft, als Täter häuslicher Gewalt vom Richter befristet aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen werden können.

Ausserdem kann der Richter dem Täter verbieten, in die Nähe der Wohnung zu kommen und mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen.

In der Schweiz wurden 2005 von der Polizei 303’270 Verstösse gegen das Strafgesetz registriert. 204’996 waren Diebstähle, 61’194 Fahrzeug-Diebstähle und 2595 Raubüberfälle.

Die absichtlichen Tötungsdelikte beziffern sich auf 204, gegenüber 8099 Körperverletzungen und 4161 Verletzungen der sexuellen Integrität, 646 davon Vergewaltigungen.

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