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NGO kritisieren Bundesrats-Haltung im Irak-Krieg

NGO fordern vom Bundesrat, die Kriegskoalition an ihre Verantwortung als Besatzungsmacht zu erinnern. Keystone

Scharfe Kritik am Bundesrat: Er habe das Kriegende zu früh erklärt und sei zu schnell wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt.

Nichtregierungs-Organisationen (NGO) fordern ein Ende der Waffenverkäufe an Kriegsparteien und die Verfolgung aller Kriegsverbrecher.

Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International (ai) hat mit einer Petition an Schweizer Regierung und Parlament am Donnerstag gefordert, dass diese sich für die Entsendung internationaler Beobachter in den Irak stark machen. Kriegsverbrecher – egal welcher Nationalität – sollen in der Schweiz vors Gericht kommen. 2800 Personen haben die Petition unterschrieben.

Die Genfer “Centre Europe – Tiers Monde” (CETIM) verlangte an der gemeinsamen Medienkonferenz den Stopp der Kriegsmaterial-Ausfuhren an die USA und Grossbritannien. Der entsprechende Appell an den Bundesrat wurde von knapp 50 regionalen und nationalen Vereinigungen, NGO, Gewerkschaften, der Grünen Partei und mehr als 400 Privatpersonen unterzeichnet.

US-Soldaten vor Schweizer Gericht?

Generalsekretär von Amnesty in der Schweiz, Daniel Bolomey, erklärte, dass die Petition die Schweiz auffordert, mutmassliche Kriegsverbrecher – gleich welcher Nationalität – in der Schweiz strafrechtlich zu verfolgen, vor Gericht zu stellen und mit dem internationalen Strafgerichtshof zusammen zu arbeiten.

NGO beschuldigen die Kriegskoalition, in Irak zahlreiche Kriegsverbrechen begangen zu haben, wie die Folterung und Erschiessung irakischer Gefangener, und der Einsatz unerlaubter Waffen wie Splitterbomben gegen Städte.

UNO-Absolution gegen die UNO-Charta

Florian Rochat, Direktor des CETIM, beschuldigte die USA und Grossbritannien, zum Kolonialismus zurückgekehrt zu sein. Der UNO-Sicherheitsrat habe die Besatzung nachträglich mit der Resolution 1483 abgesegnet – in offenkundiger Verletzung der UNO-Charta. Damit sei ein Präzedenzfall geschaffen worden, warnte er.

Das CETIM forderte vom Bundesrat deshalb, dass dieser sich dafür einsetze, dass die UNO-Vollversammlung den Krieg als völkerrechtswidrig verurteile. Auch die Schweizer Regierung selber dürfe nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen.

Tiger-Jets für die Koalition

Die Grüne Nationalrätin Franziska Teuscher warf dem Bundesrat vor, dass dieser noch vor der Kriegskoalition den Irak-Krieg für beendet erklärt hatte. Damit habe er den Verkauf von 32 Tiger-Jets an die USA gerettet. Der Deal wäre wegen dem Ausfuhrverbot für Waffen an kriegsführende Nationen fast geplatzt, erläuterte Teuscher.

swissinfo und Agenturen

Vorwürfe der NGO an die Koalition:

Intensive Bombardierung von Wohngebieten
Vorsätzliche Angriffe auf Zivilbevölkerung
Ermordung sich ergebender Soldaten
Zerstörung ziviler Infrastruktur ohne militärische Gründe
Einsatz von Splitterbomben und Munition aus abgereichertem Uran
Behinderung der Arbeit humanitärer Organisationen
Gezielte Angriffe auf Medien
Keine Grundversorgung der Bevölkerung als Besatzungsmacht

Geteilte Meinung über humanitäre Interventionen:

Amnesty-Generalsekretär Bolomey befürwortet humanitäre Militär-Einsätze teilweise. Beispielsweise hätte dadurch der Völkermord in Ruanda 1994 verhindert werden können.

CETIM-Direktor Rochat lehnt solche Interventionen ab. Sie würden oft nur als Deckmantel dienen, um strategische oder politische Ziele militärisch durchzusetzen. Er verlangt eine Definition der humanitären Intervention in der UNO-Charta.

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