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Verlängerte Gnadenfrist für US-Steuerflüchtlinge

Keystone

Die US-Steuerbehörden haben die Frist für eine Selbstanzeige um drei Wochen verlängert. Steueranwälten können so dem Ansturm von Klienten entgegenkommen. Doch einige dieser mutmasslichen US-Steuersünder haben sich noch nicht entschieden.

Der Internal Revenue Service (IRS), die US-Einkommenssteuer-Behörde, hat US-Bürgern mit Konten im Ausland (mutmassliche Steuerflüchtlinge aus Sicht der USA) die Frist zur Selbstanzeige bis zum 15. Oktober verlängert.

Bis dann können sie “freiwillig” ihre Vermögen deklarieren und vermeiden damit die schlimmsten Strafen.

Laut IRS hätten bisher mehr als 3000 US-Bürger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Auch Kunden der UBS gehören zu den vom IRS Verfolgten, nachdem die Schweizer Grossbank zugegeben hatte, diesen Leuten bei der Steuerflucht geholfen zu haben.

Letzten Monat hatte die Schweizer Landesregierung in einer Abmachung (Amtshilfeverfahren) ausgehandelt, den US-Behörden die Details von 4450 UBS-Kunden zu übergeben.

Die Bank hatte rund 500 ihrer Kunden mit einem Brief gewarnt, dass ihre Namen auf der Liste figurieren, deren Herausgabe gemäss Abkommen erzwungen wurde. Ihnen wurden 20 Tage zugestanden, um einen Steueranwalt in der Schweiz zu finden, falls sie Beschwerde einzureichen gedenken.

In Voraussicht eines Ansturms stellen die Schweizer Behörden zusätzliche Richter für das Bundesverwaltungsgericht an. Damit würde die Schweiz auch ihrem an die USA gegebenen Versprechen nachkommen, die Verfahren zu beschleunigen.

Steueranwälte werden überschwemmt

Es scheint, dass zahlreiche Amerikaner, ob Kunden der UBS oder von anderen Banken, die Gelegenheit nutzen, mit ihrer Steuerbehörde ins Reine zu kommen und aufgelaufene Steuern zu zahlen. In der Teilamnestie wird ihnen zugesichert, dass die zusätzlichen Strafen 20% der Summe ihrer im Ausland gehaltenen Vermögen nicht übersteigt.

Laut IRS hätten rund 3000 US-Bürger um dieses “freiwillige” Programm der Steuerdeklaration nachgesucht, gegenüber 88 vor einem Jahr, als keine spezifische Amnestie gültig war.

Auch Scott Michel von Caplin & Drysdale, Washington, ist in den vergangenen Tagen von neuen Kundenanfragen überschwemmt worden. Gegenüber swissinfo.ch sagte er, die Fristverlängerung diene dazu, den Deklarations-Verfahren mehr Zeit zu gewähren.

“Zahlreiche Anwälte bemerkten den starken Zuwachs der Kundenanfragen so kurz vor Ablauf der Frist. Sie machten sich Sorgen, ob sie für die so kurz verbliebene Zeit die übliche Servicequalität aufrecht erhalten können. Das IRS hat darauf einen weiteren Monat zugestanden.”

Damit könnten die Verfahren ohne das Damoklesschwert der Terminfrist angegangen werden.

Dilemma für Kontoinhaber

Nur die ersten 500 Genannten auf der UBS-Liste der 4450 Bankkunden wissen bisher, dass ihre Konto-Detailinformationen an die US-Steuerbehörde weitergeleitet werden.

Nun will im Tessin ein Gericht nächsten Montag mit einem Urteil die UBS-Bankfilialen des Kantons dazu verpflichten, alle Kunden anzuschreiben, deren Vermögensstand an das IRS weitergegeben wird, und auszuführen, weshalb die US-Steuerbehörden informiert werden.

Dieses Urteil geht auf den Tessiner Anwalt Paolo Bernasconi zurück. Es soll illustrieren, dass sich einige mutmassliche Steuersünder offenbar noch im Dilemma befinden, wie sie sich verhalten sollen, solange die Frist noch läuft.

Nicht namentlich aufgelistete Kontoinhaber dürften weniger motiviert sein, mit den US-Steuerbehörden klar zu kommen – obschon sie zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls ins Netz der Steuerfahnder geraten könnten.

Aber Scott Michel warnt jene UBS-Kunden, die sich noch überlegen, ob sie gegen die Übergabe ihrer Konto-Informationen Beschwerde einreichen wollen. Denn das amerikanische Gesetz verlange von US-Bürgern, Rechtsklagen, die sie im Ausland führen, auch beim US-Justizministerium einzureichen.

Und wenn sie das tun, seien sie verpflichtet, ihre Namen zu publizieren. “Das sieht dann schon sehr nach Zwickmühle aus”, schliesst Michel.

Matthew Allen, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Die amerikanische Steuerbehörde ist nicht die einzige, die zur Zeit mit Fristerstreckungen operiert.

Die Regierungen von Italien, Grossbritannien und Deutschland haben alle eigene Möglichkeiten eingerichtet, um Steuerflüchtlinge bei Straferleichterung fiskalisch wieder korrekt einzugliedern.

Steueramnestien sind nichts Neues – in Italien handelt es sich um die 3. Amnestie in den letzten drei Jahren.

Schweizer Banken waren bisher erfolgreich beim Zurückhalten von Vermögenswerten, die durch Amnestien hätten repatriiert werden können. Auch liessen sich Gelder zurücklocken, wenn einmal der Sturm vorüber war.

Doch dieses Mal scheinen es die Schweizer Banken schwieriger zu haben.

Anders als früher beharren dieses Mal die italienischen Behörden darauf, dass Vermögen aus Nicht-EU-Ländern nicht nur repatriiert, sondern auch deklariert werden müssen.

Diese Erosion des Bankgeheimnisses könnte auch dazu führen, dass die Schweiz als Ort, um Vermögen vor dem Fiskus zu verstecken, für Steuersünder an Attraktivität verliert.

Schweizer Banken haben auf diese Gefahr bereits reagiert: Sie verstärkten ihr Onshore-Geschäft in verschiedenen Ländern – in der Hoffnung, dort Vermögen zu verwalten, ohne mit den jeweils geltenden Gesetzen in Konflikt zu kommen.

Die Schweiz ist seit Donnerstag der Streichung von der OECD-Liste der Steueroasen einen Schritt näher.

Mit den USA hat sie bisher das 11. von 12 nötigen Doppelbesteuerungs-Abkommen unterzeichnet.

Das zum G-20-Gipfel in Pittsburgh geforderte zwölfte Abkommen mit Katar soll
demnächst folgen.

Damit könnte die Schweiz voraussichtlich noch diese Woche von der grauen Liste der OECD gestrichen werden.

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