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Menschenrechte auf dem Prüfstand der Realität

Leere Sitze: Nur wenige bedauern, dass die Menschenrechts-Kommission durch den neuen Rat ersetzt wird. Keystone

Der neue UNO-Menschenrechtsrat wird als Erfolg der Schweizer Diplomatie angesehen. Kann er aber die in ihn gesetzten hohen Erwartungen erfüllen?

Die Rolle der USA wirft Fragen auf. Und es gibt auch Befürchtungen, dass der Rat, der die diskreditierte Menschenrechts-Kommission ersetzt, nicht mit den nötigen Mitteln versehen wird.

Der neue Rat, der am 19. Juni zum ersten Mal in Genf tagen wird, wurde am Mittwoch in New York von der UNO-Generalversammlung mit einer überwältigenden Mehrheit ins Leben gerufen.

Die USA sind eines von nur vier Ländern, die gegen die Resolution stimmten. Sie sind der Ansicht, es sei zu wenig vorgekehrt worden, um den Einsitz von Ländern, welche die Menschenrechte verletzten, zu verhindern.

Diplomaten und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) sind der Ansicht, die US-Ablehnung der Resolution sei nicht als endgültig zu werten. Sie interpretieren die Entscheidung als “sanftes Nein”.

“Ich habe immer gesagt, dass ich die Teilnahme der Vereinigten Staaten wünsche. Sie als Gegner des Rates zu haben, wäre ein sehr schlechtes Zeichen. Aber dazu ist es nicht gekommen”, sagte die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey gegenüber der Zeitung Le Temps.

Vorbehalte

Die USA haben trotz Vorbehalten zugesagt, kooperativ mitzuarbeiten, um den Rat stark und effektiv zu machen. Ob sie sich um einen Sitz im Rat bewerben möchten, bleibt vorerst offen.

Weiter haben die USA zugesichert, sie würden keine Mittel für das UNO-Budget sperren. Der neue Rat wird daraus 4,3 Mio. Dollar (rund 5,56 Mio. Franken) erhalten.

“Es ist wichtig, dass die USA bereit sind, mit dem Rat zusammenzuarbeiten, da niemand die USA ausserhalb wünscht. Das ist positiv”, sagt Iaine Levine, Direktor der Menschenrechts-Organisation Humans Rights Watch, gegenüber swissinfo.

Diese Ansicht wird von der in Genf ansässigen Organisation UN Watch geteilt. UN Watch ist eine Koalition von rund 45 NGO, die auf wichtige Änderungen bei der Rats-Resolution gedrängt hatten.

Exekutivdirektor Hillel Neuer erklärte gegenüber swissinfo, dass die USA einen Prinzipien-Punkt gesetzt hätten. Er zeigt sich jedoch überzeugt, dass die USA sich im Rat engagieren werden. “Ich glaube nicht, dass die USA den Rat in jeder Hinsicht schwächen wollen.” Sie hätten ja auch schon Finanzierungszusagen gemacht, so Neuer.

“Wir dachten auch, dass diese Resolution ungenügend war. Die Debatte ist jetzt aber vorbei. Wir müssen das Beste daraus machen und nun Mitglieder wählen, die sich für die Menschenrechte einsetzen.”

Bekannte Gesichter

Neuer sagt, er sei betroffen gewesen, dass Länder wie China, Kuba und Simbabwe anwesend sein werden, wenn der Rat zu seiner ersten Sitzung in Genf zusammentrete.

Daniel Bolomey, Sekretär von Amnesty International Schweiz hingegen hofft, dass auch Länder mit einer schlechten Menschrechtsbilanz im neuen Rat Einsitz nehmen werden.

“Ich glaube, die Beteiligung von Ländern wie China, Russland, Kuba und auch den USA ist nötig. Denn mit den Mitgliedsbedingungen sind sie genötigt, über ihre eigenen Menschenrechts-Anstrengungen zu berichten und diese durch NGO bestätigen zu lassen”, sagt er.

Übergangsprozess

Amnesty sagt, die Schweiz und das internationale Genf müssten nun sicherstellen, dass sich die neue Organisation gut entwickle und Menschenrechts-Anliegen durch Änderungen nicht ignoriert würden.

Amnesty befürchtet, wie andere Menschenrechts-Organisationen auch, dass die Mandate für einige Spezialreferenten beschnitten werden könnten.

Calmy-Rey sagte gegenüber Le Temps weiter, die letzte Session der Menschenrechts-Kommission werde wahrscheinlich auf drei Wochen gekürzt. Man werde sich darauf konzentrieren, einen möglichst glatten Übergang zu schaffen.

“Ziel ist, dass der Rat so rasch wie möglich und unter bestmöglichen Bedingungen seine Arbeit aufnehmen kann. Es ist entscheidend, dass wir sicherstellen, dass 2006 kein schwarzes Jahr für die Menschenrechte wird, dass da kein ‘Schwarzes Loch’ bleibt”, sagt sie.

swissinfo, Frédéric Burnand und Adam Beaumont in Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Im März 2004 lancierte die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey offiziell die Idee eines Menschenrechtsrates.

Im März 2005 schlug auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, einen solchen Rat vor.

Im September 2005 übernahm der UNO-Gipfel, der sich mit den Millenniumszielen beschäftigt, das Prinzip eines Menschenrechts-Rates.

Der am 15. März 2006 von der UNO-Generalversammlung beschlossene Rat wird die 1946 geschaffene UNO-Menschenrechts-Kommission ersetzen.

Die 62. und letzte Sitzung der UNO-Menschenrechts-Kommission wird am 20. März für die Stabsübergabe an ihren Nachfolger, den Menschenrechtsrat, eröffnet.

Am 9. Mai wird die UNO-Generalversammlung die 47 Mitglieder des Rates bestimmen. Die Schweiz wird auch kandidieren.

Am 19. Juni wird der Rat der Menschenrechte in Genf seine erste Session eröffnen

Dieses neue UNO-Organ wird sich dreimal jährlich treffen und kann im Krisenfall auch Dringlichkeits-Sitzungen abhalten.

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