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Partei der Arbeit will Ausstieg aus dem Kapitalismus

Der Waadtländer Josef Zisyadis ist zur Zeit der einzige Vertreter seiner Partei im Nationalrat. Ex-press

Von der am äussersten linken Rand politisierenden Partei hört man weiterhin etwas, wenn auch wenig: die Partei der Arbeit holte an den eidgenössischen Wahlen von 2007 0,7% der Stimmen. Ein Gespräch mit dem einzigen Vertreter im Nationalrat, Josef Zisyadis.

swissinfo.ch:Welche Werte vertritt ihre Partei? 
 
Josef Zisyadis: Wir vertreten die Werte einer sozialen Schweiz, die für die Schwächsten der Gesellschaft einsteht. Wir sind für den Ausstieg aus dem kapitalistischen System und auch aus dem aktuellen Produktivismus.

Die Schweiz hat heute einen hohen Entwicklungsstand erreicht, der es erlauben würde, anderen Ländern auf dem Planeten zu helfen.

swissinfo.ch: Welches sind die Prioritäten Ihrer Partei für die nächste Legislatur?

J.Z.: Trotz allen Schwierigkeiten mit der EU sollte sich die Schweiz innenpolitisch mit einer Steuerharmonisierung befassen und etliche weitere finanzpolitische Themen aufs Tapet bringen.

Unsere zweite Priorität ist die soziale Gerechtigkeit: Wir sind für die Einführung eines Mindestlohnes, was für die Schweiz neu wäre.

Es bleiben noch die Themen Ökologie und Umwelt. Wir sollten vom Dogma des extremen Produktivismus, des Wachstumszwanges, wegkommen und eine Wachstumsrücknahme anstreben.

swissinfo.ch: In welchen Bereichen muss die Schweiz ihre Ausgaben drosseln, und in welche muss sie mehr investieren?
 
J.Z.: Wir sind ganz klar für die Abschaffung der Armee, dort gibt es ein riesiges Sparpotenzial.

Hätten wir eine Besteuerung von Finanzprodukten, so würden zusätzliche Mittel für die hoheitliche Gewalt (öffentliche Hand) frei. Damit könnten im sozialen Bereich Projekte realisiert werden, die dringend nötig sind. Vergessen wir nicht, dass viele Schweizer Bürger unter der Armutsgrenze leben. Diese Tatsache beschäftigt uns sehr.

swissinfo.ch: Welchen Weg muss die Schweiz für die zukünftigen Beziehungen mit der EU einschlagen?

 

J.Z.: Das Klima in der Schweiz hat sich gegenüber der EU beträchtlich verändert. Die gegenwärtige Finanzkrise und die fehlende Positionierung der EU auf internationaler Ebene beweisen, dass die EU eher eine wirtschaftliche als eine politische Union ist.

 
Die Schweiz müsste eine Diskussion über grundsätzliche politische Fragen aufnehmen, das heisst, über ein wirklich föderales Europa, das die Existenz der verschiedenen Nationen gewährleist. Leider schlägt die EU nicht diesen Weg ein.
 
Die Schweiz müsste etwas unternehmen: Europa politische Reformen vorschlagen, damit sie sich vorstellen könnte, einmal beizutreten. Das heisst, die direkte Demokratie nicht in Frage stellen, das Referendums- und Initiativrecht auf europäischer Ebene einführen und über keine Einheitswährung, sondern eine gemeinsame Währung verfügen.

Das ist viel auf einmal, deshalb glaube ich nicht, dass in den nächsten Jahren in diesem Dossier Fortschritte festzustellen sind.


swissinfo.ch: Muss die Schweiz neue Atomwerke bauen, oder sollte sie vielmehr auf erneuerbare Energien setzen?
 
J.Z.: Wir sind gegen den Ersatz von Atomkraftwerken. Wir müssen auf diese Form von Energie verzichten und uns mutig den Herausforderungen der erneuerbaren Energien und des Energiesparens stellen.

Bei Gebäuden kann effizient gespart werden, doch dazu braucht es grosse Investitionen.

swissinfo.ch: Wie stellen Sie sich den Auftrag und die Mittel der Armee von Morgen vor?

 

J.Z.: Wir sind für die Abschaffung der Armee. Dies will jedoch nicht heissen, dass wir gegen eine Form von persönlichem Engagement der Bürger und Bürgerinnen sind.

Es gibt heute ausserhalb der Armee genug andere Möglichkeiten, etwas für das Land und die Gemeinschaft zu tun.

 
swissinfo.ch: Welches ist die Position Ihrer Partei zu Fragen der Einwanderung und Integration von Ausländern in der Schweiz?
 
J.Z.: Wir sind für das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer, die schon lange in der Schweiz leben. Wir wünschen auch eine automatische Einbürgerung für Menschen, die seit mehr als 15 bis 20 Jahren in der Schweiz leben. Dies würde 80% der mehr als 1,5 Millionen Ausländer, die hier leben, betreffen.
 
Die allgemeine Stimmung deutet jedoch in eine andere Richtung. Das heisst, wir müssen unsere Sichtweise ändern: diese Leute sind gekommen, um zu arbeiten und sich zu integrieren.

Wenn wir die Einwanderung drosseln wollen, dann müssen wir den Menschen in ihren Ländern helfen, damit sie bleiben können. Wir brauchen eine aktivere Politik der Entwicklungshilfe.

Wenn wir die Integration von Ausländern in der Schweiz mit andern Ländern vergleichen, dann ist ein obligatorischer Integrationsvertrag völlig unproduktiv.

 
swissinfo.ch: Was schlägt Ihre Partei vor, um die Politik des Bundes gegenüber der Fünften Schweiz zu verbessern?
 
J.Z.: Hier müssen wir besondere Anstrengungen unternehmen, namentlich für jene, die eines Tages entscheiden, wieder in die Heimat zurückzukehren. Sie könnten Schwierigkeiten haben, sich wieder zurechtzufinden in einem Land, das ihnen fremd geworden ist.

Mir scheint auch wichtig, dass die unentgeltliche Vermittlung von allen politischen Standpunkten in die Fünfte Schweiz gewährleistet ist. Unsere Partei hat dazu nicht die finanziellen Mittel.

Bloss das Wahlrecht wahrzunehmen, ohne informiert zu sein, reicht nicht. Der Bund müsste diese Information zur Verfügung stellen.

Die Partei der Arbeit wurde 1944 gegründet, vier Jahre nach dem Verbot der Kommunistischen Partei der Schweiz.

Die PdA war bis 1982 einemarxistisch-leninistische Partei, heute kämpft sie für soziale Gerechtigkeit, einer ihrer wichtigsten Programmpunkte.

In einigen Kantonen ist diese politische Bewegung auch unter dem Namen Parti Ouvrier Populaire (POP) bekannt.

Im Bundesparlament ist sie seit 1947 vertreten, konnte aber bei den Wählern nie einen grossen Erfolg erzielen. In den letzten Jahren gab es nie mehr als einen bis drei Vertreter in Bern (Wähleranteil 2007: 0,7 Prozent).
 
Anlässlich der letzten Legislatur gehört der einzige Nationalrat zur Fraktion derGrünen.

Josef Zisyadis wurde 1956 als Sohn griechischer Eltern in Istanbul geboren. Seit 1962 lebt er in Lausanne.
 
Er schloss sein Studium an der Universität Lausanne mit dem Lizentiat in Theologie ab.
 
Im Lauf seiner beruflichen Karriere sass er im Parlament der Stadt Lausanne und des Kantons Waadt.

Während zwei Jahren (1996-1998) war er Mitglied der Waadtländer Kantonsregierung.

Seit 1999 ist er wieder im Nationalrat, dem er schon von 1991 bis 1996 angehörte.  

Ausserhalb der Politik kennt man Josef Zisyadis auch in der Gastronomie – er ist Präsident der Schweizer Genusswoche.

(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

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