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Minarett-Verbot: Der falsche Weg

Bundesrat Samuel Schmid lehnt Initiative für ein Minarett-Verbot ab. Keystone Archive

Bundesrat Samuel Schmid hält nichts von der Initiative für ein Minarett-Verbot, die eine Fraktion seiner Schweizerischen Volkspartei mitlanciert hat.

“Damit lösen wir keine Probleme”, sagte er in einem Interview mit der SonntagsZeitung. Die Initiative hat sowohl in der Schweiz wie auch in der muslimischen Welt Staub aufgewirbelt.

Der Bau von Minaretten in der Schweiz soll untersagt werden. Die Initiative war Anfang Mai von Vertretern der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) lanciert worden.

Mit einem Minarett-Verbot will das Komitee dem “politisch-religiösen Machtanspruch” des Islams entgegentreten.

Bis zur Volksabstimmung über das Minarett-Verbot fordern die Initianten in der Schweiz ein Moratorium für islamische Bauwerke auf allen Staatsebenen.

Konflikt mit der Religionsfreiheit

Falls das Verbot eine baurechtliche Vorschrift sein solle, gehöre es in die kantonalen Bauordnungen, erklärte SVP-Bundesrat Samuel Schmid in einem Interview mit der SonntagsZeitung.

Falls es eine religiöse Vorschrift sei, gerate es in Konflikt mit der ebenfalls in der Verfassung verankerten Religionsfreiheit.

“Ein Minarett-Verbot ist der falsche Weg. Damit lösen wir keine Probleme.” Schmid gab zu bedenken, dass die Schweiz in der globalisierten Welt in einigen Jahren mit weiteren Religionen konfrontiert sein werde. “Wollen wir dann neue Verbote aufstellen?”

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Islam-Problem nicht verneinen

Schmid verneinte aber nicht, dass es in der Schweiz ein Islam-Problem gibt. “Die Initiative ist Ausdruck einer gewissen Sorge”, sagte der Verteidigungsminister.

Diese sei ernst zu nehmen, unabhängig vom Inhalt des Volksbegehrens, das er klar ablehne. “Der Islam ist genauso achtenswert wie das Christentum, das Judentum, der Buddhismus und andere Religionen.”

Keine rechtsfreien Räume

“In unserem Land gilt die Glaubens- und Gewissensfreiheit”, so Schmid im Interview weiter.

Genau deswegen seien keine rechtsfreien Räume oder ein anderes Recht als das Schweizer Recht zu dulden.

So könnten bei uns keine Zwangsheiraten, keine so genannten Ehrenmorde und keine Selbstjustiz geduldet werden.

“Dies alles hat aber überhaupt nichts mit Minaretten zu tun”, betonte er.

Kein Konfrontationskurs mit der eigenen Partei

Auch wenn er die Initiative ablehnt, geht Schmid nicht auf Konfrontationskurs mit seiner Partei, zumal sich diese dazu noch gar nicht geäussert habe.

Er werde den “Versuchen, zwischen meine Partei und mich einen Keil zu treiben”, immer widerstehen.

Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, hat zu dem Volksbegehren noch nicht Stellung genommen.

Verärgerte Muslime

Die Initiative für ein Minarett-Verbot hat sowohl Muslime in der Schweiz wie auch ihre Glaubensbrüder und -schwestern in muslimischen Ländern erzürnt.

Diese Initiative bedrohe den Frieden und verletze Muslime, sagte Adel Méjri, führendes Mitglied der Liga der Muslime in der Schweiz. Nur mit einem Dialog könnten Lösungen gefunden werden.

“Als eine Organisation, die Muslimen hilft, sich zu integrieren, sind wir geschockt über diese Initiative”, so Méjri.

Erste Artikel über die Initiative in arabischen Medien haben Leser aufgebracht. In deren Foren kam es zu erzürnten Reaktionen. Dabei wird auch zum Boykott von Schweizer Banken aufgerufen.

Besonders empört haben die Leser gewisse muslimfeindliche Zitate einiger Initianten der Initiative. EDU-Mitinitiant und Nationalrat Christian Waber sagte zum Beispiel: “Der Islam ist keine Religion. Er ist eine Kriegserklärung an die Christenheit und alle anderen Religionen.”

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz gehören über drei Viertel der Wohnbevölkerung einer christlichen Konfession an: 42% sind Katholiken, 35% Protestanten und 2,2% gehören anderen christlichen Religionen an.

Der Islam ist mit über 310’000 Anhängern (4,3%) die zweitwichtigste Religion des Landes. 12% von ihnen haben einen Schweizerpass. Die meisten Muslime in der Schweiz kommen aus dem Balkan oder der Türkei.

Die jüdische Gemeinde zählt in der Schweiz nur knapp 18’000 Mitglieder (0,2%). 80% von ihnen sind Schweizer Bürger.

Ferner leben 28’000 Hindus, 21’000 Buddhisten und rund 1000 Baha’i im Land.

Ein Minarett ist ein Turm mit einem Balkon, von dem der Muezzin die Muslime zum Gebet aufruft. Das Minarett ist traditionsgemäss Teil einer Moschee.

In modernen Moscheen ist das Minarett mit Lautsprechern ausgerüstet.

In der Schweiz haben lediglich die Moscheen von Genf und Zürich ein Minarett. Zum Gebet aufgerufen wird von dort aber nicht.

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