Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Mehr Biss mit unabhängiger Antidoping-Agentur?

Keystone

Die neue nationale Antidoping-Agentur steht vor einen schweren Start am 1. Juli. Mit einem Minimalbudget wird das in den letzten Jahren verlorene Terrain im Kampf gegen Doping kaum gut zu machen sein.

Sportminister Samuel Schmid brachte den Delegierten von Swiss Olympic (SO) ein Geschenk mit: 300’000 Franken einmalige Starthilfe leistet der Bund für die neue unabhängige Stiftung Antidoping Schweiz (ADS), die am 1. Juli ihren Betrieb aufnimmt.

Der Dachverband des Schweizer Sports gab am Montag in Bern grünes Licht für die Gründung der neuen Frontorganisation.

Corinne Schmidhauser, designierte Präsidentin des ADS-Stiftungsrates und frühere Gewinnerin des Slalom-Weltcups, nahm das Geschenk Schmids dankbar an. “Wir sind es den jungen Sportlern schuldig, den Kampf gegen Doping ernsthaft zu führen”, sagte die ehemalige Skirennfahrerin.

Matthias Kamber, bisheriger Leiter der Dopingbekämpfung im Bundesamt für Sport (Baspo) und wesentlich am Konzept der ADS beteiligt, wertet die unabhängige Agentur zwar als “grossen Fortschritt”. Auch ermögliche der Zustupf aus Bern dringliche Investitionen, die sonst im ADS-Minimalbudget von 3,8 Mio. Franken keinen Platz gehabt hätten.

Start mit Verspätung

In Jubel bricht der oberste Dopingfahnder des Bundes aber nicht aus. Die neue Agentur ist nicht nur vom Start weg in ein enges finanzielles Korsett gezwängt. Sie kommt auch mit erheblicher Verspätung, wie Kamber gegenüber swissinfo sagt.

“Wir machen diesen Schritt erst jetzt, vier Jahre nach der Gründung der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) und der Einsetzung des ersten Antidoping-Codes”, so Kamber. Zeitgleich mit der Gründung der ADS trete auch der neue, zweite Code der Wada gegen Doping in Kraft. Hinzu komme die Einführung einer neuen Software. “Wir sind herausgefordert, ich sehe grosse Probleme auf uns zukommen”, schätzt Kamber.

Grosse Fische im Netz

Nicht zuletzt die Verzögerung sorgte dafür, dass die Schweiz in den letzten vier Jahren vom Musterland in Sachen Kampf gegen Doping zu einem Mitläufer geworden ist. Ein Fakt, den Kamber “ganz klar” bestätigt. “Auf dem Höhepunkt der Dopingbekämpfung in der Schweiz von 2002 bis etwa 2004 wurde unser Modell vom Ausland kopiert.”

Manifestiert hatte sich die Schlagkraft auch mit spektakulären Erfolgen: 2004 waren mit Ex-Radweltmeister Oscar Camenzind und Triathlon-Olympiasiegerin Brigitte McMahon gleich zwei ganz grosse Fische im Netz von Kambers Dopingfahndern hängen geblieben.

Heute weist die Schweiz gegenüber den meisten europäischen Nachbarn einen Rückstand auf. “Nicht nur punkto Kontrollen, sondern auch bei der Information, Prävention und bei den internationalen Beziehungen sind wir nicht mehr die gefragten Partner”, so Kamber.

Wenn der Staat Druck aufsetzt

Sportminister Samuel Schmid machte zwar ein nettes Geschenk. Aber er machte den Vertretern der Sportverbände auch unmissverständlich klar, dass der Bund auch künftig nicht mehr als die bisherigen 1,7 Mio. Franken zum ADS-Jahresbudget beisteuert. Schmid appellierte vielmehr an die Eigenverantwortung des Sports und verwies auf das Potenzial von Sponsoren.

Anders sieht die Lage im Ausland aus. “In den meisten Nachbarländern sind die Regierungen vorgeprellt und haben den Sport mit einer Steilvorlage bedient und nicht umgekehrt”, stellt Kamber fest. Die neue nationale Antidoping-Organisation (Nado) Grossbritanniens beispielsweise sei auf Anstoss der Regierung gegründet worden. Deren Budget wird innerhalb zweier Jahre von 4,5 Mio. auf knapp 15 Mio. Pfund hochgefahren (31 Mio. Franken). Auf der Insel heften sich 45 Nado-Mitarbeiter an die Fersen der Sportler.

Sponsor an der Angel

“Das ist ein ganz anderer Trend, weil die Regierung Druck macht und auf der Umsetzung des neuen Wada-Code beharrt”, hält Kamber fest. In der Schweizer Regierung herrsche eine andere Vorstellung. “Aber das sind die Rahmenbedingungen, die wir akzeptieren müssen”, so Kamber.

Ganz so düster sieht die Startgerade der ADS aber dennoch nicht aus. Swiss-Olympic-Direktor Marc-André Giger konnte immerhin das Engagement eines privaten Sponsors in Aussicht stellen. Dieser wolle den Kampf der neuen Antidoping-Agentur in den nächsten drei Jahren mit einem “sechsstelligen Betrag” unterstützen.

swissinfo, Renat Künzi

Die neue Antidoping-Agentur der Schweiz (ADS) wird von Swiss Olympic und des Bundesamtes für Sport getragen.
SO trägt 1,9 Mio. Franken, der Bund 1,7 Mio. Franken
Der Jahresetat von 3,8 Mio. Franken stellt eine absolute Minimalvariante dar. Eine erweiterte Variante, vergleichbar etwa mit Norwegen, würde jährlich 5,1 Mio. Franken kosten.
2007 gab es in der Schweiz 1419 Dopingkontrollen. 2005 waren es noch 1714 gewesen.
Die ADS will ab 2009 jährlich rund 2500 Wettkampf- und Trainingskontrollen in der Schweiz durchführen.
Seit Gründung der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada von rund sieben Jahren stieg die Zahl der weltweiten Dopingkontrollen von 120’000 auf fast 200’000 Kontrollen pro Jahr.

Bisher wurde der Dopingkampf von der Fachkommission für Dopingbekämpfung (FDB) geführt. Diese wurde von Swiss Olympic und vom Bundesamt für Sport (Baspo) alimentiert.

Die neue, unabhängige Stiftung Antidoping Schweiz (ADS) steht auf privatrechtlicher Basis und nimmt den Betrieb am 1. Juli 2008 auf.

Die Gründung einer nationalen Antidoping-Agentur (Nada) durch den Bund wäre wegen einer Gesetzesrevision erst auf 2011 möglich.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft